Leiharbeitnehmer (Leih- bzw. Zeitarbeit)

gsbv, Bayern, Tuesday, 28.09.2010, 16:26 (vor 4968 Tagen)

Guten Tag,

Wahlzeit ist Horrorzeit!!!!!

Wer kann mir helfen. In "meinem" Betrieb arbeiten etwa 200 Leiharbeitskräfte - teilweise viele schon Jahrzehnte -. Bisher haben sie an keiner Wahl teilgenommen, sie wurden nicht aufgeklärt, dass sie es könnten.
Jetzt bei der SBV Wahl kam der Wunsch auf, teilzunehmen.
Nach "wochenlanger" Prüfung durch den Wahlvorstand, Integrationsamt und externem Rechtsanwalt hat der Wahlvorstand beschlossen, diesen Personenkreis teilnehmen zu lassen.
Nun schreibt mir ein Wahlberechtigter folgendes Mail:

Mittlerweile hat mich auch das Schreiben erreicht, über das wir gestern gesprochen haben.

Ich wurde darin informiert, dass ich die gute Zusammenarbeit meiner Firma mit .... gefährden und somit meinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzen würde, wenn ich wie von Ihnen erstmals angeboten an der Wahl der .... Schwerbehindertenvertretung (SBV) teilnehmen würde.

Da ich weder das Verhältnis ..... / ....../ .....beschädigen, noch meinen Arbeitsplatz gefährden möchte, werde ich an der Wahl des Schwerbehindertenvertreters nun doch nicht teilnehmen.

Nun meine Frage dazu: stellt dies auch den Tatbestand der Wahlbeeinflussung dar. Wäre dies ggf. auch ein weiterer Anfechtungsgrund>

Vielen Dank und freundliche Grüße
GSBV

Leiharbeitnehmer

Doris, Tuesday, 28.09.2010, 21:37 (vor 4968 Tagen) @ gsbv

» Mittlerweile hat mich auch das Schreiben erreicht, über das wir gestern gesprochen haben. Ich wurde darin informiert, dass ich die gute Zusammenarbeit meiner Firma mit .... gefährden und somit meinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzen würde, wenn ich wie von Ihnen erstmals angeboten an der Wahl der .... Schwerbehindertenvertretung (SBV) teilnehmen würde.

Hallo GSBV,

von wem stammt denn dieses sog. "Info"-Schreiben an die schwerbehinderten Leiharbeitnehmer>
Von der Verleiher-Firma oder der Entleiher-Firma oder von wem>

--
Viele Grüße
Doris

Leiharbeitnehmer

gsbv, Bayern, Wednesday, 29.09.2010, 09:03 (vor 4967 Tagen) @ Doris

Guten Morgen,


»
» von wem stammt denn dieses sog. "Info"-Schreiben an die schwerbehinderten
» Leiharbeitnehmer>
» Von der Verleiher-Firma oder der Entleiher-Firma oder von wem>


Dieses Schreiben an die wahlberechtigten "Leiharbeiter" kommt aus dem Verleiherbetrieb. Deren Geschäftsführer hat dieses an ihre Privatadresse verschicken lassen.

GSBV

Leiharbeitnehmer

Doris, Wednesday, 29.09.2010, 18:14 (vor 4967 Tagen) @ gsbv

Hallo GSBV,

Wahlschutz nach § 20 Abs. 1 BetrVG bedeutet, dass die Wahl von niemandem, also auch nicht vom Verleiher, behindert oder (wie hier) in unerlaubter Weise beeinflusst werden darf. Untersagt ist es insbesondere, die Wahlberechtigten bei der Ausübung ihres Stimmrechts zu beschränken oder die Wahlbewerber bei ihrer Kandidatur zu behindern bzw. arbeitsrechtlich durch Drohungen zu maßregeln bzw. gezielt von der Ausübung Ihres aktiven Wahlrechts abzuhalten.

Die Behinderung oder unzulässige Beeinflussung der Wahl ist strafbar und kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet werden; sie kann die Anfechtbarkeit der Wahl, bei besonders groben Verstößen die Nichtigkeit der Wahl begründen. Was sagt denn der Arbeitgeberbeauftragte des Entleiherbetriebs zu diesem Gebaren.

Ich denke, dass sich die Staatsanwaltschaft für diesen Fall besonders interessieren dürfte. Außerdem spricht einiges dafür, dass es sich um eine Diskriminierung nach dem AGG handelt. Auskunft dazu erteilt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes unter
www.antidiskriminierungsstelle.de

--
Viele Grüße
Doris

Leiharbeitnehmer

Doris, Tuesday, 11.01.2011, 16:08 (vor 4863 Tagen) @ gsbv

» Ich wurde darin informiert, dass ich die gute Zusammenarbeit meiner Firma mit .... gefährden und somit meinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzen würde, wenn ich wie von Ihnen erstmals angeboten an der Wahl der.... Schwerbehindertenvertretung (SBV) teilnehmen würde.

