Arbeitsplätze für Schwerbehinderten Menschen (Einstellung)

Pernille, Sunday, 23.06.2019, 13:35 (vor 1784 Tagen)

Mit dem Betriebsrat habe ich morgen "Hauruck" eine Einladung erhalten.
Wir wollen mit dem AG darüber reden, wie die Personalplanung aussieht.

Die Situation sieht wie folgt aus:

Der AG hat in den letzten vier Jahren eine intransparente Einstellungstop eingeführt. Wenn ein Mitarbeiter in Rente geht wir dieser MA nicht ersetz. Die Aufgaben bestehen weiterhin und werden verteilt auf den Schultern von anderen.
Das Ergebnis nach vier Jahren ist nun Überlastungssituationen. Der BR hat hier nichts gemacht. Die Situation hat sich einfach entwickelt. Es werden nun Mehrarbeit ohne Ende gemacht. Die MA können diese Zeit nicht als Freizeitausgleich nehmen. Und langsam merkt man, wie extrem die Situation ist. Das fällt nun auch den Betriebsrat auf.

Die Übersicht der Mehrarbeitsstunden (die ich bekommen habe) ergibt in Stunden umgerechnet mehrere Arbeitsplätze. Ich interpretiere diese als "noch nicht existierende Arbeitsplätze für schwerbehinderten Menschen". Meine Aufgaben als SBV beinhaltet auch (dachte ich) darüber zu wachen, ob Arbeitsplätze für schwerbehinderten Menschen im Unternehmen da sind. Nun habe ich einen Zweifel, weil ich kein Paragraph dazu finden kann, dass dies zu meinen Aufgaben tatsächlich gehört.

Kann jemand mir hier auf die schnelle helfen?

Arbeitsplätze für Schwerbehinderten Menschen

garda, Berlin, Monday, 24.06.2019, 07:53 (vor 1783 Tagen) @ Pernille

Die Übersicht der Mehrarbeitsstunden (die ich bekommen habe) ergibt in Stunden umgerechnet mehrere Arbeitsplätze. Ich interpretiere diese als "noch nicht existierende Arbeitsplätze für schwerbehinderten Menschen". Meine Aufgaben als SBV beinhaltet auch (dachte ich) darüber zu wachen, ob Arbeitsplätze für schwerbehinderten Menschen im Unternehmen da sind. Nun habe ich einen Zweifel, weil ich kein Paragraph dazu finden kann, dass dies zu meinen Aufgaben tatsächlich gehört.

Kann jemand mir hier auf die schnelle helfen?

Hallo Pernille,

da magst du rechnerisch und moralisch recht haben aber du wirst keinen passenden Paragraphen finden aus dem sich eine Pflicht herauslesen lässt. Erst wenn der AG Arbeitsplätze besetzen will, greifen unsere Rechte nach dem SGB 9.

Nach dem Erwachen sollte euer BR mal aktiv werden und die Mehrarbeit stoppen. Wenn weder bezahlt wird, noch abgebummelt werden kann/darf ist das rechtlich so nicht in Ordnung. Ich habe einen Vertrag für zum Beispiel 40 Stunden und nicht für 45 und von Notfall kann man ja wohl nicht reden.

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Mit freundlichen Grüßen

Michael

Arbeitsplätze für Schwerbehinderten Menschen

WoBi, Monday, 24.06.2019, 12:12 (vor 1783 Tagen) @ Pernille

Hallo Pernille,

die Rechte von SBV/BR nach § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in Verbindung mit § 164 Abs. 1 Satz 6 SGB IX greifen erst, wenn der Arbeitgeber einen neuen Arbeitsplatz schaffen, oder einen vorhanden freien / freiwerdenden wiederbesetzen will.

Der BR sollte sich mit dem § 92 BetrVG zur Vorbereitung beschäftigen.

Der durch das BTHG in § 92 BetrVG eingefügte 2. Satz in Absatz 3 erweitert die Rechte des BR aus den Absätzen 1 + 2 ausdrücklich auf schwerbehinderte Menschen durch die einleitenden Worte „Gleiches gilt“.
Es wird erneut auf die in den allgemeinen Aufgaben in § 80 BetrVG für den BR geänderten Aufgaben für schwerbehinderte Menschen verwiesen. Dies aber unter dem, den § 92 tragenden, Fokus der Personalplanung.
Zahlen über einen künftigen Personalbedarf, damit z.B. eine langfristige barrierefreie Planung erfolgen kann? Also eine Planung auf den einzelnen Arbeitsplatz heruntergebrochen.

Aus eigener Erfahrung konnte ich den Eindruck gewinnen, dass hier Unternehmen hemdsärmelig ohne Plan agieren. Dies vor allem dann, wenn Interessensvertretungen Zahlen vom Arbeitgeber wollen.

Weiter wurde durch das BTHG der § 80 und § 88 BetrVG für die Eingliederung von schwerbehinderten Menschen ergänzt. Von den „unscheinbaren“ Änderungen im BetrVG dürfte diese die bedeutendste sein. Hier bekommt der BR einen Hebel in Verbindung mit § 164 Abs. 1 SGB IX, um an die Informationen der Personalplanung zu gelangen. Eine gute Zusammenarbeit zwischen SBV und BR vorausgesetzt.

Vielleicht sind diese drei Änderungen im BetrVG am BR vorbeigegangen?

Weiter kann der BR auf die Genehmigungspflicht von Mehrarbeit im Rahmen der Mitbestimmung hinweisen. Und dass ungenehmigte Mehrarbeit nicht zu leisten ist und der BR dieses als Thema in der nächsten Betriebsversammlung machen wird.
Der BR kann sich die Stundenaufzeichnungen der Mitarbeiter vorlegen lassen.
Überschreitungen der Höchstarbeitszeiten und die Nichteinhaltung der Ruhezeiten nach dem Arbeitszeitgesetz ggf. feststellen.
Sich Maßnahmen zum Gesundheitsschutz aufzeigen und Überlastungsanzeigen vorlegen lassen.
Seinen Blickwickel verstärkt auf die Einhaltung von Gesetzen, Tarifverträge und Vorschriften zu lenken, damit die zu leistende Arbeitsinhalte so geplant werden, dass die geforderte Arbeitsleistung bei angemessener Anspannung der geistigen und körperlichen Kräfte auf Dauer ohne Gefährdung der Gesundheit in der normalen Arbeitszeit zu leisten sind. Denn grundsätzlich ist ein Arbeitnehmer nur verpflichtet, eine Arbeitsleistung mittlerer Art und Güte zu erbringen.
Mehrarbeit sollen „Spitzen“ ausgleichen und sind kein Dauerersatz für eine zu geringe Personaldecke.
Mit Genehmigungen für Mehrarbeit "sorgsam" umgehen und sich die Erforderlichkeit darlegen lassen. Schlechtes Personalmanagement ist kein Grund, um das vorhandene Personal auf "Verschleiß" zu beanspruchen.

Das sind Handlungsbeispiele für einen BR. Wenn das Gremium handeln will, kann es seine Handlungsoptionen gegenüber dem Arbeitgeber aufzeigen und wenn erforderlich ggf. auch umsetzen.

Die SBV kann die (schwer-)behinderten Kolleginnen und Kollegen über die Möglichkeit von § 207 SGB IX aufklären.

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Gruß
Wolfgang

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