schweigepflicht gegenüber dem Vertrauensmann? (Allgemeines)

mathilda, Wednesday, 19.12.2012, 21:35 (vor 4168 Tagen)

ich bin Stellvertreter des Vertrauensmanns, welcher AU ist. Es soll eine personelle Maßnahme gegen ihn beschlossen werden. Darf ich ihn informieren>
Darf ich die Begründung des Vorgesetzten und weitere Inhalte über ihn an ihn weiterleiten>

schweigepflicht gegenüber dem Vertrauensmann?

Ede vom Bayerwald, Thursday, 20.12.2012, 07:42 (vor 4168 Tagen) @ mathilda

» Darf ich die Begründung des Vorgesetzten und weitere Inhalte über ihn an
» ihn weiterleiten>

Hallo mathilda,

Also mir ist das deusche Rechtswesen insoweit bekannt, dass einer der beschuldigt wird, irgendetwas angeblich verbrochen zu haben, als erstes die ANklageschrift bekommt.

UND Stellung nehmen darf.

Also ich handhabe es nun so, dass ich meine sb Kollegen umgehend informiere, wenn Beschuldigungen erhoben werden.
Meine eigene Meinung dazu bilde ich mir dann, wenn ich auch den betroffenen SB gehört habe und seine Sicht der Medallie kenne.
Hierzu ist immer eine Information des Betroffenen notwendig, zwingend.
Erst nach einer Befragung des Betroffenen kann ich ja entscheiden, wie meine Betreuung als SBV aussehen kann.
Das deutsche Rechtssystem fußt nominell einfach auf Fakten, Fakten, Fakten und die gibt es nur durch Befragung und Informationsaustausch.

UNd auch die Arbeit der SBV ist im deutschen Rechtssystem gegründet.

Also ich kann keine Schweigepflicht erkennen, soweit es um persönlich Anschuldigungen gegen einen SB-Kollegen geht. Ohne Nachfrage wäre das für mich so allgemein gesagt Förderung übler Nachrede und Rufmord, wenn ich nicht nachfragen würde, wohlgemerkt bei meiner Klientel als SBV.

Gruß Ede

schweigepflicht gegenüber dem Vertrauensmann?

Hans-Peter-Semmler, Regensburg, Thursday, 20.12.2012, 11:49 (vor 4168 Tagen) @ mathilda

» ich bin Stellvertreter des Vertrauensmanns, welcher AU ist. Es soll eine
» personelle Maßnahme gegen ihn beschlossen werden.
Was meinst du damit>

» Darf ich ihn informieren>
Was wäre denn, wenn es nicht die SBV wäre. Würdest du dann auch fragen>
Edes Ausführungen kann ich nur unterstützen!!

--
Herzlichen Gruß
Hans-Peter

schweigepflicht gegenüber dem Vertrauensmann?

mathilda, Friday, 21.12.2012, 00:04 (vor 4167 Tagen) @ Hans-Peter-Semmler

Herzlichen Dank für Eure Antworten! Ich befinde mich in einer für mich schwierigen Situation. Ich bin nur Stellvertreterin und fühle mich noch recht unsicher besonders in dieser für mich recht prekären Lage, so dass ich einerseits die Rechtslage abklären wollte, andererseits da ich selber wenig von den Streitigkeiten mitbekommen habe mir selber noch nicht so rect ein Bild von der Sachlage machen kann.

» » Es soll eine personelle Maßnahme gegen ihn beschlossen werden.
» Was meinst du damit>

Mein Vertrauensmann ist AU geschrieben wegen einer Operation. In seiner Abwesenheit bekam ich über die Einladung der BRSitzung mitgeteilt, dass von ihm künftig ein Attest ab dem ersten Tag gefordert wird. ich wurde vorher nicht informiert und forderte eine Stellungnahme von Seiten der Vorgesetzten, welche mir vielfältige für mich eher emotionale Gründe nannte. Außerdem wurde mit einer Abmahnung bei Rückkehr des Vertrauensmanns gedroht.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich die schriftliche Begründung der Vorgesetzten an den Vertrauensmann weiterleiten darf.
Außerdem weiß ich nicht, was ich weiter machen soll>
kann ich die Maßnahme mit dem Attest ab dem ersten AU-Tag verhindern und kann ich gegen die Drohung der Abmahnung vorgehen >

schweigepflicht gegenüber dem Vertrauensmann?

