a.o. Kündigung einer Vertrauensperson für Schwerbehinderte wg. Krankheit (Kündigung)

MoritzF, Monday, 07.04.2014, 21:51 (vor 3680 Tagen)

Hallo zusammen,

ich bin stellvertretende Vertrauensperson in unserem Betrieb. Gegen die nicht freigestellte Vertrauensperson wurde nun eine außerordentliche Kündigung wegen häufigen kürzeren Erkrankungen - jeweils unter 6 Wochen - ausgesprochen (in den letzten 5 Jahren durchschnittlich 90 Tage p.a. krank). Die Vertrauensperson ist selbst mit einem GdB von 100 schwerbehindert und die Erkrankungen standen meistens mit seiner SB in Zusammenhang. Der AG hat ein BEM durchgeführt und einen leidensgerechten Arbeitsplatz geschaffen. Der Kollege hat in d. Zeiträumen der Anwesenheit trotz generell sehr hohem Arbeitsdruck eine gute Arbeitsleistung in seinem Job erbracht.

Einer Vertrauensperson kann außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden. Wie seht ihr das Risiko, dass der Arbeitgeber bei o.g. Sachverhalt beim Integrationsamt die Zustimmung zur a.o. Kündigung erhält bzw. bei erfolgter IA Zustimmung das Risiko, dass diese Kündigung bei einer Kündigungsschutzklage vor Gericht bestätigt wird> Kennt ihr dazu eine entsprechende Rechtssprechung>

Danke für Eure Kommentare! :-)

a.o. Kündigung einer Vertrauensperson für Schwerbehinderte wg. Krankheit

Hans-Peter-Semmler, Regensburg, Monday, 07.04.2014, 22:42 (vor 3680 Tagen) @ MoritzF

Hallo Moritz,
in dem von dir geschilderten Fall soll der Koll. sofort zur Gewerkschaft oder ggf. zum RA gehen, denn hier kommst du mit deinen Kenntnissen nicht weiter.
Da brauchst du auch keine Urteile, denn wenn es so ist wie du es schildertst ist hier (von Seiten AG) einiges schief gelaufen.

» Einer Vertrauensperson kann außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt
» werden.
Diebstahl, Betrug o.ä. ist hier gemeint.

» Wie seht ihr das Risiko, dass der Arbeitgeber bei o.g. Sachverhalt
» beim Integrationsamt die Zustimmung zur a.o. Kündigung erhält
Sofort Kontak zum IA aufnehmen.


» erfolgter IA Zustimmung das Risiko, dass diese Kündigung bei einer
» Kündigungsschutzklage vor Gericht bestätigt wird>
Wieso Risiko. Er kann nur "gewinnen"!

» Kennt ihr dazu eine
» entsprechende Rechtssprechung>
Jede Menge.
Schau mal unter Urteile und auch unter A-Z bei Kündigung.
Da hast du genug zu lesen.

Mach aber hier nicht selber mit dem AG rum.
RA ist hier der richtige Ansprechpartner.

PS: Übrigends kann einer SBV nur gekündigt werden, wenn der BR zustimmt. Macht er dies nicht muss der AG beim Arbeitsgericht die Zustimmung ersetzen lassen. Chancen - m.E. Null.

--
Herzlichen Gruß
Hans-Peter

a.o. Kündigung einer Vertrauensperson für Schwerbehinderte wg. Krankheit

MoritzF, Tuesday, 08.04.2014, 08:19 (vor 3679 Tagen) @ Hans-Peter-Semmler

Hallo Hans-Peter,

vielen Dank für Deine ausführliche, strukturierte Antwort.
Mit Risikoeinschätzung bei der Kündigungsschutzkläage meinte ich das Risiko, dass diese Kündigungsschutzklage vor Gericht nicht durchgeht.
Mein Kollege ist seit 26 Jahren in der Firma und 53 Jahre. Natürlich hat er sofort einen Anwalt genommen.
Leider ist in unserer Firma der Betriebsrat sehr "arbeitgeberfreundlich" und der BR hat der Kündigung zugestimmt. Letztendlich war die a.o. Kündigung wg. Krankheit nur Vehikel, um eine streitbare Vertrauensperson loszubekommen.
Wir haben auch schon zwei personenbedingte Kündigungen von Schwerbehinderten im Betrieb in der Vergangenheit gehabt. Leider hat unser zuständiges Integrationsamt bis dato solchen Kündigungen IMMER zugestimmt.

Die Urteile habe ich auch schon teilweise durchgelesen. Hier geht es aber i.d.R. nicht um die außerordentliche Kündigung eines Mandatsträgers wegen Krankheit.
Beim jetzigen Stand scheint es zu einer Kündigungsschutzklage zu kommen und es wäre hier interessant zu wissen, wie hoch das Risiko vor Gericht ist, dass so eine Kündigungsschutzklage abgewiesen wird. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass die Kündigungsschutzklage bei diesem Sachverhalt keinen Erfolg haben wird, aber "vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.....". D.h. ein Risiko bleibt und das möchte ich gerne einschätzen.

