Mehrarbeit (Fragen zu einer Behinderung)

Backus @, Essen, Tuesday, 09.08.2005, 20:19 (vor 6848 Tagen)

Guten Abend!
Wir hatten heute eine BR-Sitzung.
Das Thema:Angeordnete Überstunden. Ich machte das BR-Gremium daraf aufmerksam,das Schwerbehinderte und Gleichgestellte auf Antrag sich davon befreien lassen können.
Ich wurde belehrt, das Überstunden keine Mehrarbeit seien.
Dies kann ich nicht nachvollziehen.
in §124 wird nur von Mehrarbeit gesprochen.Überstunden sind für mich Mehrarbeit, oder irre ich mich.
Eine Definition Mehrarbeit-Überstunden wären sehr hilfreich.
MfG Backus

Mehrarbeit

hackenberger, Wednesday, 10.08.2005, 08:26 (vor 6848 Tagen) @ Backus

Hallo Backus,

es gibt schon einen Unterschied. In der Regel werden die Begriffe Überstunden und Mehrarbeit für den gleichen Zweck verwendet. Der Unterschied ergibt sich aus der Rechtsgrundlage.

Überstunden sind Arbeitszeiten welche über die arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeiten hinaus gehen (z.B. lt. Arbvertrag 20 Std./Woche, wäre es die 21 Stunde, dieses muss dann aber keine Mehrarbeitsein). Weiter muss der Arbeitsvertrag eine Grundlage bieten, dass der AG hier Überstunden anordnen darf/kann. Sonst ist es nur auf ganz bestimmte Notfälle beschränkt.:-| .

Mehrarbeit ist eion Rechtsbegriff aus dem Arbeitszeitgesetz. Mehrarbeit ist jede über acht Stunden werktäglich hinausgehende Arbeitszeit. Sie beginnt bei 8 Std. und 5 Minuten tägl.

Beide Zeiten/Arten müssen vom AG angeordnet werden und unterliegen der Mitbestimmung. Hier könnten fexibele Arbeitszeitregelungen auch gewisse Spielräume ohne die jeweiligen Mitbestimmungen ergeben (z.B. Gleitzeit).

Somit ergibt sich aus § 124 SGB IX:

Mehrarbeit ist jede über acht Stunden werktäglich hinausgehende Arbeitszeit. Die vor allem tariflich eingeführte Arbeitszeitverkürzung gewährleistet nicht den Schutz des schwerbehinderten Menschen vor einer Überbeanspruchung, weil sie durch Flexiblisierungsregelungen vielfach eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit über 8 Stunden hinaus ermöglichen. Die Verlängerung der Arbeitszeit auf bis zu 10 Stunden täglich stellt Mehrarbeit dar. Verlangt der Arbeitnehmer die Freistellung, so wird die Mehrarbeit nicht mehr geschuldet. Schwerbehinderte Menschen haben zudem einen einklagbaren Anspruch auf behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeitszeit, soweit dies für den Arbeitgeber nicht unzumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden ist. Hieraus kann sich die Pflicht des Arbeitgebers ergeben, keine Nachtarbeit anzuordnen und die Arbeitszeit auf die Fünf-Tage-Woche zu beschränken.

Also, eine Teilzeitkraft mit 6 Std./tägl. muss auch als Schwerbehinderte/er durchaus bis zu 8 Std./tägl. arbeiten sofern der ArbV Mehrarbeit/Überstunden nicht ausschließt.

PS: Besorgt euch mal einen guten Kommentar zu BetrVG und ArbzG und/oder nutzt die Suchmaschienen im Internet, dort findet ihr auch hierzu weiteres.:-)

Mehrarbeit von Arbeitnehmern

Wolfgang E., Thursday, 11.08.2005, 22:35 (vor 6846 Tagen) @ hackenberger

Unter Mehrarbeit von Arbeitnehmern ist eine Arbeitszeit zu verstehen, die über die werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden hinausgeht. Nach § 3 Satz 1 des Arbeitszeitgesetzes vom 6. Juni 1994 darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer 8 Stunden nicht überschreiten.

Ist im konkreten Fall eine tägliche Arbeitszeit von 7 Stunden vereinbart, kann der schwerbehinderte Mensch die Ableistung einer weiteren Arbeitsstunde nicht mit Hinweis auf § 124 SGB IX verweigern. Hier handelt es sich nicht um Mehrarbeit, sondern um eine „Überarbeit“ oder „Überstunde“. Erst eine über 8 Stunden hinaus zu leistende Arbeit kann als Mehrarbeit abgelehnt werden.

