Informaton und Beteiligung am Auswahlverfahren (Einstellung)

Schnarchi-x, Hamburg, Monday, 04.03.2019, 13:25 (vor 1886 Tagen)

Hallo allerseits,

ich bin Schwerbehindertenvertretung in einer Behörde.Seit geraumer Zeit versucht unser Arbeitgeber das Auswahlverfahren "schlanker" zu machen. Jetzt habe ich per Mail zu einem Auswahlverfahren vom Arbeitgeber eine Übersicht (Synopse) über die Bewerber erhalten und einen Auswahlvermerk, dazu einen Hinweis, dass ich die Bewerbungsunterlagen im Personalbüro einsehen könnte und einen Terminblocker für die Auswahlgespräche.

Das Ergebnis aus der Synopse:
5 schwerbehinderte/gleichgestellte Menschen,
1 Mensch, dessen Anerkennungsverfahren läuft,
1 Mensch, der eindeutig die harten Kriterien nicht erfüllt.

Der Arbeitgeber hat nur eine schwerbehinderte Person zu den Auswahlgesprächen eingeladen. Ich hatte geschrieben, dass ich mit dieser Auswahl nicht einverstanden sei. Es erfolgte keine Antwort vom Arbeitgeber.

Am Anfang der Auswahlgespräche habe ich angekündigt, das Auswahlverfahren auszusetzen. Daraufhin hat der Arbeitgeber sich bereit erklärt, vielleicht noch den einen oder anderen schwerbehinderten Menschen einzuladen, wenn ich das Auswahlverfahren nicht verzögern würde. Ich habe das Auswahlverfahren ausgesetzt, der Arbeitgeber fährt trotzdem mit den Auswahlgesprächen fort.

Derzeit schreibe ich eine weitere Stellungnahme. Habe ich mich irgendwie verrannt?

Viele Grüße und vielen Dank für eure Mühe mit mir,

Ralf :-)

Informaton und Beteiligung am Auswahlverfahren

Hendrik1, Niedersachsen, Monday, 04.03.2019, 14:08 (vor 1886 Tagen) @ Schnarchi-x

Moin Moin Ralf,

Deine letzte Frage, ob Du Dich verrannt hast, beantwortet Radio Eriwan mit einem entschiedenen "Jein".

Ich würde einen anderen Weg empfehlen, den Du jetzt auch noch einschlagen kannst.

Der Arbeitgeber muss Dich über die Bewerbungen von Schwerbehinderten informieren (§164 SGB IX) und Du hast per Gesetz § 178, 3 SGB IX auf Einsicht in die Bewerbungsunterlagen. Da Du im öffentlichen Dienst arbeitest gilt auch der § 165, das Schwerbehinderte immer dann eingeladen werden müssen, wenn es nicht von vorne herein ersichtlich ist, dass die Stelle mit Ihnen nicht besetzt werden kann.
Daher kannst Du die Bewerbungen daraufhin prüfen, ob die Qualifikationen, die in der Ausschreibung genannt sind, bei diesen erfüllt sind und aufgrund der Gesetzeslage auf einer Einladung bestehen.

Eine Aussetzung, ohne eine solche Prüfung halte ich für kein geeignetes Mittel, da die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch, wenn sich z.B. ein Krankenpflegel auf eine Arztstelle bewirbt, tatsächlich entbehrlich ist.

Wichtig ist, die Prüfung bezieht sich nur auf die Ausschreibung, denn auf diesen Text hin haben sich die Menschen beworben.

Bei dem laufenden Antragsverfahren ist die Frage, ob bei Euch eine Inklusionsvereinbarung und/oder ein Schwerbehindertenerlass existiert, in der/m geregelt ist, dass Beschäftigte in einem solchen Verfahren vorläufig wie Schwerbehinderte zu behandeln sind. Dann wäre auch diese/r Kollege/in einzuladen, ansonsten nicht.

Sollte der /die Kollege/in im letzten Fall, in dem die Kriterien der Schwerbehinderung nicht erfüllt sind, aus gesundheitlichen Gründen einen neuen Arbeitsplatz benötigen, und ist hierzu im BEM bei Euch etwas geregelt, dann würde ich dieses an den PR abgeben, mit der Anregung, dass dieser bei vorliegender Eignung auf einer Einladung besteht.

Ich hoffe, ich konnte Dir helfen.

Hendrik
Ps: Für mich liest sich das, als wärest Du ggf. neu im Amt. Mach eine Schulung bzw. berate Dich bei erfahrenen Kräften, bevor Du mit solchen Fettnäpfchen um Dich wirfst.