Hallo GSBV,

dieses Schreiben erfüllt klar den Tatbestand der Androhung einer gesetzlich unzulässigen Maßregelung. Gleichzeitig werden die Wahlberechtigten mit diesem Schreiben auch davon abgehalten, an der Wahl der SBV teilzunehme.

1.
Für SBVn im Geltungsbereich des Hessischen Landespersonalvertretungsgesetz ist der Beschluss der VGH von Interesse. Denn im Geltungsbereich dieses ist nun abschließend auch festgestellt, dass dort Leiharbeitnehmer sowohl das aktive wie auch das passive Wahlrecht haben. Bedeutet, sie können auch gewählt werden.

"Leitsatz: Den von einem privaten Verleiher in einer Dienststelle eingesetzten Leiharbeitnehmern/innen steht nach ihrer Eingliederung und einer Beschäftigungsdauer von länger als drei bzw. sechs Monaten ein aktives bzw. passives Wahlrecht für den Personalrat der entleihenden Beschäftigungsdienststelle zu."

Leiharbeitnehmer sind im Hinblick auf den Personalrat ihrer Beschäftigungsdienststelle sowohl aktiv als auch passiv wahlberechtigt. Maßgeblich für das personalvertretungsrechtliche Wahlrecht ist allein die auf eine gewisse Dauer von länger als drei bzw. sechs Monaten angelegte tatsächliche Eingliederung der Leiharbeitnehmer in die Arbeitsorganisation der Beschäftigungsdienststelle, der aufgrund des Überlassungsvertrags auch ein Weisungsrecht ihnen gegenüber zusteht.

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass Leiharbeitnehmer nach der privatrechtlichen Regelung in § 14 Abs. 1 AÜG auch während ihrer Arbeitsleistung beim Entleiher Angehörige des Verleiherunternehmens bleiben. Insoweit wird mit guten Gründen eine doppelte Betriebs- bzw. Dienststellenzugehörigkeit angenommen – und zwar in der Form, dass das "Grundverhältnis" beim Verleiherbetrieb verbleibt und das "Betriebsverhältnis" auf die Entleiherfirma übergeht, die auch das Direktionsrecht ausübt. Es ist daher sinnvoll, langfristig eingesetzten Leiharbeitnehmern auch in der Entleiherdienststelle über das Wahlrecht Einflussmöglichkeiten auf Betriebsablauf und -organisation zu eröffnen.
Hess. VGH, Beschl. v. 18.11.2010, 22 A 959/10.PV

2.
Ob diese Entscheidung auch auf Geltungsbereiche anderer Landes-Personalvertretungsgesetze übertragbar ist, müsste ggf. geprüft und im Klageweg entschieden werden.

3.
Für den Geltungsbereich des BetrVG hat das BAG ja erneut im Jahre 2010 entschieden, dass dort Leiharbeitnehmer in Entleiherbetrieben nicht wählbar sind.
BAG, Beschluss vom 17.02.2010, 7 ABR 51/08

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Viele Grüße
Doris

Leiharbeitnehmer

gsbv, Bayern, Thursday, 13.01.2011, 08:55 (vor 4861 Tagen) @ Doris

Hallo Doris,

vielen Dank für die ausführliche Information.

Die Wahl zur Schwerbehindertenvertretung wurde fristgerecht angefochten. Der Antrag lautet "Antrag auf Nichtigkeit bzw. Ungültigkeit". Anfechter sind 5 Wahlberechtigte und ein Nichtschwerbehinderter.

Der Antrag wurde vom AG auch angenommen und der erste Verhandlungstag erst einmal durch die Gegenseite wegen Urlaub verschoben. Das Gericht hat dann sehr kurz nachterminiert mit dem Ergebnis: die Gegenseite stellte den Antrag auf Prüfung ob die 5 bzw. 6 Anstragssteller überhaupt Berechtigte sind!

Nachdem ich es schon einmal erleben durfte wie eine Wahlanfechtung vor Gericht "behandelt" wird, hoffe ich diesesmal, dass dieses Verfahren schneller vorwerts geht, denn die letzte Anfechtung war zu Ende, als neu gewählt wurde.

Ich denke, es sollten viel mehr Betroffene Gesetzeswidrigkeiten "anzeigen" bzw. "öffentlich" machen. Nur auf diesem Weg wird bekannt, wie Schwerbehindertenvertretungen durch betriebliche, betriebsrätliche oder sogar durch gewerkschaftliche Einflüsse in ihrer Arbeit und ihrem Ansehen geschädigt werden.

Es wird immer wieder vergessen, dass solche Geschehnisse wie in meinem "Betrieb" nicht nur der gewählten Person schaden sondern in erster Linie den Personen, für die sich die gewählten Vertretungen einsetzen.

Am Rande kann ich noch erwähnen, dass es auch eine Wahlanfechtung in einem Nebenbetrieb unseres Unternehmens gibt. Dort wurde vom Wahlvorstand (Betriebsratsvorsitzender und zwei weitere Betriebsräte) vor der angekündigten öffentlichen Auszählung bereits die Briefwahlunterlagen geöffnet. Das nur zum Thema "Gesetzeswidrigkeit".

Vielen Dank nochmals
GSBV

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