Viele Grüße
Moritz

a.o. Kündigung einer Vertrauensperson für Schwerbehinderte wg. Krankheit

albarracin, Baden-Württemberg, Tuesday, 08.04.2014, 10:55 (vor 3679 Tagen) @ MoritzF

Hallo Moritz,

» Die Urteile habe ich auch schon teilweise durchgelesen. Hier geht es aber
» i.d.R. nicht um die außerordentliche Kündigung eines Mandatsträgers wegen
» Krankheit.
Das kann auch nicht sein, da eine a.o. Kündigung eines durch § 15 KSchG geschützten Mandatsträgers wegen Krankheit bzw. Minderleistung nicht zulässig ist.
Bei Minderleistung stellt sich außerdem die Frage, ob der AG diese Minderleistung überhaupt definieren kann und ob er von der Möglichkeit des § 102 SGB IX der Beantragung eines Nachteilsausgleiches überhaupt Gebrauch gemacht hat.
» Beim jetzigen Stand scheint es zu einer Kündigungsschutzklage zu kommen und
» es wäre hier interessant zu wissen, wie hoch das Risiko vor Gericht ist,
» dass so eine Kündigungsschutzklage abgewiesen wird.
Bei der geschilderten Lage nahezu Null.

--
&Tschüß

Wolfgang

a.o. Kündigung einer Vertrauensperson für Schwerbehinderte wg. Krankheit

Hans-Peter-Semmler, Regensburg, Tuesday, 08.04.2014, 13:42 (vor 3679 Tagen) @ MoritzF

Hallo Moritz,

» Ich kann mir zwar nicht
» vorstellen, dass die Kündigungsschutzklage bei diesem Sachverhalt keinen
» Erfolg haben wird, aber "vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes
» Hand.....". D.h. ein Risiko bleibt und das möchte ich gerne einschätzen.

Wenn du uns nichts "verschwiegen" hast bleibe ich bei meiner Einschätzung.
Nun hast du schon 2 Meinungen (Wolfgang und meine) zu "Null" Risiko.

Was ich allerdings nicht verstehe ist folgendes:
Wenn der AG nun schon die K. eingeleitet hat und weiterhin angenommen das IA zustimmt wieso interessiert dich dann das Risiko bzgl der Kündigungsschutzklage>
Er hätte doch dann nichts zu verlieren - er kann nur gewinnen. Entweder in Form der Ungültigkeit der K. oder der Zahlung einer Abfindung durch den AG.

--
Herzlichen Gruß
Hans-Peter

a.o. Kündigung einer Vertrauensperson für Schwerbehinderte wg. Krankheit

MoritzF, Tuesday, 08.04.2014, 21:59 (vor 3679 Tagen) @ Hans-Peter-Semmler

» Hallo Moritz,
»
» » Ich kann mir zwar nicht
» » vorstellen, dass die Kündigungsschutzklage bei diesem Sachverhalt keinen
» » Erfolg haben wird, aber "vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes
» » Hand.....". D.h. ein Risiko bleibt und das möchte ich gerne einschätzen.
»
» Wenn du uns nichts "verschwiegen" hast bleibe ich bei meiner Einschätzung.
»
» Nun hast du schon 2 Meinungen (Wolfgang und meine) zu "Null" Risiko.
»
» Was ich allerdings nicht verstehe ist folgendes:
» Wenn der AG nun schon die K. eingeleitet hat und weiterhin angenommen das
» IA zustimmt wieso interessiert dich dann das Risiko bzgl der
» Kündigungsschutzklage>
» Er hätte doch dann nichts zu verlieren - er kann nur gewinnen. Entweder in
» Form der Ungültigkeit der K. oder der Zahlung einer Abfindung durch den AG.

Hallo Hans-Peter,
ich habe die wesentlichen Fakten des Falles dargestellt. Der Kollege ist/war in der SB-Vertretung immer sehr engagiert und hat auch einige Dinge gegen den AG aber zugunsten der schwerbehinderten MA durchgesetzt. Deswegen jetzt vielleicht auch die "Retourkutsche" des AG in Form der krankheitsbedingten Kündigung.

Ich stehe im direkten Kontakt mit meinem Kollegen und er ist aufgrund der Vorgehensweise des AG "traumatisiert" und hat starke Existenzängste, da er mit über 50 J und e. GdB von 100 auf d. freien Arbeitsmarkt keinen Arbeitsplatz mehr finden wird. Zusätzlich wirkt sich die Situation auch noch extrem verschlechternd auf seine Erkrankung aus. Ich möchte den Kollegen unterstützen und ihm ein wenig die Angst davor nehmen, dass er tatsächlich seinen Arbeitsplatz verliert.

