Arbeitsverteilung (Allgemeines)

Tanilein, Mainz, Wednesday, 01.04.2015, 16:23 (vor 3335 Tagen)

Liebe Forengemeinde,

ich bin seit Februar Schwerbehindertenvertreterin in unserer Behörde (Berufsgenossenschaft) und sowohl im Amt als auch im Forum noch neu.
Daher bitte ich bei Fehlern und Unwissenheit um Nachsicht.

Ich habe folgendes Problem:

Bei uns steht derzeit die Entwicklung eines Vertretungskonzeptes für den Urlaubs- und Krankheitsfall an.

Die zwei Schwerbehinderten in der Abteilung (darunter ich) haben bei der Fallverteilung bereits ein volles Arbeitsgebiet wie jeder gesunde Mitarbeiter auch ( trotz wöchentl.gesetztlicher Arbeitszeitverkürzung bei Schwerbehinderung).

Nun hätte ich gerne, dass zumindest bei der Vertretung die Schwerbehinderung eine gewisse Berücksichtigung findet, d.h. die Schwerbehinderten im Einzellfall nicht wieder das gleiche Pensum bekommen wie alle anderen.

Worauf kann ich mich berufen, wenn ich dies fordern möchte ?

Ich danke schon jetzt ganz herzlich für eure Mithilfe

Tani

Arbeitsverteilung

Heinrich, Wednesday, 01.04.2015, 17:17 (vor 3335 Tagen) @ Tanilein

Hallo,

( trotz wöchentl.gesetztlicher Arbeitszeitverkürzung bei Schwerbehinderung).

welche gesetzliche Regelung bzw Grundlage/ Gesetz?

Arbeitsverteilung

Tanilein, Mainz, Wednesday, 01.04.2015, 20:37 (vor 3335 Tagen) @ Heinrich

Auf Antrag arbeite ich, bin Beamtin, nur 40 statt 41 Wochenstunden.
Die Kollegin ebenfalls.

Gibt es eine Regelung, die besagt, dass Schwerbehinderte im Bedarfsfall beim Arbeitspensum gegenüber Gesunden zu bevorzugen bzw. zu entlasten sind, wenn sie es wünschen?

Wie gesagt, ich bin noch ganz frisch im Amt und habe bisher noch keine Seminare besucht.

Bräuchte hier dringend Beratung.

Vielen Dank für eure Hilfe.

Tanilein

Arbeitsverteilung

Tanilein, Mainz, Thursday, 02.04.2015, 08:13 (vor 3335 Tagen) @ Tanilein

ich meine hier die Regelung des § 125 SGB IX. (bzgl. verkürzter Arbeitszeit).
Mein Arbeitgeber ist der Meinung, es würde keine Rolle spielen, dass ein Schwerbehinderter kürzer arbeitet, was die Verteilung des Pensums betrifft.

Nach meiner Meinung nach kann es aber - schon aus logischen Gründen - nicht sein, dass ein Schwerbehinderter in kürzerer Zeit die gleiche Menge an Arbeit erledigen soll wie jeder Gesunde.
Das hätte ja dann zur Folge, dass der Schwerbehinderte im Grunde nicht weniger, sondern sogar MEHR Arbeit hätte als die anderen.

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ciralifan, Thursday, 02.04.2015, 09:03 (vor 3335 Tagen) @ Tanilein

Euch wurde die Arbeitszeit auf Grundlage der SB gemindert. Von 41 auf 40 Wochenstunden.
Dann wäre der § 124, Ablehnung jedweder über die gültige Wochenarbeitszeit hinausgehende Mehrarbeit zu setzen.
Weiterhin, eine Arbeitsverdichtung aufgrund SB geht natürlich nicht.

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Tanilein, Mainz, Thursday, 02.04.2015, 10:33 (vor 3335 Tagen) @ ciralifan

Ich danke dir ganz herzlich für deine Antwort.
Das hilft mir schon ein gutes Stück weiter.
"Arbeitsverdichtung aufgrund SB" -danke für die Formulierung, werde ich mir merken ! :-)

Arbeitsverteilung

Heinrich, Thursday, 02.04.2015, 11:08 (vor 3335 Tagen) @ ciralifan

Hallo,

das Thema "Arbeitsverdichtung" wäre KEIN Thema des § 124 SGB IX denn es ist ja keine im rechtlichen Sinne des § 124 SGB IX KEINE Mehrarbeit.

