Neuwahl bei neuer Struktur (Gesamt-Konzern-SBV)

Falk, Tuesday, 09.07.2019, 13:35 (vor 1763 Tagen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
seit Januar dieses Jahres bin ich die von den 5 örtlichen SBV'en gewählte Vertrauensperson der GSBV in unserer Behörde. Nun stehen im Mai 2020 neue Personalratswahlen an, womit sich ziemlich sicher eine neue Struktur herausbilden wird, weil sich einzelne - bisher nicht verselbständigte - Dienststellen verselbständigen werden. Somit wäre an diesen "neuen" Dienststellen jeweils eine neue örtliche SBV zu wählen, wenn denn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Meine Frage ist jetzt: Muss vor diesem Hintergrund die GSBV dann auch neu gewählt werden? Oder übernimmt die bisherige GSBV die neu verselbständigten Standorte, an denen es keine örtliche SBV geben wird?
Danke und viele Grüße!

Neuwahl bei neuer Struktur

WoBi, Tuesday, 09.07.2019, 17:05 (vor 1762 Tagen) @ Falk

Hallo Falk,

die GSBV wurde „indirekt“ durch die Wahlberechtigten über die gewählten örtlichen SBV gewählt. Die Amtszeit ist in § 177 Abs. 7 i.V.m. § 180 Abs. 7 SGB IX festgelegt.
Daran ändert sich nach § 177 Abs. 7 Satz 3 SGB IX nichts, wenn weitere SBV nach der Wahl dazukommen.

Durch die Verselbstständigung können ggf. weitere örtliche SBV gewählt werden. Die Einleitung der örtlichen Wahlen, nach Prüfung der Wahlvoraussetzungen, ist eine der Aufgaben der GSBV. Kann keine SBV gewählt werden, ist die GSBV (weiterhin) zuständig.

Sollten die neu gewählten SBV mit der Arbeit der GSBV nicht einverstanden sein, kann analog nach § 177 Abs. 7 Satz 5 SGB IX gehandelt werden.

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Gruß
Wolfgang

Neuwahl bei neuer Struktur

Falk, Wednesday, 10.07.2019, 15:51 (vor 1761 Tagen) @ WoBi

Danke Wolfgang!
Gedacht habe ich mir das fast; sehr hilfreich sind für mich nochmal die Verweise auf die entsprechenden Paragrafen des SGB IX!

Neuwahl bei neuer Struktur

Cebulon, Wednesday, 10.07.2019, 17:39 (vor 1761 Tagen) @ WoBi

Die Einleitung der örtlichen Wahlen, nach Prüfung der Wahlvoraussetzungen, ist eine der Aufgaben der GSBV.

Hallo Wolfgang, das ist die ewige Streitfrage und strittig in Literatur, ob dem so ist oder nicht. Dafür BIH, a.A. aber Düwell und Wiegand/Hohmann, wonach Fall des § 1 Abs. 2 SchwbVWO oder § 19 Abs. 2 SchwbVWO.

Gruß,
Cebulon

Neuwahl bei neuer Struktur

WoBi, Wednesday, 10.07.2019, 19:25 (vor 1761 Tagen) @ Cebulon

Hallo Cebulon,

ich sehe in dieser Fragestellung eine vergleichbare Situation wie bei der Wahl einer GSBV in einer Wahlversammlung vor den Änderungen durch das BTHG. Hier hat nach der Rechtspyramide das Gesetz über der Verordnung gestanden.

Dementsprechend sehe ich § 180 Abs.6 Satz 1 SGB IX vorrangig gegenüber der SchwbVWO

Die Gesamtschwerbehindertenvertretung vertritt die Interessen der schwerbehinderten Menschen in Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe oder Dienststellen des Arbeitgebers betreffen und von den Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Betriebe oder Dienststellen nicht geregelt werden können, sowie die Interessen der schwerbehinderten Menschen, die in einem Betrieb oder einer Dienststelle tätig sind, für die eine Schwerbehindertenvertretung nicht gewählt ist; dies umfasst auch Verhandlungen und den Abschluss entsprechender Inklusionsvereinbarungen.“

Damit kommt der GSBV die Rechtsstellung zu, welche eine SBV hätte, an deren Stelle die GSBV tätig wird. Eine Zuständigkeit der GSBV ist gegeben, wenn in einem Betrieb / einer Dienststelle eine SBV nicht gewählt werden kann oder (noch) nicht gewählt worden ist, wenn eine Wahl möglich gewesen wäre.

Deshalb hat die GSBV die Wahlvoraussetzungen regelmäßig zu prüfen und dann auf eine Wahl einer örtlichen SBV, analog einer Erstwahl, hinzuwirken. Also zu einer Wahlversammlung oder einer Wahl eines Wahlvorstandes einzuladen.
Diese Verhaltensweise halte ich zum Eigenschutz der GSBV für erforderlich, um die Arbeitsbelastung zu senken. Es geht an die Substanz mehrere Betriebe, teilweise mit 400 – 600 km Distanz zu betreuen.

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Gruß
Wolfgang

Neuwahl bei neuer Struktur

Cebulon, Wednesday, 10.07.2019, 20:33 (vor 1761 Tagen) @ WoBi

Deshalb hat die GSBV die Wahlvoraussetzungen regelmäßig zu prüfen und dann auf eine Wahl einer örtlichen SBV, analog einer Erstwahl, hinzuwirken.

Ja klar! Darauf hinwirken analog § 176 SGB IX ist das eine, initiieren per Bestellung oder einleiten per Einladung laut der SchwbVWO das andere.

Also zu einer Wahlversammlung oder einer Wahl eines Wahlvorstandes einzuladen.