Viele Grüße
Moritz

a.o. Kündigung einer Vertrauensperson für Schwerbehinderte wg. Krankheit

albarracin, Baden-Württemberg, Tuesday, 08.04.2014, 15:52 (vor 3679 Tagen) @ MoritzF

Hallo Moritz,

aus deinem Posting stellt sich bei nochmaligem Durchlesen die Frage, ob der AG die Kündigung evtl. bereits vor der Beteiligung des IA ausgesprochen hat.

Wäre das der Fall, wäre die Kündigung sowieso schon deswegen aus formalen Gründen gem. § 87 SGB IX rechtswidrig. Ausspruch der Kündigung ggü. einem sbM ohne vorliegende Zustimmung des IA ist ein unheilbarer Formfehler.
Das würde einen Arbeitsrichter besonders freuen, da er dann gar nicht mehr die inhaltlichen Gründe prüfen müßte und die Urteilsbegründung seeehr kurz ausfallen könnte.

Es gibt halt AG, die selbst zum Kündigen zu blöde sind.

--
&Tschüß

Wolfgang

a.o. Kündigung einer Vertrauensperson für Schwerbehinderte wg. Krankheit

MoritzF, Tuesday, 08.04.2014, 22:12 (vor 3679 Tagen) @ albarracin

» Hallo Moritz,
»
» aus deinem Posting stellt sich bei nochmaligem Durchlesen die Frage, ob der
» AG die Kündigung evtl. bereits vor der Beteiligung des IA
» ausgesprochen hat.
»
» Wäre das der Fall, wäre die Kündigung sowieso schon deswegen aus formalen
» Gründen gem. § 87 SGB IX rechtswidrig. Ausspruch der Kündigung ggü. einem
» sbM ohne vorliegende Zustimmung des IA ist ein unheilbarer Formfehler.
» Das würde einen Arbeitsrichter besonders freuen, da er dann gar nicht mehr
» die inhaltlichen Gründe prüfen müßte und die Urteilsbegründung seeehr kurz
» ausfallen könnte.
»
» Es gibt halt AG, die selbst zum Kündigen zu blöde sind.

Hallo Wolfgang,
vielen Dank für Deine Antwort. Das IA hat in der Tat wirklich nicht zugestimmt, sondern einfach die Frist zur Stellungnahme verstreichen lassen. Soweit ich informiert bin, wird Schweigen in d. Fall als Zustimmung zur Kündigung gewertet. Bei Nachfrage beim IA hieß es, dass die zuständige Sachbearbeiterin "ungeplant" krank geworden ist und deshalb keine weitere Bearbeitung erfolgte. Nun muss sich mein schwerkranker Kollege dem Gerichtsverfahren (Kündigungsschutzklage) aussetzen. Aufgrund der bis dato vorliegenden Aussagen, gehe ich jedoch davon aus, dass das Risiko die Kündigungsschutzklage zu verlieren gegen Null geht.

Viele Grüße
Moritz

a.o. Kündigung einer Vertrauensperson für Schwerbehinderte wg. Krankheit

Explorer, Hannover, Friday, 28.11.2014, 18:35 (vor 3445 Tagen) @ MoritzF

Hallo zusammen,

wäre sehr interessant, wie das nun ausgegangen ist.

Gruß
Peter

a.o. Kündigung einer Vertrauensperson für Schwerbehinderte wg. Krankheit

MoritzF, Saturday, 29.11.2014, 13:09 (vor 3444 Tagen) @ Explorer

Hallo,
kurz vor dem Gerichtstermin haben sich der Mitarbeiter und der Arbeitgeber auf eine Aufhebungsvereinbarung inkl. Abfindungszahlung geeignigt. Der Mitarbeiter wollte sich aufgrund seiner Erkrankung keinem weiteren Rechtsstreit aussetzen. Obwohl er sehr gut Chancen hatte, dass er die Kündigungsschutzklage gewinnt und damit das Arbeitsverhältnis fortgesetzt worden wäre. Der Mitarbeiter hatte einfach keine Kraft mehr (hatte e. GdB von 100). Insbesondere hatte er die starke Befürchtung, dass er bei einer Rückkehr ins Unternehmen ev. massiven Repressalien durch den AG ausgesetzt ist. In meiner Rolle als SBV hatte ich ihm dazugeraten, die Sache durchzukämpfen und sein Arbeitsverhältnis nicht aufzugeben, da er aufgrund seines Alters (53 J) und seiner bestehenden Behinderung vermutlich keine weitere Anstellung finden wird. Aber ich mußte akzeptieren, dass er einfach nicht mehr die gesundheitlichen Reserven hatte dies alles durchzustehen.
Der Mitarbeiter ist nun seit der Aufhebungsvereinbarung arbeitslos...:-(

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