Es wäre erst einmal ein Thema des PR. Betreffend Schwerbehinderte und SBV wären es Themen der §§ 95,2 und 81,4 SGB IX.


Das gesamte Thema "Entwicklung eines Vertretungskonzeptes für den Urlaubs- und Krankheitsfall" ist da Schwerbehinderte betroffen, grundsätzlich ein Thema des § 95,2 iVm § 81,4 SGB IX.

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Tanilein, Mainz, Thursday, 02.04.2015, 11:28 (vor 3335 Tagen) @ Heinrich

Ganz, ganz lieben Dank für deine sehr fundierte Antwort.

Ich bin happy, das hilft mir schon sehr weiter !!

Werde mich in die genannten Normen samt Kommentierung nun gründlich einlesen.

Ich bin sehr dankbar und erleichtert, dass man hier als Neuling so eine gute Hilfestellung bekommen kann.

Vielen Dank dafür !

Arbeitsverteilung

ciralifan, Thursday, 02.04.2015, 12:38 (vor 3335 Tagen) @ Heinrich

Heinrich,lieber Heinrich... hier hast du aber 2 unabhängig zu lesende Sätze in einen Zusammenhang gebracht, den ich so nicht schrieb.

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Heinrich, Thursday, 02.04.2015, 13:11 (vor 3335 Tagen) @ ciralifan

Hallo,

sollte nur wegen der neuen noch nicht so erfahrenen die Sache klarstellen. Denn unerfahrene könnten dieses missverstehen.

Wolte nicht Dir etwas unterstellen.

Arbeitsverteilung

ciralifan, Thursday, 02.04.2015, 13:22 (vor 3335 Tagen) @ Heinrich

Alles gut...und allen schöne Ostern !

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Cebulon, Thursday, 02.04.2015, 15:26 (vor 3335 Tagen) @ Tanilein

Mein Arbeitgeber ist der Meinung, es würde keine Rolle spielen, dass ein Schwerbehinderter kürzer arbeitet, was die Verteilung des Pensums betrifft. Nach meiner Meinung nach kann es aber - schon aus logischen Gründen - nicht sein, dass ein Schwerbehinderter in kürzerer Zeit die gleiche Menge an Arbeit erledigen soll wie jeder Gesunde.


Hallo, da irrt dieser Arbeitgeber. Ein sbM hat jährlichen Zusatzurlaub. Dies ist bei der Verteilung des jährlichen Arbeitspensums natürlich zu berücksichtigen. Denn ansonsten müsste ja ein sbM mehr "leisten" als ein Nichtbehinderter, also höheres Arbeitstempo, denn es gilt die Formel: Leistung = Arbeit pro Zeiteinheit. Dieses Naturgesetz gilt nicht nur in der Physik. Ansonsten wäre das aus meiner Sicht klar Diskriminierung wegen Behinderung bzw. im Ergebnis eine Aushebelung des gesetzlichen Zusatzurlaubs! Also nicht nur unbillige, sondern gesetzwidrige Weisung!

Das gilt natürlich analog auch dann, wenn und soweit schwerbehinderte Beschäftigte als Nachteilsausgleich eine verminderte Wochenarbeitszeit haben sollten, z.B. Beamte beim Bund bzw. einzelnen Ländern nach den jeweils geltenden Arbeitszeitverordnungen.

Gruß,
Cebulon

Arbeitsverteilung

Tanilein, Mainz, Thursday, 02.04.2015, 15:33 (vor 3334 Tagen) @ Cebulon

Lieber Cebulon,

da gebe ich dir völlig recht.

Mir will es auch nicht einleuchten, wie die hier darauf kommen, dass ein SB in kürzerer Zeit ( durch § 125 SGB IX und 5 Tage Zusatzurlaub) das gleiche leisten soll wie ein Nicht-SB mit höherer Arbeitszeit.