Informaton und Beteiligung am Auswahlverfahren

Schnarchi-x, Hamburg, Monday, 04.03.2019, 15:11 (vor 1886 Tagen) @ Hendrik1

Moin Hendrik,

vielen Dank für deine schnelle Antwort. :-)

Der Arbeitgeber muss Dich über die Bewerbungen von Schwerbehinderten informieren (§164 SGB IX) und Du hast per Gesetz § 178, 3 SGB IX auf Einsicht in die Bewerbungsunterlagen. Da Du im öffentlichen Dienst arbeitest gilt auch der § 165, das Schwerbehinderte immer dann eingeladen werden müssen, wenn es nicht von vorne herein ersichtlich ist, dass die Stelle mit Ihnen nicht besetzt werden kann.
Daher kannst Du die Bewerbungen daraufhin prüfen, ob die Qualifikationen, die in der Ausschreibung genannt sind, bei diesen erfüllt sind und aufgrund der Gesetzeslage auf einer Einladung bestehen.

Eine Aussetzung, ohne eine solche Prüfung halte ich für kein geeignetes Mittel, da die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch, wenn sich z.B. ein Krankenpflegel auf eine Arztstelle bewirbt, tatsächlich entbehrlich ist.

Wichtig ist, die Prüfung bezieht sich nur auf die Ausschreibung, denn auf diesen Text hin haben sich die Menschen beworben.

Das zumindest 3 der schwerbehinderten Menschen hätten eingeladen werden müssen, ergab sich bereits direkt aus der Synopse des Arbeitgebers.

Bei dem laufenden Antragsverfahren ist die Frage, ob bei Euch eine Inklusionsvereinbarung und/oder ein Schwerbehindertenerlass existiert, in der/m geregelt ist, dass Beschäftigte in einem solchen Verfahren vorläufig wie Schwerbehinderte zu behandeln sind. Dann wäre auch diese/r Kollege/in einzuladen, ansonsten nicht.

Weder in unserer Inklusionsvereinbarung noch in unserem Teilhabeerlass ist eine derartige Regelung enthalten. Sie war bei uns bisher auch schlicht nicht erforderlich, da der Umgang miteinander ausgesprochen gut klappte. So konnte ich in den letzten Jahren viel für die schwerbehinderten und ihnen gleichgestellte Menschen erreichen. Seit wir allerdings eine neue Leitung haben, die nun auch noch ständig mit unserem PR im Clinch liegt, wirkt sich das Ganze auch zunehmend negativ auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und SBV aus.

Sollte der /die Kollege/in im letzten Fall, in dem die Kriterien der Schwerbehinderung nicht erfüllt sind, aus gesundheitlichen Gründen einen neuen Arbeitsplatz benötigen, und ist hierzu im BEM bei Euch etwas geregelt, dann würde ich dieses an den PR abgeben, mit der Anregung, dass dieser bei vorliegender Eignung auf einer Einladung besteht.

Nein. Diese Person ist eine externe Bewerberin.

Ich hoffe, ich konnte Dir helfen.

Das hast du auf jeden Fall. :-)

Ps: Für mich liest sich das, als wärest Du ggf. neu im Amt. Mach eine Schulung bzw. berate Dich bei erfahrenen Kräften, bevor Du mit solchen Fettnäpfchen um Dich wirfst.

Ich bin seit 22 Jahren neu im Amt, und davon die letzten 6 Jahre im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft. Aber manchmal habe ich das Gefühl, betriebsblind zu werden. ;-)
Außerdem hätte ich mir wirklich einen ruhigeren Abgang in den Ruhestand (in 3 Monaten) gewünscht. :-(

Vielen Dank für deine Hilfe,

Ralf

Informaton und Beteiligung am Auswahlverfahren

Hendrik1, Niedersachsen, Tuesday, 05.03.2019, 06:31 (vor 1885 Tagen) @ Schnarchi-x

Moin Moin Ralf,

sorry für meine falsche Schlussfolgerung bezüglich Deiner SBV Tätigkeit.

Wenn der Arbeitgeber das Verfahren trotz Aussetzung weiter betreibt, behindert er aus meiner Sicht die SBV Arbeit. Da Du in einer Behörde arbeitest, gibt es vermutlich eine Hauptschwerbehindertenvertretung. Zudem ist bei Einstellungen der Personalrat in der Mitbestimmung und es muss zum Nichteinigungsverfahren kommen, wenn der Personalrat aufgrund formaler Fehler eine Einstellung ablehnt.

Ich würde zudem wegen Behnderung im Amt - da eine ausgesetzte Maßnahme weiter betrieben wird - ankündigen, auf Kosten des Arbeitgebers eine Rechtsberatung einzuholen, zudem die Hauotvertrauensperson und die Beauftragte des Bundeslandes für Menschen mit Behinderungen und das Integrationsamt über diese rechtswidrige Vorgehensweise zu informieren.

Mal schauen, ob der Arbeitgeber diese öffentliche PR Aktion mag .....

