Kündigungschutz während Widerspruch? (Kündigung)

Moonwalker, Frankenthal, Wednesday, 30.08.2017, 11:22 (vor 2431 Tagen)

Hallo Zusammen,

ich habe mal gesucht aber hier nichts gefunden.

Wenn ein Mitarbeiter einen Antrag auf Schwerbehinderung gestellt hat, die 3 Wochen Wartezeit vorbei sind und der MA irgendwann den Bescheid bekommt:

1. Muss er den AG über den Eingang des Bescheids informieren?
2. Muss er den AG darüber informieren wenn Widerspruch eingereicht wird?
3. Wie ist es in der Zeit vom Zugang des Bescheids bis zur Entscheidung des Widerspruchs, ist da durchgehend der Kündigungschutz vorhanden?

Reicht es eigentlich aus, wenn der AG die Kündung ausspricht ihn erst dann darüber zu informieren, dass ein Antrag gestellt ist oder wäre das rechtlich gesehen zu spät? Wenn der MA nicht mit einer Kündigung rechnet und das Ergebnis des Antrags abwarten möchte, wäre das aus meiner Sicht doch verständlich. Ich habe aber ein Urteil von 2011 gefunden, wo steht, dass man den AG vorher informieren muss.

Viele Grüße

Christian

Kündigungschutz während Widerspruch?

Thomas-SBV, Wednesday, 30.08.2017, 12:56 (vor 2431 Tagen) @ Moonwalker

Hallo Christian,

um deine Fragen beantworten zu können sind mehr Infos erforderlich. Hat der AG bereits gekündigt oder hat er es vor?

Wenn die Kündigung bereits erfolgt ist, sollte der MA eine Kündigungsklage einreichen. In dem Verfahren wird dann alles geklärt, insbesondere was den Status der Behinderung betrifft und alles andere auch.

Tschüss

Thomas

Kündigungschutz während Widerspruch?

Moonwalker, Frankenthal, Wednesday, 30.08.2017, 13:14 (vor 2431 Tagen) @ Thomas-SBV

Hi Thomas,

die Mitarbeiterin vermutet, dass am kommenden Montag die Kündigung ausgesprochen wird. Sie arbeitet bei der Kirche. Sie hat jedes Jahr viele Fehltage, es wurden auch schon mehrere BEM durchgeführt. Sie glaubt, dass sie der Kirche ein Dorn im Auge ist, weil sie vor kurzem ein Gewerbe mit "Geistheilung, Kontakt mit Toten, ..." angemedet hat. Das hat dem Pfarrer überhaupt nicht gefallen (und ich kann das auch gut verstehen :-)). Sie musste einige Punkte von der Homepage nehmen (was sie auch getan hat) aber seitdem ist der Wurm drin. Die Kirche wird ihr deswegen nicht kündigen aber sie vermutet, wegen den häufigen Fehltagen und er schlechten Prognose für die Zukunft. Die Kirche hat sowas wie einen BR und SBV aber die sind natürlich loyal mit der Kirche und zu denen hat sie kein Vertrauen, sodass ich befragt worden bin.

Der Antrag auf GdB wurde ja vor vielen Monaten gestellt und der Bescheid soll gerade per Post unterwegs sein (das Ergebnis kenne ich noch nicht). Nehmen wir mal an, im Bescheid würde ein GdB von 30 stehen. Dann würde sie Widerspruch einreichen. Die Frage ist, wenn sie am kommenden Montag die Kündigung erhält ob sie dann den besonderen Kündigungsschutz hat, weil sie ja in den Widerspruch geht?

Viele Grüße

Christian

Kündigungschutz während Widerspruch?

ingo, Bremen, Wednesday, 30.08.2017, 14:20 (vor 2431 Tagen) @ Moonwalker

Hallo Christian,
was sagt den die SBV in der Kirche dazu, oder als was fragst du bei diesem Fall?
Gruß Ingo:-)

Kündigungschutz während Widerspruch?