Ede vom Bayerwald, Friday, 21.12.2012, 07:33 (vor 4167 Tagen) @ mathilda

» kann ich die Maßnahme mit dem Attest ab dem ersten AU-Tag verhindern und
» kann ich gegen die Drohung der Abmahnung vorgehen >

Hallo mathilda,

Also da scheint es ersteinmal so, dass sich der Kollege möglicherweise viele Freiheiten genommen haben könnte. Sich immer wieder krank gemeldet hat.
Der AG wird aufmerksam und will mehr wissen.

AU-Bescheinigung darf der AG ab dem ersten Tag verlangen, gesetzlich keine Frage.
Allerdings muss der dann auch alle Kollegen nach den gleichen Masstäben messen, sollte das nur eine Massnahme gegen einen unbequemen SBV sein, oder auch nur so aussehen können, so dürfte der AG gewaltige Probleme bekommen, falls der Betroffene sich rechtliche Schritte als Antwort überlegt.
Ist der betroffene sb, so könnte sogar ein Verstoß gegen das AGG mit entsprechenden Strafzahlungen auf den AG zu kommen.
Der Ag sollte auch bedenken, dass der SBV nicht im Amt behindert werden darf, gegängelt oder .... könnte dem AG als Behinderung des Mandats ausgelegt werden, wenn da kein klares Fehlverhalten des AN/SBV nachweisbar sein sollte.
Ich würde dem Kollegen dringend anraten, sich mit einem Rechtsvertreter, Gewrkschaft oder RA, zu beraten und gegebenenfalls entsprechende Schritte ein zu leiten.

Nach meinem Wissen ist eine Abmahnuung zeitnah zu dem angemahnten Verstoß aus zu sprechen, bzw. schriftlich dar zu legen.
Der Ag dürfte Probleme bekommen, wenn er eine ABmahnung zur Krankheit androhen will, aber erst nach Ende der AU diese ausspricht/schreibt. Also solch eine Abmahnung direkt gerichtlich prüfen lassen.

Müßte der AG aber wissen und somit schaut mir solch eine Drohung eher nach stichelei, eventuell versuchtes Mobbing, versuchter Eingriff in die Geschäftsführung der SBV aus.

Jedenfalls Rechtsberatung schnellst möglich in Anspruch nehmen.

Gruß aus dem frisch verschneiten Bayerwald

schweigepflicht gegenüber dem Vertrauensmann?

Jürgen aus Porta, NRW, Saturday, 22.12.2012, 09:50 (vor 4166 Tagen) @ mathilda

Hallo Mathilda:-)

» In seiner
» Abwesenheit bekam ich über die Einladung der BRSitzung mitgeteilt

Der AG darf/kann sich nicht darauf berufen die SchwbV hätte alle Unterlagen usw. aus der Zusammenarbeit mit dem BR bzw. könnte sich diese dort holen. Auch dazu gibt es Urteile, diese ganz klar besagen, die SchwbV ist eine eigenständige MA-Vertretung mit eigenständigen Informationsansprüchen/-rechten.