Absolut absurd und unlogisch.

Sie begründen das mit der PBE ( Persnalbedarfsermittlung).
Hiernach würde ein Mittelwert zwischen gesunden und SB Arbeitnehmer und damit das Gesamt-Arbeitszeitangebot ermittelt.

Was für die Gesamtermittlung des Arbeitszeitangebotes gilt, gilt aber nicht bei der Berücksichitgung der Fallverteilung für den jeweiligen SB.
Hier ist aus tatsächlichen Gründen Rücksicht geboten.

Das muss ich denen hier nur noch klar machen; noch weigern sie sich, das zu verstehen und umzusetzen.

Schon schlimm...

Arbeitsverteilung

Cebulon, Thursday, 02.04.2015, 16:02 (vor 3334 Tagen) @ Tanilein

Liebe Tanilein,

da hast Du vollkommen Recht. Das wäre ungefähr so, als würden einer Halbtagsbeschäftigten mehr als die Hälfte der Fallzahlen einer Vollzeitbeschäftigten zugewiesen. Oder, um ein weiteres Beispiel zu nennen, als würden einer Vertrauensperson bzw. einem Mitglied des Personalrats die gleichen Fallzahlen zugewiesen als einem Beschäftigten ohne ein solches Amt. Habe das so in einem Kommentar bzw. einer Ge­richts­ent­schei­dun­g gelesen, leider momentan nicht griffbereit.

Kennt dazu evtl. jemand Literatur als Argumentationshilfe?

Gruß,
Cebulon

Arbeitsverteilung

Cebulon, Monday, 06.04.2015, 22:13 (vor 3330 Tagen) @ Tanilein

Liebe Tanilein,

schau mal den folgenden Grundsatzbeschluss an und besonders den zweiten Satz des Leitsatzes, mit dem das BAG der Vorinstanz entgegengetreten ist. Diese Überlegungen zur Rücksichtnahme bei der Zuteilung des Arbeitspensums stammen zwar aus dem letzten Jahrhundert, sind aber heute noch genauso aktuell und stichhaltig wie damals. Ich denke, diese Entscheidung könnte evtl. teilweise weiterhelfen. Sie gilt m.E. auch für die SBV-Amtstätigkeit im öffentlichen Dienst entsprechend. Es mag nach der Rechtsprechung dabei auch Sinn machen, die durch die SBV-Tätigkeit voraussichtlich eintretende Doppelbelastung im Vorhinein schon bei der Festlegung des jährlichen Arbeitspensums (Fallzahlen) mit zu berücksichtigen, in jedem Fall aber ggf. im Nachhinein laut VG Köln vom 27.09.2013 - 33 K 5595/12.PVB, sinngemäß.

Leitsatz: »Die Freistellungspflicht des Arbeitgebers nach § 37 Abs. 2 BetrVG erschöpft sich nicht darin, den Betriebsratsmitgliedern die zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderliche freie Zeit zu gewähren.
Auch bei der Zuteilung des Arbeitspensums muß der Arbeitgeber auf die Inanspruchnahme des Betriebsratsmitglieds durch Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit angemessen Rücksicht nehmen
BAG, Beschluß vom 27.6.1990 - 7 ABR 43/89

Gruß,
Cebulon

Arbeitsverteilung

Tanilein, Mainz, Tuesday, 07.04.2015, 08:49 (vor 3330 Tagen) @ Cebulon

Wow, DANKE liebe Leute.

Das hilft mir SEHR gut weiter. Jetzt bin ich ein wenig gewappnet für das, was jedem normal denkenden schon allein aus logischen Gründen absolut einleuchtend sein sollte.

Eure Mithilfe nimmt mir enorm die erste Unsicherheit. Man hat das Gefühl, man hat einen Rückhalt durch Gleichgesinnte.

Das ist unheimlich erleichternd und stärkend.

Ich danke euch sehr für eure Unterstützung.

Viele Grüße
Eure Tanilein

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