Moonwalker, Frankenthal, Thursday, 31.08.2017, 08:13 (vor 2430 Tagen) @ ingo

Hi Ingo,

die Betroffene hat sich nicht an den SBV der Kirche gewendet, weil sie keine Unterstützung erwartet.

Ich kann die Kirche ja auch irgendwie verstehen. Da hast du einen Mitarbeiter, der häufig krank ist, dann ein Gewerbe hat, dass Dinge anbietet, die mit der Kirche (meine Sicht) nicht vereinbar sind. Die SBV arbeitet bei der Kirche und ich kann mir nicht vorstellen, dass die das gut findet. Das ist aber alles meine persönliche Meinung.

Ich möchte ihr nur sagen, was rechtlich möglich ist.

Viele Grüße

Christian

Kündigungschutz während Widerspruch?

garda, Berlin, Thursday, 31.08.2017, 08:03 (vor 2430 Tagen) @ Moonwalker

Sie arbeitet bei der Kirche. Sie hat jedes Jahr viele Fehltage, es wurden auch schon mehrere BEM durchgeführt. Sie glaubt, dass sie der Kirche ein Dorn im Auge ist, weil sie vor kurzem ein Gewerbe mit "Geistheilung, Kontakt mit Toten, ..." angemedet hat. Das hat dem Pfarrer überhaupt nicht gefallen (und ich kann das auch gut verstehen :-)).

Hallo Christian,

ergänzend zu allen anderen Antworten sehe ich hier aber noch ein anderes Problem. Sie hat also hohe Fehlzeiten, betreibt aber trotzdem eine Art "Gewerbe", dass zu allem Überfluss auch noch gegensätzlich zu dem "Gewerbe" ihres Arbeitgebers, eines Tendenzbetriebes, ist.

Mal ganz klar: vor diesem Sachverhalt wird sie weder eine SB-Eigenschaft noch eine Gleichstellung irgendwie vor einer Kündigung retten, wenn es die Kirche drauf ankommen lässt und sich auf ihre speziellen Schutzrechte beruft.

Das wäre ungefähr so, als wenn ein Arzt eine Arzthelferin beschäftigt die als Heilpraktikerin arbeitet und ihrem Chef Konkurrenz macht.

Da gibt es gleich mehrere Angriffspunkte (AG ist Tendenzbetrieb, direkte Konkurrenz, Nebengewerbe trotz hoher Ausfallzeiten), abgesehen von meiner Privatmeinung, dass jemand der so etwas betreibt, nun wirklich in der Kirche nichts zu suchen hat.

--
Mit freundlichen Grüßen

Michael

Kündigungschutz während Widerspruch?

Moonwalker, Frankenthal, Thursday, 31.08.2017, 08:15 (vor 2430 Tagen) @ garda

Hi Michael,

das sehe ich auch so!

VG und Danke!

Christian

Kündigungschutz während Widerspruch?

MatthiasNRW, Wednesday, 30.08.2017, 13:24 (vor 2431 Tagen) @ Moonwalker

Hallo,

1. Muss er den AG über den Eingang des Bescheids informieren?
2. Muss er den AG darüber informieren wenn Widerspruch eingereicht wird?
3. Wie ist es in der Zeit vom Zugang des Bescheids bis zur Entscheidung des Widerspruchs, ist da durchgehend der Kündigungschutz vorhanden?

1 und 2. Nein - Es steht dem Arbeitnehmer frei, ob und wann er sich auf den Status "schwerbehindert" beruft
3. Ja

Reicht es eigentlich aus, wenn der AG die Kündung ausspricht ihn erst dann darüber zu informieren, dass ein Antrag gestellt ist oder wäre das rechtlich gesehen zu spät? Wenn der MA nicht mit einer Kündigung rechnet und das Ergebnis des Antrags abwarten möchte, wäre das aus meiner Sicht doch verständlich. Ich habe aber ein Urteil von 2011 gefunden, wo steht, dass man den AG vorher informieren muss.

Wenn sich die Teilnehmer hier inhaltlich mit einem Urteil auseinandersetzen sollen, wäre es sinnvoll, dass du das entsprechende Aktenzeichen angibst.