» Außerdem wurde mit einer Abmahnung bei Rückkehr des Vertrauensmanns
» gedroht.
» kann ich gegen die Drohung der Abmahnung vorgehen >

Vor einer Abmahnung einer schwerbehinderten Vertrauensperson ist das stv. Mitglied der SBV vom Arbeitgeber zu beteiligen nach § 95 Abs. 2 SGB IX. Der Arbeitgeber hat daher von sich aus die Durchführung oder Vollziehung der Abmahnung bereits aus formalen Gründen mangels Beteiligung des stv. Mitglieds der SBV kraft Gesetzes auszusetzen, ohne dass es hierfür eines gesonderten Antrags der SBV bedarf (§ 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX).
BVerwG, Beschluss vom 03.08.1999, 1 ABR 30/98

Unterlässt der Arbeitgeber schuldhaft die Anhörung der SBV, ist dies ggf. eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld bis zu 10.000 Euro geahndet werden kann (§ 156 Abs. 1 Nr. 9 SGB IX) von der zuständigen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit.

Außerdem hat der Arbeitgeber vor einer Abmahnung eines schwerbehinderten Beschäftigten regelmäßig das gesetzliche Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchzuführen,

--
Gruß
Jürgen

schweigepflicht gegenüber dem Vertrauensmann?

WoBi, Friday, 28.12.2012, 09:41 (vor 4160 Tagen) @ Ede vom Bayerwald

Hallo Ede vom Bayerwald und mathilda,

die Forderung nach einer AU gleich am ersten Tag könnte durch die Medienverbreitung nach dem [link=http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py>Gericht=bag&Art=pm&sid=83ebfd106b6a2298c14b86b89a3e497e&nr=16297&pos=0&anz=1&titel=Vorlage_einer_ärztlichen_Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung]BAG-Urteil 5 AZR 886/11 vom 14.11.2012 [/link] angeregt worden sein.
Das Urteil hat nur die Gesetzeslage aus Sicht des Entgeltfortzahlungsgesetzes bestätigt. Leider ist durch die Verbreitung durch die Medien, auch im Bereich der Arbeitnehmer der Eindruck entstanden, dass der „Chef“ dies ohne weiteres machen darf. Dem ist es nicht so. Das Gesetz gibt dem „Chef“ nur einen Handlungsrahmen. Dieser Spielraum kann durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen aber beschränkt sein. Ebenso darf dieser Handlungsrahmen nicht willkürlich angewendet werden. Bei Betrieben mit einem Betriebsrat ist dies z.B. eine Frage der Ordnung im Betrieb und unterliegt der Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz.
Dies wurde in den Medienverbreitungen nicht erwähnt. Es war eine Klage einer Einzelperson im Urteilsverfahren und nicht eine Klage eines Betriebsrates im Beschlussverfahren. Deshalb sind kollektivrechtliche Regelungen im Urteil nicht berücksichtigt worden.
Laut Profile von mathilda besteht ein Betriebsrat. Das wäre ein Tagesordnungspunkt für die nächste Betriebsratssitzung, der durch die SBV angeregt werden kann.
Es gibt dazu eine Beilage aus Der Gegenpol 372 vom November 2012. Habe den Autor und Herausgeber schon gefragt ob dieses hier veröffentlicht werden darf. Kann nur kein Dokument hier einstellen. Werde dies aber den Administratoren zusenden. Vielleicht kann dann das Dokument ergänzt werden.

Anmerkung durch Redaktion:
Der Gegenpolbeitrag ist hier abzurufen:
http://www.schwbv.de/pdf/gegenpol-nov-2012-arbeitsunfaehigkeit.pdf

--
Gruß
Wolfgang

schweigepflicht gegenüber dem Vertrauensmann?

hackenberger, Friday, 28.12.2012, 10:31 (vor 4160 Tagen) @ WoBi

Hallo Wolfgang,

leider liegst Du hier betreffend der Mitbestimmung "wegen Ordnung im Betrieb, also § 87 BetrVG" falsch. Diese würde nur gelten, wenn der AG pauschal für alle oder bestimmte Gruppen einführen wollte. Sofern der AG es nur bei einzelnen AN fordert, ist der BR außen vor. Denn dann ist es keine Kollektiventscheidung welche die Mitbestimmung auslösen würde. Allerdings fehlt es für das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des BR an dem dafür zusätzlich erforderlichen kollektiven Bezug, sofern es nur einzelne AN betrifft.

