Parkplatz bei aG im Betrieb? (Allgemeines)

im Aufrag @, Tuesday, 29.07.2003, 08:36 (vor 7603 Tagen)

Ich habe vom Versorgungsamt einen Grad der
Behinderung von 90, das Merkzeichen "G", "aG" seit
2001 anerkannt bekommen.
Mein Arbeitgeber (kein öff. Dienst) will seinen
Standort von A, mit
Tiefgarage und Stellplatz für mein Auto, nach B
verlagern. Dort ist für mich kein Stellplatz mehr
vorgesehen.
Das SGB IX stellt hier einiges klar aber nun meine
Frage:
Gibt es Urteile die meine Rechte aus dem SGB §81(4)4
untermauert>

Re: Parkplatz bei aG im Betrieb?

Hans-Peter-Semmler, Regensburg, Thursday, 11.03.2004, 08:51 (vor 7376 Tagen) @ im Aufrag

Jeden Arbeitgeber trifft eine allgemeine
Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern. Sie
wird aus § 242 BGB abgeleitet. Diese Fürsorgepflicht
beinhaltet, dass der Arbeitgeber die im Zusammenhang
mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des
Arbeitnehmers so wahre, wie dies unter
Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der
Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes
nach Treu und Glauben billigerweise erwartet werden
kann.

Seit jeher ist in Rechtsprechung und juristischer
Literatur anerkannt, dass Arbeitgeber im Bezug auf
schwerbehinderte Beschäftigte eine erhöhte
Fürsorgepflicht haben. Diese besondere
Fürsorgepflicht betrifft vor allem die Gestaltung der
Arbeitsbedingungen und die Rücksichtnahme auf die
Auswirkungen der Behinderung in allen Bereichen des
Arbeitsverhältnisses. Konkreter gesetzlicher Ausdruck
dieser umfassenden gesteigerten Fürsorgepflicht ist
nun insbesondere die Vorschrift des § 81 Abs. 4 SGB
IX mit den dort geregelten verschiedenen
Rechtsansprüchen schwerbehinderter Beschäftigter
gegen ihren Arbeitgeber hinsichtlich der Gestaltung
und Durchführung des Arbeitsverhältnisses,

Vor diesem rechtlichen Hintergrund lässt sich die
Anfrage wie folgt beantworten:
Bereits zum früheren Schwerbeschädigtenrecht vertrat
das Bundesarbeitsgericht die Auffassung, dass der
Arbeitgeber im Rahmen des Möglichen auch dafür zu
sorgen hat, dass für den Pkw eines schwerbehinderten
Beschäftigten bevorzugte Parkmöglichkeiten in der
Nähe des Arbeitsplatzes geschaffen werden und dort
keine Beschädigungen am Fahrzeug entstehen (BAG vom
4.2.196U, AP Nr. 7 zu § 618 BGB). im aktuellen
Schwerbehindertenrecht bestimmt § 81 Abs. 4 Nr. 4 SGB
IX, dass der schwerbehinderte Mensch einen
Rechtsanspruch gegen seinen Arbeitgeber unter anderem
auf behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung
der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen
sowie der Gestaltung des Arbeitsumfeldes hat.
Diese Vorschrift ist bewusst weit gefasst, wie der
Begriff des "Arbeitsumfeldes" deutlich macht. Aus dem
Anspruch auf behinderungsgerechte Gestaltung des
Arbeitsumfeldes und der Arbeitsstätten im Sinne des §
81 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX ergibt sich heute also erst
recht eine grundsätzliche Verpflichtung des
Arbeitgebers, Pkw-Stellplätze für schwerbehinderte
Beschäftigte in der Nähe ihres Arbeitsplatzes zur
Verfügung zu stellen [vgl. hierzu sowie zu den
nachfolgenden Ausführungen Adlhoch, in
Ernst/Adlhoch/Seel, Kommentar zum SCB IX, 4.
Lieferung 2003, § 81 Rn.98). Allerdings nimmt § 81
Abs. 4 Satz l SCB IX hinsichtlich der einzelnen
Verpflichtungen des Arbeitgebers ausdrücklich die
jeweilige Behinderung und denen Auswirkungen auf die
Beschäftigung in Bezug. Daher wird man nicht annehmen
können, dass der Arbeitgeber jedem schwerbehinderten
Mitarbeiter unabhängig von Art und Schwere der
Behinderung einen Pkw-Stellplatz in direkter Nähe des
Arbeitsplatzes zur Verfügung stellen muss.
Aufgrund des in § 81 Abs. 4 Satz l SGB IX geforderten
Bezugs zur Behinderung im Einzelfall ist eine solche
Verpflichtung allerdings generell bei
schwerbehinderten Beschäftigten mit dem
Merkzeichen "aG" = außergewöhnlich gehbehindert
anzunehmen. Außergewöhnlich gebbehindert bedeutet
nämlich/ dass sich der schwerbehinderte Mensch wegen
der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder
Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb
seines Kraftfahrzeugs bewegen kann, je nach Art und
Schwere der individuellen Behinderung sowie den vom
allgemeinen Parkplatz des Betriebes bis zur
Arbeitsstelle zurückzulegenden Fußwegen kann im
Einzelfall ein Anspruch auf einen arbeitsplatznahen
besonderen Pkw-Stellplatz auch bei einem
schwerbehinderten Beschäftigten mit dem
Merkzeichen »aG« (" erheblich beeinträchtigt in der
Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) gegeben sein.
Im. Rahmen seiner besonderen Fürsorgepflicht hat der
Arbeitgeber ferner Sorge dafür zu tragen, dass der
fragliche Stellplatz dem schwerbehinderten
Beschäftigten auch tatsächlich zur Verfügung steht,
insbesondere also nicht von anderen Mitarbeitern
benutzt oder zugestellt wird. Dies kann z.B. durch
eine deutliche Beschilderung oder Sicherungsbügel
geschehen. Der Arbeitgeber ist im Rahmen des
Möglichen ferner gehalten/ Beschädigungen des Pkws
des schwerbehinderten Beschäftigten zu verhindern.
Bei Rollstuhlnutzern kann auch das Überdachen des Pkw-
Stellplatzes und des - im der Regel kurzen -Wegs in
das Betriebsgebäude zum Pflichtenkreis des
Arbeitgebers gemäß § 81 Abs-4 Nr. 4 SGB IX gehören.
Eine solche Überdachung verhindert, dass der
rollstuhlnutzende, schwerbehinderte Beschäftigte beim
Ein- und Aussteigen Regen oder Schnee und damit der
Gefahr von Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen
Erkältungskrankheiten ausgesetzt ist. Zu den Kosten
einer solchen Überdachung wird das Integrationsamt
dem Arbeitgeber eine entsprechende finanzielle
Unterstützung aus Mitteln der Ausgleichsabgabe
zukommen lassen, vgl. §81 Abs. 4 Satz 2 und §
102Abs.3Sats l Nr. 2 SGB IX.

(Text stammt von Bernhard Hackenberger)

RSS-Feed dieser Diskussion