Der Kündigungsschutz gilt unabhängig von der Kenntnis des Arbeitgebers. Die einschlägigen Kommentare begründen dies u. a. mit dem Wortlaut sowie der Entstehungsgeschichte des Gesetzes.

Nach ausgesprochener Kündigung (in Unkenntnis des AG über das Vorliegen des besonderen Kündigungsschutzes) hat die Erklärung an den Arbeitgeber keine rechtlichen Folgen. Vielmehr hat der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage unter Beachtung der Frist aus § 4 KSchG zu erheben.

Nachdem der Arbeitgeber durch die erhobene Klage Kenntnis von der (ggf. nur fristgerecht beantragten) Anerkennung einer Schwerbehinderung hat, steht ihm der Weg des regulären Zustimmungsverfahrens offen.

--
Gruß
Matthias

Kündigungschutz während Widerspruch?

MatthiasNRW, Wednesday, 30.08.2017, 15:48 (vor 2431 Tagen) @ Moonwalker

Hallo,

Hier hatte ich einige Infos erlesen:

https://www.dbb.de/dokumente/zfpr/2011/zfpronline_2011_12_03.pdf

Danke für die Ergänzung.
Das Dokument bezieht sich auf die Entscheidung 2 AZR 703/09.

Dahingehend muss ich mich korrigieren, dass die Anzeige der (beantragten Anerkennung einer) Schwerbehinderung innerhalb der dreiwöchigen Frist beim AG ausreichend ist.
Hierdurch wird der AG in die Lage versetzt, einen entsprechenden Antrag beim Integrationsamt zu stellen.

Ratsam dürfte jedoch parallel auch die Kündigungsschutzklage sein, um einen möglichen Fristablauf zu vermeiden. Die Klagefrist wird nach meinem Kenntnisstand (2 AZR 864/06) durch eine nachträgliche Mitteilung nicht gehemmt (Rn 46).

--
Gruß
Matthias

Kündigungschutz während Widerspruch?

Moonwalker, Frankenthal, Wednesday, 30.08.2017, 14:03 (vor 2431 Tagen) @ albarracin

Hi Wolfgang,

prima! Danke!

VG

Christian

Kündigungschutz während Widerspruch?

Cebulon, Wednesday, 30.08.2017, 14:50 (vor 2431 Tagen) @ Moonwalker

Ich habe aber ein Urteil von 2011 gefunden, wo steht, dass man den AG vorher informieren muss.

Mir ist leider immer noch nicht klar, welches konkrete Urteil gemeint ist. Gericht? Datum? Aktenzeichen?

Fakt ist, dass der Dienstgeber die SBV nicht anhören muss, falls dieser nicht vor der Kündigung vom Antrag auf Schwerbehindertenausweis informiert wurde! Vgl. Düwell/Beyer, Das neue Recht für behinderte Be­schäf­tigte, BTHG-Handbuch 2017, Seite 88 bis 90.

Sie hat jedes Jahr viele Fehltage, es wurden auch schon mehrere BEM durchgeführt. Sie vermutet wegen den häufigen Fehltagen und schlechter Prognose ...

Wenn eine Prävention ordnungsgemäß durchgeführt worden sein sollte nach § 84 SGB IX mit negativer Ge­sund­heits­pro­gno­se, dann wird sich das Dienstverhältnis letztlich wohl kaum halten lassen, sofern er­heb­li­che Be­ein­träch­ti­gung der be­trieb­li­chen oder wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers, und sofern eine In­ter­es­sen­abwägung ergibt, dass dem Arbeitgeber die Be­ein­träch­ti­gung sei­ner In­ter­es­sen nicht mehr wei­ter zu­ge­mu­tet wer­den kann - mit oder ohne festgestellte Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaf­t. Schwerbehinderte oder gleich­ge­stell­te behinderte Beschäftigte sind entgegen verbreitetem Irrglauben keineswegs unkündbar.

Gruß
Cebulon

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