In Betrieben mit Betriebsrat unterliegt jedenfalls eine generelle Anweisung an Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten, ab dem ersten Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, der Mitbestimmung des Betriebsrats (so LAG Berlin-Brandenburg vom 19. Juni 2012 Aktenzeichen 3 TaBV 2149/11).

und [link=http://rechtsprechung.hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml>showdoccase=1&doc.id=JURE080022282&st=ent]hier Rn26 ff besonders aber auch Rn 29![/link]

Auch LAG Hessen

Vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen hatte der BR, mit seiner Forderung nach Mitbestimmung gem. § 87 BetrVG keine Chance: Einer Anweisung gegenüber einem einzelnen Mitarbeiter, die Arbeitsunfähigkeitbescheinigung schon am ersten Tag nachzuweisen, muss der Betriebsrat nicht zustimmen. Dafür fehle es am kollektiven Bezug mit Auswirkungen auf andere Arbeitnehmer, die für eine Mitbestimmung des Betriebsrats notwendig ist (LAG Hessen, 17.09.2008, Az. 8 Sa 1454/07).

und [link=http://www.arbeitsrecht.de/rechtsprechung/2012/07/10/arbeitsunfaehigkeit-betriebsrat-darf-bei-modalitaeten-der-krankmeldung-nicht-mitbestimmen.php>refID=brExtra/15.08.2012&emsrc=nl]Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg Aktenzeichen: 2 TaBV 60/10[/link]

schweigepflicht gegenüber dem Vertrauensmann?

WoBi, Thursday, 03.01.2013, 12:16 (vor 4154 Tagen) @ hackenberger

Hallo,
die Beiträge über die AU-Meldung tauchen Tief in die Feinheiten des kollektiven Rechts ab. Weit mehr als eine SBV auf Grundlagenkurse für BR- oder PR-Arbeit vermittelt bekommt.

Ein Arbeitgeber darf (wenigen) Einzelpersonen zur Auflage machen, eine AU-Meldung früher abzugeben. Beispiel: „Frau Huber, ab sofort legen sie ab dem 1. Tag eine AU-Meldung vor“. Dies wurde durch das o.g. BAG-Urteil bestätigt.

Ergänzt aber der Arbeitgeber seine Auflage zum Beispiel: „Herr Müller, ab sofort legen sie ab dem 2. Tag eine AU-Meldung vor und melden sich bei mir persönlich krank“ oder „Meier, ab sofort legen sie ab dem 1. Tag eine AU-Meldung vor und melden sich vor Schichtbeginn in der Personalabteilung“ hat dies bereits einen kollektiven Bezug. Erst Recht wenn der Vorgesetzte zum Beispiel anordnet „Alle Fahrer haben ab dem 1. Tag eine AU-Meldung abzugeben“ oder "Krankmeldungen haben bis 7:30 zu erfolgen".

Weil sich Einzelpersonen ungerecht behandelt fühlen, gibt es mehr Urteile als Beschlussverfahren. Manche Betriebsräte schließen sich auch der Arbeitgebermeinung an, weil „Frau Schmid ist immer jeden Montag krank“. Vielleicht übersehen die Mitarbeiterinteressensvertreter dabei, dass Frau Schmid nach fünf Tagen Kantinenessen die gute Hausmannskost am Wochenende gelegentlich bis selten nicht verträgt. Wenn dies der Fall wäre, sollte sich der Betriebsrat mit den Sozialeinrichtungen auseinandersetzen und z.B. den Einsatz von Geschmacksverstärker im Essen regeln.

Wenn der Arbeitgeber oder dessen Erfüllungsgehilfen zu diesem Mittel greifen und es der SBV bekannt wird, könnte doch beim BR das Informationsbedürfnis entstehen, ob weitere KollegInnen von derartigen Auflagen betroffen sind. Wie sonst sollte der BR beurteilen, ob seine Mitbestimmungsrechte betroffen sein könnten.

Besten Dank für das Einstellen der Beilage

--
Gruß
Wolfgang

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