Schwerbehinderte in Konkurrenz zur Übernahme von Auszubildenden (Stellvertreter/in)

Hertha, Wednesday, 10.10.2018, 10:36 (vor 2025 Tagen)

Kennt sich Jemand mit dem Sachverhalt Übernahme von befristeten Schwerbehindertenbeschäftigten in eine Dauerstelle in Konkurrenz zu TVAöD § 16a Übernahme von Auszubildenden aus? Wer hat hier den Vorrang und wenn es der Schwerbehinderte Beschäftigte ist, wo steht das?

Danke!

Schwerbehinderte in Konkurrenz zur Übernahme von Auszubildenden

KaivonderKüste, Wednesday, 10.10.2018, 12:31 (vor 2025 Tagen) @ Hertha

Moin,

erst einmal gilt Art.3 Abs.3 Satz 2 des Grundgestzes: Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Und wenn die betreffende schwerbehinderte Person für die Stelle qualifiziert ist, greift für den Arbeitgeber § 164 Abs.1 Satz 1 erster Halbsatz SGB IX: Die Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen....besetzt werden können.

Damit hat die schwerbehindertre Person gute Chancen auf einen entsprechenden freien Dauerarbeitsplatz zu bekommen.
Der § 16a TVAöD sieht dagegen nach der Ausbildung erst einmal eine befristete Übernahme bei entsprechender freier Stelle zur Bewährung vor. Auch wenn der Ausbildungsbetrieb die frisch Ausgelernten für zuküftige Bedarfe in der heutigen Arbeitsmarktlage gerne halten will, so darf er bei der Stellenbesetzung nicht das Gesetz umgehen.
Aus meiner Sicht ist bei einer freien Planstelle der qualifizierte Schwerbehinderte, der sich bereits bewährt hat, vorrangig auf diesen Arbeitsplatz zu setzen.

Grüße vom Wasserrand
KAI

Schwerbehinderte in Konkurrenz zur Übernahme von Auszubildenden

Thomas-SBV, Wednesday, 10.10.2018, 13:49 (vor 2025 Tagen) @ KaivonderKüste

Hallo zusammen,

das ist eine extrem interessante Frage. Meiner Auffassung nach zählt das SGB höher als ein TV. Der AG sitzt jedoch in einer Zwickmühle. Es kommt also stark darauf an, wie sich der BR positioniert.

Klar, nun schreiben einige zurück, dass das egal wäre und auch der BR sich an Gesetze halten muss. Stimmt natürlich, doch gibt es zum einen immer Interpretationsspielraum und zum Anderen ist der BR nun einmal am sogenannten längeren Hebel.

Freu mich schon auf eine kontroverse Diskussion.

Tschüss ihr Nordlichter

Thomas

Schwerbehinderte in Konkurrenz zur Übernahme von Auszubildenden

Hendrik1, Niedersachsen, Wednesday, 10.10.2018, 12:32 (vor 2025 Tagen) @ Hertha

Moin Moin Hertha,

zunächst einmal habe ich diverse Fragen an Dich:
1. Du kommst aus dem öffentlichen Dienst, wegen TVÖD. Leider steht in Deinem Profil nicht das Bundesland. Gibt es bei Euch Schwerbehindertenrichtlinien o.ä. des Landes (Hertha = Berlin?) und wenn ja, steht in diesen auch, dass auch Kommunen angehalten werden, diese umzusetzen? Wenn ja, was steht in diesen Richtlinien zur Umsetzung von Schwerbehinderten?

2. Es gibt den § 164 SGB IX. Im Absatz 4 steht unter anderem, dass Schwerbehinderte einen Anspruch auf eine Beschäftigung haben, bei der sie ihre Kenntnisse und Fähigkeiten möglichst voll verwerten und entfalten können. Ist dies beim bisherigen Arbeitspltz auch der Fall, oder trifft dies nur auf den neuen zu? Ist der erste Arbeitsplatz aus anderen Gründen nicht leidensgerecht, muss die/der Kollege also umgesetzt werden? Bei Beantwortung dieser Fragen mit Ja, wäre hier ein juristischer Hebel möglich.

3. Normalerweise gilt ja eine Bestenauslese. Wenn der/die Schwerbehinderte Berufserfahrung mitbringt, die bei einer Ausbildenden logischerweise noch nicht vorliegt, würde ich diesen Qualifikationsvorsprung immer in die Waagschale werfen. Sollte die/der Schwerbehinderte aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen eine Versetzung benötigen, wäre auch dieses Argument anzuwenden. Sollte auch im Erlass Eures Bundeslandes hierzu etwas stehen, wäre auch die Erwähnung hilfreich.

4. Sucht die Schwerbehinderte nach einer Umschulung eine neue Stelle, wäre sie identisch zur Auszubildenden, daher ist ohne Hintergrundkenntnisse keine definitive Antwort möglich. Ebenso wären ggf. Vorerfahrungen für die Stelle, falls z.B. die Auszubildende weitere berufliche Kenntnisse mitbringt, wichtig für eine Einschätzung.

