Ablehnung BEM (BEM)

Fred, Baden-Württemberg, Monday, 19.03.2012, 10:26 (vor 4443 Tagen)

Wertes Team,

dachte den Betriebsrat von Sinn und Zweck zu BEM überzeugen zu können, leider ging die Rechnung nicht auf :-( Der Betriebsrat erkündigte sich bei ihrem Anwalt und dieser stellte klar fest, dass §84 SGB IX zwar ein gutes Werkzeug sei, jedoch für unsere Firma nicht anzuwenden ist. Die Schwerbehinderten stehen bereits unter dem Schutz des SGB IX und für die Nichtschwerbehinderten kann es sich negativ auswirken. Somit lehnte der Betriebsrat BEM mit voller Mehrheit ab. Auf eine Konfrontation mit dem Rechtsanwalt möchte ich mich einlassen.

Ist man nun chancenlos>

Mit bestem Gruß
Fred

Ablehnung BEM

hackenberger, Monday, 19.03.2012, 11:51 (vor 4443 Tagen) @ Fred

Hallo Fred,

ja es gibt leider teils diese Ansicht. Ich kann sie nicht verstehen und nicht akzeptieren. Dieses auch weil mir kein Fall bekannt ist wo sich ein solches Verhalten nachweislich positiv für den Beschäftigten ausgewirkt hat. Ich aber viele Fälle kenne wo BEM mit positivem Ergebnis geführt wurden.

Die Fachanwälte und Herausgeber von SGB IX Kommentaren mit welchen ich in Kontakt stehe vertreten diese Ansicht solcher BR und Anwälte auch nicht. Dieses kann man auch aus dem Kommentierungen erkennen.

Diese BR und Anwälte welche sich auf die vorn Dir dargestellte Sicht berufen, tun dieses dann auch mit der Aussage/ Sicht, dass sofern der AG das BEM nicht anbietet/ durchführt und dann aber aus Gründen der Gesundheit kündigt, er (AG) bei einer ggf. eingelegten Kündigungsschutzklage im Rahmen der Beweislastumkehr darlegen muss, dass die Kündigung auch bei Beachtung des § 84 Abs. 2 SGB IX unvermeidbar gewesen wäre. Das zwingt aber dann den betroffenen Beschäftigten auf den Rechtsweg mit dem vollen Prozessrisiko.

Weiter argumentieren sie (BR und Anwälte) damit, dass wenn ein lt. BAG ordnungsgemäßes BEM zu einem Negativen Ergebnis führt, dieses dann dem AG die Kündigung aus Gründen der Gesundheit erleichtert, da der AG sich dann darauf berufen könnte, dass es keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung mehr gäbe. Dann würde keine Beweislastumkehr eintreten und der Beschäftigte müsste beweisen, dass eine Kündigung vermeidbar gewesen wäre.

Bei einem positiven BEM-Ergebnis ist der AG aber grundsätzlich verpflichtet diese Maßnahmen umzusetzen. Unterlässt er diese Maßnahmen so muss er bei einer Kündigung aus Gesundheitsgründen belegen (Beweislastumkehr) dass auch bei Umsetzung der Maßnahmen aus dem BEM-Ergebnis die Kündigung unvermeidbar/ unabwendbar gewesen wäre.

Hier ist daher auch zu beachten, lt. Entscheidungen verschiedener Fachsenate des BAG ist die Durchführung des Präventionsverfahrens nach § 84 KEINE formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung aus Gesundheitsgründen. Es bewirkt nur bei nicht lt. BAG ordnungsgemäßem BEM die Beweislastumkehr.

Das ist aber dann auch ein großes Risiko für den betroffenen AN, wie bereits oben erwähnt. Denn er muss dann sein Recht im Rahmen einer Kündigungsschutzklage suchen, also Prozessrisiko und Kosten. Auch dass man zwar in der ersten Instanz vor dem ArbG keinen Anwalt benötigt und dann das Kostenrisiko dort nicht so hoch ist hilft hier nicht. Denn der AG wird wohl mit Anwalt/ Jurist dort "aufschlagen/antreten" und dann hat man einfach es deutlich schwerer wenn man aus Kostengründen dann selbst ohne Anwalt dort erscheint. Weiter enden dann doch oft solche Verfahren im Rahmen von Vergleichen oder so. Also das Beschäftigungsverhältnis ggf. dann mit einer besseren Abfindung beendet. Ob dieses aber dann wirklich für den Betroffenen besser ist als eine weitere dauerhafte Beschäftigung>>

Man hat dann aber wohl auf alle Fälle dem Beschäftigten ggf. eine Chance genommen, ein Beschäftigungsverhältnis dauerhaft zu erhalten. Ggf. verschlechtert sich durch solches Verhalten sogar die gesundheitliche Situation beim Betroffenen.

