Kündigung während der Probezeit (Kündigung)

Loverslane, Thursday, 03.03.2016, 08:48 (vor 2984 Tagen)

Hallo zusammen,

wir haben hier einen schwerbehinderten Kollegen(GdB 100; 51 Jahre) im letzten November unbefristet eingestellt von der AfA. Jetzt hat sich die Situation wohl so entwickelt, dass Ihm wegen fehlendem fachlichen Grundlagen noch vor Ablauf der Probezeit gekündigt werden soll. Ich als Schwerbehindertenvertreter bei uns finde dies äußerst tragisch. Was kann ich tun und kann ich überhaupt noch etwas tun? Gespräche mit dem entsprechenden Abteilungsleiter und Personalchef habe ich schon geführt. Leider ohne Erfolg. Die Kündigung ist dem Kollegen noch nicht ausgesprochen. Wird aber.
Möchte keinen Fehler machen. Muss ich auf etwas achten?

Vielen Dank vorab für eure Hilfe.

Gruß

Kündigung während der Probezeit

sbv-nl-west, NRW, Thursday, 03.03.2016, 11:46 (vor 2984 Tagen) @ Loverslane

Hallo T. Grühl.

Da hier jetzt folgendes greift:

Ausnahmen vom Kündigungsschutz nach § 90 Absatz 1 und
Absatz 2 SGB IX

Vom Schutzbereich des § 85 SGB IX ausgenommen sind schwerbehinderte Arbeitnehmer,
deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Kündigung ohne Unterbrechung
noch nicht länger als sechs Monate bestanden hat (§ 90 Absatz 1 Nummer
1 SGB IX).

Diese Ausnahme hat folgenden Grund:

Es genügt, wenn der Arbeitgeber die Kündigung innerhalb des zustimmungsfreien
Zeitraumes erklär
t, selbst wenn die Kündigungsfrist erst danach endet (vergleiche.
Kossens/von der Heide/Maaß, § 90, Randziffer 3 mit weiteren Nachweisen). Der
Ausschluss des besonderen Kündigungsschutzes in den ersten sechs Monaten
soll
die Einstellungsbereitschaft der Arbeitgeber fördern und ihnen die Möglichkeit
geben, ohne Beschäftigungsrisiko den schwerbehinderten Menschen zu erproben.
In diesem Fall ist aber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Integrationsamt
binnen vier Tagen anzuzeigen (§ 90 Absatz 3 SGB IX).

Da hier also keine Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich ist, musst du auch nicht tätig werden. Dem Arbeitgeber reicht es hier völlig aus, das Integrationsamt und die SBV über seine Absicht zu informieren.

--
Liebe Grüße

sbv-nl-west

Kündigung während der Probezeit

MatthiasNRW, Thursday, 03.03.2016, 11:55 (vor 2984 Tagen) @ sbv-nl-west

Da hier also keine Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich ist, musst du auch nicht tätig werden. Dem Arbeitgeber reicht es hier völlig aus, das Integrationsamt und die SBV über seine Absicht zu informieren.

Dies möchte ich ergänzen.
Die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung ist nicht erforderlich, das ist korrekt. Das Integrationsamt ist lediglich zu informieren.

Eine reine Information ("Unterrichtung") reicht mit Blick auf die SBV nicht aus.
Auch ohne Zustimmungserfordernis seitens des Integrationsamtes geht es um eine personelle Einzelmaßnahme, die der Anhörung der SBV bedarf.

Der SBV stehen hierbei nur Mitwirkungsrechte zu - es besteht keine Möglichkeit, die Maßnahme direkt zu unterbinden.

Verletzt der Arbeitgeber die Anhörungspflicht, stellt dies grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit nach § 156 Abs. 2 Nr. 9 SGB IX dar.

Kündigung während der Probezeit

sbv-nl-west, NRW, Thursday, 03.03.2016, 13:35 (vor 2984 Tagen) @ MatthiasNRW

Eine Begründung für den Kündigungsgrund muss der AG in den ersten 6 Monaten aber in der "Anhörung" nicht liefern.

Deshalb, vielleicht nicht deutlich genug, habe ich die "Anhörung" als Information bezeichnet.

Denn dem sub­jek­ti­ven Wert­ur­teil des Ar­beit­ge­bers, das Ar­beits­verhält­nis nicht wei­ter fort­set­zen zu wol­len, lie­gen zwar meis­tens Tat­sa­chen zu­grun­de, die nach Zeit, Ort und Umständen kon­kre­ti­siert wer­den könn­ten, doch muss der Ar­beit­ge­ber den Be­triebs­rat/SBV über die­se Tat­sa­chen (= die tatsächli­chen Hin­ter­gründe für sein sub­jek­ti­ves Wert­ur­teil) in der Anhörung zu ei­ner War­te­zeitkündi­gung nicht in­for­mie­ren.

Es genügt da­her für ei­ne ord­nungs­gemäße Anhörung, wenn der Ar­beit­ge­ber al­lein das Wert­ur­teil selbst als das Er­geb­nis sei­nes Ent­schei­dungs­pro­zes­ses mit­teilt, so das BAG. Denn das Wert­ur­teil selbst und nicht et­wa die Tat­sa­chen, auf de­nen es be­ruht, ist bei ei­ner Kündi­gung in der War­te­zeit ein recht­lich aus­rei­chen­der "Grund" für die Kündi­gung.

Vor die­sem Hin­ter­grund fragt sich, wel­che Be­deu­tung § 102 Abs.1 Satz 2 Be­trVG bei War­te­zeitkündi­gun­gen hat. Nach die­ser Vor­schrift hat der Ar­beit­ge­ber des Be­triebs­rat/SBV im Rah­men der Anhörung "die Gründe für die Kündi­gung mit­zu­tei­len". Wenn der Ar­beit­ge­ber aber nach dem KSchG gar kei­ne Gründe für sei­ne Kündi­gung braucht, son­dern "ein­fach so" kündi­gen kann, wel­che "Gründe" muss er dann dem Be­triebs­rat bei der Anhörung mit­tei­len?

Aus diesem Grund hatte ich die "Anhörung" als Information bezeichnet.

Quelle:

BUNDESARBEITSGERICHT

6 AZR 121/12
17 Sa 961/11
Landesarbeitsgericht

Düsseldorf

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Liebe Grüße

sbv-nl-west

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