Broschüre des Bundessozialministeriums, Seite 109:
[link=http://pdf.bmas.bund.de/bmas/temp/ation2dund2dTeil2d5502cproperty3dpdf2cbereich3dbmas2csprache3dde2crwb3dtrue2epdf/index/parse.php>d=0109]www.bmas.bund.de[/link]

Für schwerbehinderte Beamte gibt es entsprechende gesetzliche Regelungen, beispielsweise [link=http://www.servicestelle.bayern.de/bayern_recht/recht_db.html>http://by.juris.de/by/ArbZV_BY_1995_P12.htm]§ 12 Abs. 3[/link] der Arbeitszeitverordnung (AzV).

Mehrarbeit

Deafsaxonia, München (Bayern), Wednesday, 14.12.2005, 16:03 (vor 6721 Tagen) @ Backus

Statt diesem Thema "Angeordnete Überstunden" habe ich ein gegenteiliges Thema "Angeordnete Minusstunden".

Einem sb AN wurden Minusstunden und Urlaub angeordnet (betriebsbedingt). AN hat nun seinen Urlaub auf Anordnung verbraucht und soll über Weihnachten (5 Tage) Gleitzeit nehmen. Er sieht sich aber nicht in der Lage, die Minusstunden im nächsten Jahr aufzuarbeiten. Dazu müßte er etwa 6 Wochen werktags 10 h arbeiten.

Ist das ein Fall, in welchem der sb AN mit §124 die Mehrarbeit ablehnen kann>
Oder gibt es da nur noch die Möglichkeit, den AG um Prüfung der Möglichkeit einer bezahlten Freistellung zu bitten>

Mehrarbeit

hackenberger, Thursday, 15.12.2005, 18:06 (vor 6720 Tagen) @ Deafsaxonia

Hallo,

also, erst einmal folgendes:

Was das Thema "Betriebsurlaub bzw. Anordnung von Urlaubsabwicklung durch den AG angeht" gibt es keine Unterschiede zwischen behinderten und nichtbehinderten AN.

Der AG kann nicht so ohne weiteres z.B. wegen Arbeits-/Auftragsmangel anordnen, dass Urlaub genommen werden muss. Das Auftrags-/Auslastungsrisiko ist Unternehmensrisiko. Dieses kann nicht einfach auf AN abgewälzt werden.

Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, so kann der AG aber in solchen Situationen mit diesem Betriebsferien (Urlaub) vereinbaren. Dieser darf aber nicht den gesamten Urlaubsanspruch des AN verbrauchen. Weiter hat der AG in solchen Fällen auch die Kosten zu tragen, welche entstehen wenn der AN schon vorher auf Grund eines genehmigten Urlaubs Buchungen vorgenommen hat welche nun, weil der Urlaub nicht zu dem genehmigten Zeitraum genommen werden kann zu tragen.

Gibt es keinen Betriebsrat und gibt es im Arbeitsvertrag keine weitere Regelungen, muss der AG diese Fragen/Punkte in jedem Einzelfall mit jeden AN einvernehmlich regeln.

Weiters zum Thema Urlaub findest Du auch im Bundesurlaubsgesetz:
http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/burlg/gesamt.pdf

Der AG kann auch nicht von AN verlangen, dass er sofern im Betrieb Gleitzeit gilt hier in den Minusbereich sich fallen lassen muss um diese Zeit später wieder herauszuarbeiten. Die Gleitzeitregelungen unterliegen der Mitbestimmung des BR auch die Einführung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein BR einer solchen (Verpflichtung zur Minusregelung) zustimmen würde. Sollte es dieses doch getan haben wäre dieses zwar erst einmal bindend, doch die gesamte Regelung wäre rechtlich auf Geltung prüfbar.

Klar trifft auch bei dem Thema Gleitzeit und Gleitzeit über 8 Std. täglich der § 124 SGB IX zu.

In diesem Falle, muss nun der AG entweder dem AN die Möglichkeit der Beschäftigung geben oder aber bezahlten Zusatzurlaub. Der AN muss den AG hier aber in Abnahmeverzug (Abnahme seiner Arbeitskraft) setzen.

Sofern aber tatsächlich erheblicher Arbeitsmangel vorliegt und ggf. betriebsbedingte Kündigungen drohen könnten, zu überlegen ob eine einvernehmliche Regelung zur Abwehr sonst möglicher betriebbedingter Kündigungen sinnvoll sein könnten. Hier wäre aber dann der BR zu beteiligen und es sollte nur im Rahmen einer entsprechenden verbindlichen Regelung mit dem AG, Sicherung des Ausschlusses von betriebsbedingten Kündigungen als Gegenleistung, erfolgen.

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