Es eskaliert (Umgang mit BR / PR)

bifavi, Hessen, Tuesday, 11.09.2018, 19:29 (vor 2056 Tagen)

Hallo liebes Forum,
habe am Donnerstag die Tagesordnung für die heutige BR Sitzung erhalten. Darauf 2 Punkte an denen ich nach 178 durch den AG hätte angehört werden müssen. War Versetzung und Eingruppierung. Am Freitag gleich den Arbeitgeber und BR über Beschlusaussetzung
Informiert und beantragt. Heute BR Sitzung. Nochmal den Fall mündlich vorgetragen mit Verweis auf eine Nichteinhaltung eines Gesetzes, mit der Aufforderung den durch den Arbeitgeber gestellten Antrag abzulehnen. Der BR hat sich gegen den Antrag entschieden und beiden Dingen zugestimmt.
Kommt hier der 23 BetrVg zur Anwendung.
Muss ich den 2a Arbeitsgerichtsgesetz bescheiden.
OWI scheint für mich außen vor.
Welche Vorgehensweise soll ich durchführen?
Vielen Dank für die Antworten im voraus.

Es eskaliert

Hendrik1, Niedersachsen, Tuesday, 11.09.2018, 19:45 (vor 2056 Tagen) @ bifavi

Moin Moin Bifavi,

Du kannst auch den Beschluß des Personalrats aussetzen. Zudem solltest Du, wenn Du sicher bist, dass Du hättest beteiligt werden müssen, den Personarat daran erinnern, dass auch er verpflichtet ist, zu überwachen, ob der Arbeitgeber die gesetzlichen Bestimmungen einhält und den entsprechenden § 178 zitieren. Wenn der PR dieses nicht eisehen will, kannst du ihm mitteilen, dass Du diesen Verstoss gegen das Personalvertretungsgesetz in der nächsten Schwerbehindertenversammlung bzw. auf schriftlichem Wege an die Schwerbehinderten weitergeben willst und somit die fehlende vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der SBV zu der der Personalrat nach SGB IX verpflichtet ist, nach Außen für alle sichtbar machen.

Als ultima ratio bleibt noch, beim Arbeitgeber Kostentragung für einen Rechtsanwalt geltend zu machen und das Verfahren mit Bußgeld vor dem Gericht geltend zu machen.


Liebe Grüße

Hendrik

Es eskaliert

bifavi, Hessen, Tuesday, 11.09.2018, 20:26 (vor 2056 Tagen) @ Hendrik1

Hallo Hendrik,
vielen Dank für deine rasche Antwort.
Habe den Antrag zur Aussetzung am Freitag beim BR schriftlich eingereicht. Also weit vor der Sitzung. Heute den Antrag in der Sitzung nochmal mündlich wiederholt. Hat nix genutzt. Ich bin der Ansicht, hier wird geltendes Recht gebrochen. Das größte war dann die Aussage: Ich würde die Arbeit des BR behindern und eine außerordentliche Sitzung würde Arbeitskraft und unnötige Zeit binden. Und wir sollten doch konstruktiv zusammen arbeiten. Solange es nach Gesetz geht von mir aus gerne. Aber wenn BR nur BetrVg kennt und sich darauf beruft dann hat er es auch anzuwenden. Ohne Wenn und Aber. Hab denen sogar den 178 mit Kommentar eingereicht.
Sorry das ich emotional werde.
LG bifavi

Es eskaliert

Hendrik1, Niedersachsen, Tuesday, 11.09.2018, 20:44 (vor 2056 Tagen) @ bifavi

Moin Moin Bifavi,

dann schreib den Arbeitgbeber an und teile ihm mit, dass Du den Betriebsratsbeschluss von heute aussetzt und setzte den Betriebsrat ebenfalls in Kenntnis.

Hier die gesetzliche Grundlage:
Betriebsverfassungsgesetz
§ 35 Betriebsverfassungsgesetz: Aussetzung von Beschlüssen
(1) Erachtet die Mehrheit der Jugend- und Auszubildendenvertretung oder die Schwerbehindertenvertretung einen Beschluss des Betriebsrats als eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen der durch sie vertretenen Arbeitnehmer, so ist auf ihren Antrag der Beschluss auf die Dauer von einer Woche vom Zeitpunkt der Beschlussfassung an auszusetzen, damit in dieser Frist eine Verständigung, gegebenenfalls mit Hilfe der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften, versucht werden kann.
(2) Nach Ablauf der Frist ist über die Angelegenheit neu zu beschließen. Wird der erste Beschluss bestätigt, so kann der Antrag auf Aussetzung nicht wiederholt werden; dies gilt auch, wenn der erste Beschluss nur unerheblich geändert wird.