Denn, wenn zum Beispiel sich als Ergebnis des BEM ergeben würde, dass aus Gründen der Gesundheit ein Beschäftigter zwar nicht mehr im Schichtbetrieb einsetzbar ist, aber in der "normalen" Schicht, hätte das ordnungsgemäße BEM und dessen Umsetzung das Beschäftigungsverhältnis gesichert/ erhalten.

Also ein "Spiel mit dem Feuer/ Risiko!" Auch weil man dann ggf. in der Folge den Betroffenen in ein Klageverfahren zwingt um seine Rechte zu erstreiten.

Ich halte ein solches Verhalten auch nicht mit dem § 80 Abs. 1 BetrVG vereinbar, werte es also als Pflichtverletzung mit der möglichen Folge des § 23 BetrVG. Aber man kann den BR nicht zwingen eine BEM-Regelung mit dem AG zu vereinbaren. Doch man könnte z.B. durch Aufklärung die Mehrheit der Beschäftigten/ Wähler dazu zu bewegen, den BR aufzufordern eine BEM-Regelung zu vereinbaren. Dieses auch ggf. mit Hinweis auf § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Dieses auch auf einer Betriebsversammlung ggf. alles thematisieren.

Auf alle Fälle können sofern Schwerbehinderte betroffen sind, die SchwbV und der Betroffne, auch i.V.m. § 81 SGB IX im Rahmen von Beschlussverfahren das BEM erzwingen. Denn die SchwbV hat hier dann ein Initiativrecht, ist also auf den BR nicht angewiesen.

Lese auch einmal diese Beiträge hier!
[link=http://www.schwbv.de/forum/index.php>id=14172]Beitrag 1[/link]
[link=http://www.schwbv.de/forum/index.php>id=13823]Beitrag 2[/link]

Ablehnung BEM

Doris, Monday, 19.03.2012, 20:14 (vor 4442 Tagen) @ Fred

» Somit lehnte der Betriebsrat BEM mit voller Mehrheit ab.

Hallo Fred,

diesen Beschluss des Betriebsrats halte ich für von Anfang an unwirksam und für nichtig, da unvereinbar mit höherrangigem Recht (§ 84 Abs. 2 SGB IX). Der BR ist verpflichtet, sich an den BEM-Gesprächen zu beteiligen, wenn das der Beschäftigte wünscht, weil das Gesetz dies nun mal zwingend im Einzelfall vorschreibt.

Außerdem halte ich das für eine grobe Amtspflichtverletzung der einzelnen Betriebsratsmitglieder, sich generell nicht am gesetzlichen BEM-Verfahren im Einzelfall zu beteiligen.

--
Viele Grüße
Doris

Ablehnung BEM

hackenberger, Monday, 19.03.2012, 20:42 (vor 4442 Tagen) @ Fred

Hallo Fred,

habe nun doch noch Nachfragen!

» Der Betriebsrat erkündigte sich bei ihrem Anwalt und dieser stellte klar
» fest, dass §84 SGB IX zwar ein gutes Werkzeug sei, jedoch für unsere
» Firma nicht anzuwenden ist.
Also der § 84 gilt für ALLE Betriebe/ Unternehmen!!

Doch was ist hier wirklich gemeint> Eine BEM-Regelung>> Oder die Durchführung der BEM-Gespräche> Bzw. die Teilnahme daran durch BRM>

Biete der AG den betroffenen AN das BEM an und informiert hierüber den BR und bei Schwbv die SchwbV>

Wenn der AG die SchwbV nicht ordnungsgemäß beteiligt, kann man da ja auch der § 95 Abs. 2 SGB IX dann davon betroffen ist, wegen Verstoß gegen den § 95 Abs. 2 SGB IX, nicht wegen Verstoß gegen § 84 SGB IX, denn der ist § 156 SGB IX nicht aufgeführt, ein OWI gem. § 156 Abs. 1 Satz 9 SGB IX anwenden und ein Beschlussverfahren einleiten.

Auch hier wieder zu erkennen, NIE nur auf einen Paragraph (§) schauen/achten. Richtige Verknüpfung ist oft erforderlich und hilfreich.

Ich würde als betroffener AN sofern mir druch das Handeln des BR Nachteile entstehen IMMER mögliche zivilrechtliche Ansprüche gegen den BR prüfen.

PS: Versuche doch für Schwerbehinderte Regelungen in die Integrationsvereinbarung § 83 SGB IX hineinzuverhandeln, ggf. auch als Anlage. Da ist die SchwbV ja nicht auf den BR angewiesen.

PS: Unter Umständen liegt hier die Ursache auch in den leider teils missbräuchlich angewandten Krankenrückkehrgesprächen. Dazu gab es leider auch nicht die Rechtsgrundlage wie nun beim Thema § 84 Prävention/BEM. Da hatten aber auch die BR teils versagt, denn sonst könnte der AG auch hier diesen Missbrauch nicht machen.

Doch Krankenrückkehrgespräch und § 84 Prävention/BEM zwei vollkomende unterschiedliche Dinge!

