BEM - Wann muss das Angebot des AG erfolgen? (Allgemeines)

rollo, Monday, 20.11.2017, 13:20 (vor 2349 Tagen)

Moin Moin Gemeinde,

auch wenn hier im Forum schon viel zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement geschrieben wurde, konnte ich leider keine Antwort auf meine Frage finden.

Wann muss der AG ein BEM anbieten?

Meine Frage zielt nicht auf die gesetzlichen Voraussetzungen ab, ich möchte gern wissen, wieviel Zeit (Tage/Wochen/Monate) zwischen dem "Erreichen" der 42 krankheitsbedingten Fehltage von dem betroffenen Mitarbeiter und dem Angebot des AG liegen dürfen. Mir ist schon klar, dass so wenig Zeit wie möglich dazwischen sein sollte um ein BEM überhaupt sinnvoll durchzuführen. Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn einem Mitarbeiter der von Januar bis März arbeitsunfähig ist erst im November, also 8 Monate später, ein BEM anzubieten. Hierdurch würde das BEM an den Zielen vorbei aggieren.
Gibt es hierzu ggf. Urteile oder eindeutige Kommentare auf die ich mich stützen kann?

Vielen Dank im Voraus.

LG, rollo

BEM - Wann muss das Angebot des AG erfolgen?

Cebulon, Monday, 20.11.2017, 21:36 (vor 2349 Tagen) @ rollo

... also 8 Monate später ein BEM anzubieten.

Hallo, das geht in aller Regel weit am Gesetzeszweck vorbei, weil es den Zielen eines halbwegs ord­nungs­ge­mä­ßen BEM nicht einmal annähernd gerecht wird.

Gibt es hierzu Urteile oder eindeutige Kommentare?

Das BVerwG hat z.B. schon vor Jahren beschlossen:
Ziel des betrieblichen Ein­glie­de­rungs­ma­nage­ments ist die "frühzeitige" ­Klä­rung, ob und welche ­Maß­nah­men zu ergreifen sind um möglichst dauerhafte Fort­set­zung des Be­schäf­ti­gungs­verhält­nis­ses zu fördern. Es ist also in aller Regel zeitnah anzubieten und vor allem bei sbM die SBV unverzüglich zu unterrichten nach Feststellung der gesetzlichen BEM-Voraussetzungen.
BVerwG vom 23.06.2010, 6 P 8.09

Gruß,
Cebulon

BEM - Wann muss das Angebot des AG erfolgen?

rollo, Tuesday, 21.11.2017, 08:08 (vor 2348 Tagen) @ Cebulon

Guten Morgen Cebulon,

vielen Dank für die schnelle Antwort. In dem angeführten Urteil ist das Procedere zum BEM gut beschrieben. Auf meine Frage konnte ich aber wiederum nur bedingt Antworten finden. Hier ist z.B. geschrieben, dass das BEM im Rahmen seiner Zielstellung möglichst frühzeitig angeboten werden soll. Eine zeitliche Angabe ist leider auch hier nicht ersichtlich. Ich bin ebenso wie du der festen Überzeugung, dass ein ordnungsgemäßes BEM den Zielen nur gerecht werden kann, wenn es frühzeitig angeboten wird bzw. beginnt. Es ist nur schade, wenn man diesbezüglich stets auf Mauern die z.T. aus Ignoranz, Verzögerungstaktiken, sich Dummstellen und Machtspielchen auf unterster Schubladenebene bestehen, stößt.

Gibt es eventuell noch weitere Gesetzestexte die eine Zeitspanne zwischen dem Erreichen der BEM-Kriterien und dem BEM Angebot erkennen lässt?

Vielen Dank im Voraus.

LG, rollo

BEM - Wann muss das Angebot des AG erfolgen?

Cebulon, Tuesday, 21.11.2017, 10:45 (vor 2348 Tagen) @ rollo

Hallo, BIH schreibt z.B., dass regelmäßig jedenfalls bei "etablierten Verfahren" von einer zeitnahen Monatsfrist auszugehen ist, und dass länger als drei Monate in aller Regel viel zu lang ist, weil dieses den Zielen eines BEM nicht einmal annähernd gerecht würde (BEM-Ratgeber 2014, Seite 51).

Gruß
Cebulon

BEM - Wann muss das Angebot des AG erfolgen?

Monica99, Tuesday, 21.11.2017, 12:01 (vor 2348 Tagen) @ rollo

Hallo,

der betroffene AN sofern er schwerbehindert oder gleichgestellt ist kann sich ein BEM auch einklagen. Denn das BEM betrifft auch die Rechte dieser AN aus § 81 Abs 4. SGB IX. Da als Ergebnis eines BEM auch Maßnahmen, auch solche betreffend Arbeitsplatz/-umfeld, welche unter § 81, 4 SGB IX fallen notwendig sind.

--
mfg Monica

BEM - Wann muss das Angebot des AG erfolgen?

MatthiasNRW, Tuesday, 21.11.2017, 11:12 (vor 2348 Tagen) @ rollo

Hallo,

Wann muss der AG ein BEM anbieten?

(...)

Gibt es hierzu ggf. Urteile oder eindeutige Kommentare auf die ich mich stützen kann?

leider sind mir keine Urteile oder Kommentierungen bekannt.

Allerdings ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes rein formallogisch ein notwendiger Zeitpunkt zum Tätigwerden:

"Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig (...)"

Es folgt kein "leitet der Arbeitgeber innerhalb von x-Wochen entsprechende Maßnahmen ein". Der Gesetzgeber überlässt dies dem Arbeitgeber unter der Voraussetzung, dass die grundsätzliche Zielausrichtung (Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, Vermeidung von weiteren Ausfallzeiten) erreicht werden kann.

Gleichwohl mag es im Einzelfall auch angezeigt sein, ein bEM erst später anzubieten, wenn der Arbeitgeber die Ursache der Erkrankung kennt und ein späteres Vorgehen sinnvoll erscheint. So zumindest Christoph Beyer, Leiter des LVR-Integrationsamtes, in "Das neue Recht für behinderte Beschäftigte". Er nennt als Beispiel eine schwere Krebserkrankung. Er verweist auch auf die Stichtagsregelung zur Datenerhebung laut BIH, die Cebulon genannt hat.

Eine andere Antwort wird auch kein Gericht geben können - außer, dass im jeweiligen Einzelfall unter Betrachtung der Gesamtumstände ein bEM nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde und der Arbeitgeber sich die negativen Folgen zurechnen lassen muss.

Ansonsten: Gemäß § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX wachen die Interessenvertretungen über die Erfüllung der Verpflichtung und können nach Satz 6 die Klärung verlangen. Vielleicht mag der Arbeitgeber im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 2a ArbGG erläutern, wieso das Angebot zu einem bEM erst später unterbreitet werden soll.

--
Gruß
Matthias

BEM - Wann muss das Angebot des AG erfolgen?

rollo, Tuesday, 21.11.2017, 14:20 (vor 2348 Tagen) @ MatthiasNRW

Liebe Mitstreiter,
vielen Dank für die nützlichen Hinweise.
Hier geht es um ein grundsätzliches Problem. In einem Einzelfall wäre meine Vorgehensweise klar. Wenn es aber mehrere 100 Mitarbeiter betrifft und mir die Namen dieser Mitarbeiter nicht bekannt sind und ich dementsprechend dem Einzelfall nicht nachgehen kann, befinde ich mich bzw. der Betroffene in einer weit aus brisanteren Situation.
Der Hinweis von Cebulon auf die Sicht der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptführsorgestellen (BIH) unterstützt mich schon sehr in meiner Argumentation.

Danke!

LG, rollo

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