4. Gibt es bei Euch im Betrieb eine Inklusionsvereinbarung/Integrationsvereinbarung? Wenn ja, ist hier etwas zu der Umsetzung von Schwerbehinderten geregelt?

Leider kann ich Dir nicht direkt eine Antwort geben, aber vielleicht helfen die Hinweise weiter.

Liebe Grüße

Hendrik

Schwerbehinderte in Konkurrenz zur Übernahme von Auszubildenden

Hertha, Wednesday, 10.10.2018, 14:55 (vor 2025 Tagen) @ Hendrik1

Nur ganz kurz aus Zeitmangel....

Wir gehören zum BMWi und ja es gibt eine Rahmenintegrationsvereinbarung ( demnächst Inklusionsvereinbarung).
Meine Frage bezieht sich nicht auf einen aktuellen Fall.

Ich soll einen Aktenvermerk der Personalabteilung mitzeichnen, indem das Verfahren für die Weiterbeschäftigung von Auszubildenden dargelegt wird. Es wird jedoch nichts in diesem Verfahren über die evtl. Besetzung und Vorrangigkeit von schwerbehinderten Beschäftigten mit befristeten Verträgen gesagt. Zeichne ich das nun mit, kann es später quasi gegen eine Besetzung durch Schwerbehinderte verwendet werden.
Bei einem Veto meinerseits für die Nichtzeichnung des Aktenvermerkes suche ich nach einer stichhaltigen Begründung....

Schwerbehinderte in Konkurrenz zur Übernahme von Auszubildenden

Hendrik1, Niedersachsen, Wednesday, 10.10.2018, 15:12 (vor 2025 Tagen) @ Hertha

Moin Moin Hertha,

da würde ich genau die Begründungen, die Kai von der Küste und ich auch schon im letzten Beitrag geschrieben haben, beibringen: Qualifikationsvorsprung durch Berufserfahrung: Im Erlass des Landes Berlin steht auch etwas von "bei gleicher Eignung bevorzugter Einstellung".
Was bei Euch in der Integrationsvereinbarung geregelt ist, kann ich nicht sagen.
Ich würde aber auch den §164,1 bzw. 164,4 mit zitieren. Hinzu kommen die Erörterungsrechte der Schwerbehindertenvertretung, wenn die 5% Quote nicht erfüllt ist (§164,1 Satz7). Dieses kann ja nicht pauschal ausgeschlossen werden.

Daher könnte ich diesen Aktenvermerk nicht mitgehen.

Hinzu kommt, dass diese Rechte nicht nur für befristet eingestellte Schwerbehinderte, sondern auch für Schwerbehinderte mit behinderungsbedingt notwendigem Versetzungswunsch gelten.

Daher würde ich es so sehen, dass Stellen grundsätzlich auszuschreiben sind, damit Schwerbehinderte die Chance bekommen, sich beruflich zu verändern und sich auf diese bewerben können.

Liebe Grüße

Hendrik

Schwerbehinderte in Konkurrenz zur Übernahme von Auszubildenden

albarracin, Baden-Württemberg, Thursday, 11.10.2018, 09:14 (vor 2025 Tagen) @ Hertha

Hallo,


Ich soll einen Aktenvermerk der Personalabteilung mitzeichnen, indem das Verfahren für die Weiterbeschäftigung von Auszubildenden dargelegt wird.

Ich würde hier gar nichts "mitzeichnen", was irgendwie nach Zustimmung aussieht. Entweder bestätigst Du bloß die Kenntnisnahme oder aber Du formulierst bereits einen grundsätzlichen allgemeinen Vorbehalt in Bezug auf die gesetzlichen Regelungen des SGB IX.

Im Fall des Falles muß hier bei konkurrierenden Ansprüchen sowieso eine Einzelfallabwägung stattfinden.

--
&Tschüß

Wolfgang

Schwerbehinderte in Konkurrenz zur Übernahme von Auszubildenden

WoBi, Friday, 12.10.2018, 09:17 (vor 2024 Tagen) @ Hertha

Hallo Herta,

ich sehe dies als ein Fall für § 205 SGB IX an. Auch wenn die Übernahme der Azubis geregelt ist, darf der Arbeitgeber die Rechte von schwerbehinderten Menschen nicht außen vor lassen und muss die Regelungen nach dem SGB IX beachten.
Bitte nicht von der Überschrift des § 205 SGB IX täuschen lassen, sondern einen Kommentar dazu ziehen.

Der Vorrang von Gesetzen gegenüber einem Tarifvertrag wurde bereits angesprochen. Zumal hier keine Öffnungsklausel im SGB IX steht.

--
Gruß
Wolfgang

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