Liebe Grüße

Hendrik

Informaton und Beteiligung am Auswahlverfahren

Schnarchi-x, Hamburg, Tuesday, 05.03.2019, 09:09 (vor 1885 Tagen) @ Hendrik1

Moin Hendrik,

vielen Dank für deine frühe Antwort. :-)

sorry für meine falsche Schlussfolgerung bezüglich Deiner SBV Tätigkeit.

Kein Problem, ich habe herzlich gelacht. :-)

Wenn der Arbeitgeber das Verfahren trotz Aussetzung weiter betreibt, behindert er aus meiner Sicht die SBV Arbeit.

Vielen Dank für deine Einschätzung. Genau da war die Stelle, an der ich mir nicht ganz sicher war. So passiert es mir ja auch das erste Mal, ich hätte gut darauf verzichten können.

Wir haben zur Zeit leider keine Gesamtvertrauensperson, die alte Gesamtvertrauensperson hat das Amt durch Fristablauf verloren, das Wahlverfahren läuft derzeit. Sonst hätte ich den Vorstand damit beschäftigt. Der Personalrat steht natürlich Gewehr bei Fuß.

Einen Rechtsbeistand wollte ich hinzuziehen, wenn die kommende Aktion nichts bringt:

Ich werde die obersten Leitungen auf - in deiner Sprache Staatssekretärsebene - anschreiben, ihnen den Sachverhalt mitteilen und um eine sofortige Lösung des Problems bitten. Gleichzeitig bitte ich unsere Senatskoordinatorin (vielen Dank für den guten Hinweis!), das Integrationsamt und den Personalrat um Unterstützung. Beim derzeitigen Verhältnis Arbeitgeber - Personalrat wartet unser Personalrat nur auf solche Steilvorlagen.

Das Schreiben habe ich gestern vorbereitet. Ich musste mir nur heute die Bestätigung des am Auswahlverfahren beteiligten Personalratsmitglieds einholen, dass das Verfahren tatsächlich fortgeführt wurde, nicht dass ich da sonst dem Arbeitgeber ins Messer laufe.

Mal schauen, ob der Arbeitgeber diese öffentliche PR Aktion mag .....

Mein Arbeitgeber wird mich in meinen letzten ca. 36 Arbeitstagen hassen und wenn ich gehe hinter mir den roten Teppich ausrollen. Aber wenn ich damit meinen beiden Vertretern die Tür öffne und verhindere, dass der Arbeitgeber mit ihnen erneut "Spielchen spielt", dann habe ich schon eine ganze Menge gewonnen. :-)

Nochmals vielen Dank :-)

Ralf

Vorstellungsgespräche

Cebulon, Tuesday, 05.03.2019, 11:55 (vor 1885 Tagen) @ Schnarchi-x

Das zumindest 3 der schwerbehinderten Menschen hätten eingeladen werden müssen, ergab sich bereits direkt aus der Synopse.

Hallo Schnarchi,

das ist dilettantische Verfahrensdiskriminierung, vorsätzlicher Rechtsbruch, Dienstvergehen bzw. sowieso SBV-Behinderung, sofern die wohl neue verbeamtete (?) Leitung bewusst sbM nicht einlädt oder nicht einladen lässt, soweit sb Bewerber das Anforderungsprofil dieser Stellenausschreibung erfüllen und nicht offensichtlich ungeeignet sind.

Sollten diese schwerbehinderten/gleichgestellten Bewerber AGG-Entschädigung fristgerecht wegen Verfahrensdiskriminierung einklagen beim ArbG, wird das öffentlich beim ArbG verhandelt mit wohl vergleichsweise hoher Entschädigung (pro Fall) wegen systematischer, bewusster und mehrfacher Diskriminierung. Solche Gerichtsverhandlungen werden wohl auch die Lokalpresse interessieren.

Ich habe das Auswahlverfahren ausgesetzt, der AG fährt trotzdem mit Auswahlgesprächen fort.

Kann mir nicht vorstellen, dass die neue Leitung über die Einstellung entscheidet, ohne die sbM einzuladen, da sie sich ja sonst gleich mehrfach angreifbar machen würde (Personalrat bzw. ggf. Disziplinarverfahren). Ob SBV eine Fortführung von Vorstellungsgesprächen an sich aussetzen kann, das erscheint mir eher fraglich.

Sollte aber die neue Leitung meinen, dass eine "Vorauswahl" von Vorstellungsgesprächen sbM generell entbindet nach § 165 SGB IX, so dürfte sich Hamburg wohl auf dem "Holzweg" befinden nach der Rechtsprechung (Teilhabeerlass 2012 HH, S. 11/12, zur "Vorauswahlentscheidung"). Manche brauchen etwas länger, aber nach der ersten AGG-Entschädigung kapieren das alle.

Gruß,
Cebulon

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