Ausführliche Infos zu Krankenrückkehrgesprächen im Abschnitt
"Krankenrückkehrgespräche - kritische Anmerkungen"

Weiter wie so oft unter A-Z:
Krankenrückkehrgespräche - erlaubt> (Urteile)

Wie aber auch in vielen Forumsbeiträgen, also Suche mit dem Beriff nutzen.


Kontextlink:
Betriebliches Eingliederungsmanagement!

Ablehnung BEM

Apanatshi, Bayern, Friday, 23.03.2012, 20:12 (vor 4438 Tagen) @ Fred

Hallo Fred,

lass dich nicht ins Bockshorn jagen. Die Aussage des BR und Rechtsanwaltes ist totaler Quatsch verbunden mit gefährlicher Inkompetenz. Hier wäre es zwingend erforderlich, wenn der BR und die SBV mal Fortbildungen zum Thema BEM besuchen würden. Auch rechtliche Fragen werden hier eingehend behandelt. Ihhr braucht einfach das richtige Handwerkszeug, eine ordentliche Wissensbasis, um BEM ein- und durchzuführen.
BEM sichert eindeutig Arbeitsplätze und gefährdet sie nicht, das ist meine Erfahrung, die ich nun seit mehr als 4 Jahren mache. Arbeitsplätze werden eher gefährdet, wenn BEM nicht durchgeführt wird - hier kann ich die Meinung der anderen Forumteilnehmer nur bestätigen. Wir hatten bisher noch keine einzige krankheitsbedingte Kündigung, selbst finanzielle Einbußen konnten bis auf zwei Fälle vermieden werden. BEM ist ein Gewinn für AG und AN,wenn es mit Verstand durchgeführt wird. Das heißt sich Wissen anzueignen, eine Betriebsvereinbarung zu erstellen, um die Vorgehensweise zu regeln.
Wenn ein Rechtsanwalt die Empfehlung herausgibt, dass es besser sei,wenn BEM nicht durchgeführt wird, ist das sehr einseitig betrachtet. In den meisten Fällen endet eine gerichtliche Auseinandersetzung entweder in einer Abfindung oder eine Wiedereingliederung findet unter weniger angenehmen Bedingungen statt, Vertrauen ist gestört zwischen AN und AG und für die restlichen AN ist so eine Angelegenheit ein ganz schlechtes Signal - fürs Betriebsklima sicher nicht zuträglich. Meist scheitern solch "erzwungene Eingliederungen" und der AN verliert seinen Arbeitsplatz doch, meist weil sie selbst kapitulieren. Der einzige Gewinner ist hierbei der RA. So kann man natürlich auch sein Geld verdienen. Euer BR sollte mal den RA wechseln!!! Übrigens, für den AG kann BEM ein zusätzlicher Gewinn sein - aus den meisten oder vielen BEM-Fällen sind SChwerbehinderungen oder Gleichstellungen abzuleiten, und damit die Möglichkeit Zuschüsse bei Integrationsämtern einzufordern oder REhaträger einzubeziehen. Hier ist die SBV gefragt, nutze deine Möglichkeit, die Dinge im Sinne der Mitarbeiter zu steuern. Auch die Ausgleichsabgabe für den AG sinkt durch ansteigen der Beschäftigungsquote, letztere hat auch Auswirkungen auf die Höhe von zu erwartenden Zuschüssen -also ein möglicher angenehmer Nebeneffekt für den Arbeitgeber. SBV und BR können hier viel beeinflussen und bewegen. Euer BR sollte sich mal wirklich etwas mehr mit dem BetrVG beschäftigen, dann würden sie erkennen, dass wie bereits angemerkt ihre Beschlüsse nicht korrekt sind. Ein BR kann sich nicht gegen ein geltendes Gesetz/Recht aussprechen sondern hat die Verpflichtung die Gesetze und Tarifverträge einzuhalten und sie umzusetzen. Das hätte der RA dem Betriebsrat sagen müssen!!
Bleib weiter am Ball und sei hartnäckig, versuche den BR zu überzeugen, macht es zu Eurer gemeinsamen Sache:-) Die ersten ERfolge,die ihr mit BEM macht werden Euch in der Sache bestätigen. Seit kreativ, setzt den gesunden Menschenverstand und Eurer Wissen über Euren Betrieb ein, dann klappt das schon.
macht euch an die Arbeit und lasst euch nicht von einem Rechtsverdreher, der nur seinen Geldbeutel im Auge hat, mit Halbwahrheiten von BEM abhalten. Bei ordentlich durchgeführten BEM brauchts nämlich in der Regel kein Arbeitsgericht um den Arbeitsplatz zu erhalten, ohne BEM allerdings schon - aber nicht unbedingt zum Vorteil für den betroffenen Mitarbeiter.
Viel Erfolg und lasst Euch nicht bluffen!!
Andrea

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