§ 178,2 Satz 1 und 2: (2) 1Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. 2Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden.

§ 178, 4 Satz 1,2 und 3: (4) 1Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, an allen Sitzungen des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates und deren Ausschüssen sowie des Arbeitsschutzausschusses beratend teilzunehmen; sie kann beantragen, Angelegenheiten, die einzelne oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe besonders betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. 2Erachtet sie einen Beschluss des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates als eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen schwerbehinderter Menschen oder ist sie entgegen Absatz 2 Satz 1 nicht beteiligt worden, wird auf ihren Antrag der Beschluss für die Dauer von einer Woche vom Zeitpunkt der Beschlussfassung an ausgesetzt; die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und des Personalvertretungsrechts über die Aussetzung von Beschlüssen gelten entsprechend. 3Durch die Aussetzung wird eine Frist nicht verlängert.

Sollte der Betriebsrat hierauf nicht eingehen, dann beim Arbeitgeber Kostentragung für Beauftragung eines Rechtsanwalts und Klage gegen den Betriebsrat und falls der ASrbeitgeber bei seinem Beschluß bleibt und nach Aussetzung desselben die SBV ebenfalls nicht beteiligt, auch gegen den Arbeitgeber, falls der Rechtsanwalt dieses für erfolgsversprechend hält. Dann wird vor dem Verwaltungsgericht ggf. ein Bußgeld auch für zukünftige Verstösse festgelegt...... Zu dem Gerichtstermin bitte auch die Presse einladen, wenn der Arbeitgeber und erst recht der Betriebsrat als Arbeitnehmervertretung auf diese Weise als positives Leuchtfeuer für die Rechte der Schwerbehinderten einsetzen wollen, sollte dies doch entsprechend gewürdigt werden.

Liebe Grüße

Hendrik

Es eskaliert

Hr.Rautenberg, Tuesday, 11.09.2018, 20:47 (vor 2056 Tagen) @ bifavi

Hallo bifavi!
Du hast alles rechtzeitig und ordnungsgemäß entschieden und mitgeteilt. Auch hast Du bei einer BR-Sitzung Deine Position dargestellt. Gegenüber dem Arbeitgeber hat aber Dein Beschluss keine fristverlängernde Wirkung. Hier bekommt der Arbeitgeber nur die Gelegenheit die Beratungsrechte der SBV zu bedienen.

Eigentlich hast Du hier zwei Konfliktfelder.

Einerseits übergeht der Arbeitgeber Deine gesetzlichen Mitwirkungspflichten. Er hat Dich pflichtgemäß nach § 178 (2) Satz 1 zu unterrichten. Diese Pflichtverletzung sollte unverzüglich gegenüber dem Arbeitgeber mündlich gerügt werden. Sollte er hier nicht einlenken oder nicht einsichtig sein, empfehle ich die Einschaltung des Integrationsamts. Ist diese Moderation auch vergeblich, sollte das Verhalten des Arbeitgebers abgemahnt werden. Für den Wiederholungsfall werden hier [kollektiv-] arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht, in einem [von einem von Dir prozessbevollmächtigen Anwalt] in einem Beschlussverfahren im Wiederholungsfall geltend gemacht. Das kann man zwar auch ohne Abmahnung. Gestörte Arbeitsbeziehungsstörungen lassen jedoch nicht rechtlich heilen und werden durch ein Beschlussverfahren vielleicht vertieft. Auch einmalige Verstöße können grobe Pflichtverstöße sein. Schriftliche Abmahnungen unterstützen aber ein Muster nachzuweisen.

Andererseits begeht der Betriebsrat ebenso einen Rechtsfehler. Er ist nach § 80 (1) 1. BetrVG verpflichtet, zugunsten der Arbeitnehmer alle Gesetze überwacht werden. Das schließt die §§ 178 (1) 1., 179 (2) Satz 1 und § 179 (2) SGB IX ausdrücklich ein. Klar kann man diesen Verstoß auch vor Gericht geltend machen, vor allen Dingen, wenn der Betriebsrat grob fahrlässig, mutwillig oder gar vorsätzlich handelt. Analog zu erstens empfehle ich hier das Einschalten des IntA. bzw. eine Abmahnung. Ein verständiger Betriebsrat hat sich auch im SGB IX fortgebildet haben. Dies kann nachgeholt werden.

Ggf. kann im Konflikt neben dem Integrationsamt auch die zuständige Gewerkschaft moderieren. Sie kennt die entsprechenden Personen manchmal besser.

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