Das wäre aber so nicht stringent: Wenn Einladung zur Wahlversammlung bei vereinfachten Wahlen (§ 19 Abs. 1 SchwbVWO) – dann wäre doch folglich nur konsequent die Bestellung des Wahlvorstands bei förmlicher Wahl durch die GSBV (§ 1 Abs. 1 SchwbVWO), oder? Warum sollte hier „rechtsvergleichend“ nur in einem Fall der Abs. 1 anwendbar sein bei vereinfachter Wahl - im anderen Fall aber nicht bei förmlichen Wahlen?

Konsequent wär‘s m.E. dann und nur dann, wenn in beiden Fällen der Absatz 1 greift oder in keinem der Fälle, aber nicht mal so und mal so – weil sonst nur beliebig.

Die Regelung in § 19 SchwbVWO ist „abschließender Natur“, weitere Stellen sind deshalb „nicht einladungsbefugt“ (so Wiegand/Hohmann, SchwbVWO, § 19 Rn. 19 und 21). Gleiches gilt sinngemäß für förmliche Wahlen nach § 1 SchwbVWO.

Gruß,
Cebulon

Neuwahl bei neuer Struktur

albarracin, Baden-Württemberg, Thursday, 11.07.2019, 08:45 (vor 1761 Tagen) @ Cebulon

Hallo Cebulon,

ich verstehe Deinen Einwand nicht so ganz.

Düwell selbst befasst sich in seinem Kommentar doch nicht enger mit dem Wahlrecht.

Dieser Teil wird von Sachadae kommentiert und der bejaht das Initiativrecht der GSBV (Versammlungseinladung) im Rahmen der Ersatzvertretung für beide Wahlen ausdrücklich.
(LPK SGB-IX, Sachadae, § 1 SchwbVWO Rn 35 bzw. § 19 SchwbVWO Rn 24f)

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&Tschüß

Wolfgang

Neuwahl bei neuer Struktur

Cebulon, Thursday, 11.07.2019, 16:02 (vor 1760 Tagen) @ albarracin

Dieser Teil wird von Sachadae kommentiert und der bejaht das Initiativrecht der GSBV (Versammlungseinladung) im Rahmen der Ersatzvertretung für beide Wahlen ausdrücklich. (LPK-SGB IX, Sachadae, § 1 SchwbVWO Rn 35 bzw. § 19 SchwbVWO Rn 24)

Hallo, bei diesen Punkten sind sich die Wahl-Experten offenbar uneins: Sachadae schreibt in der zitierten Rn. 24 zu dem § 19 SchwbVWO in der Fußnote 35: „a.A. wohl Hohmann in Wiegand/ Hohmann, § 20 Rn. 19, der weitere Einladungsberechtigte generell ausschließt.“ Hier zeigt sich m.E. exemplarisch, wie lückenhaft und wie unausgereift und reformbedürftig diese Wahlordnung teils ist. Sachadae geht wohl von unbeabsichtigter Lücke aus bei seiner Auslegung – Hohmann hingegen nicht in Wiegand / Hohmann, § 1 Rn. 37, zur Rechtsfrage der Befugnis der GSBV, wonach diese „nicht die Einladungskompetenz bezüglich einer Versammlung zur Wahl des Wahlvorstands“ umfasse für örtliche SBV-Wahl – unter Verweis auf Cramer, SchwbG, § 1 SchwbWO Rn. 1.

Viel weitergehender Pahlen in Neumann/Pahlen, § 177 Rn 34: „Wenn anstelle einer SBV eine GSBV den Betrieb oder die Dienststelle zu betreuen hat (§ 180 Abs. 6), kann auch diese den Wahlvorstand bestellen.“ So auch die BIH-Broschüre auf Seite 47, wonach ggf. die GSBV vorrangig einen „Wahlvorstand zu bestellen“ habe für erstmalige Wahl einer örtlichen SBV. Danach gäbe es wohl fünf Auslegungs-Varianten (zwei für die vereinfachte Wahl - und drei für die förmliche). Bei förmlicher Wahl also hinwirken oder laden oder gar bestellen?

Rein „praxisorientiert“ wäre diese Auslegung von Sachadae natürlich klar vorzuziehen, aber ganz logisch-konsequent erscheint mir diese wahlordnungsrechtlich nicht: Denn mir leuchtet nicht ein, dass im einen Fall dieser § 19 Abs. 1 SchwbVWO (voll) ziehen soll, im anderen Fall der § 1 Abs. 1 SchwbVWO aber nicht, da sonst m.E. widersprüchlich bzw. vergleichsweise inkonsequent. Ich kann nicht erkennen, wie die unterschiedliche Handhabung sachlich zu rechtfertigen wäre.

Konsequent wär‘s m.E dann und nur dann, wenn in beiden Fällen der Absatz 1 greift - oder in keiner der beiden Konstellationen, aber nicht mal so und mal so – weil sonst nur x-beliebig!

Die Regelung in § 19 SchwbVWO ist „abschließender Natur“, weitere Stellen sind deshalb „nicht einladungsbefugt“ (so Wiegand/Hohmann, SchwbVWO, § 19 Rn. 19 und 21). Gleiches gilt sinngemäß für förmliche Wahlen nach § 1 SchwbVWO. Demnach in diesen beiden Fällen keine GSBV-Einladungsbefugnis laut Hohmann! Das erscheint schlüssig! Die Bestellbefugnis nach BIH-Wahlbroschüre und Pahlen ist in jedem Fall abzulehnen - weil es dafür keine sachliche Rechtfertigung gibt. Dazu bedürfte es einer Rechtsänderung.

Gruß,
Cebulon

Neuwahl bei neuer Struktur

WoBi, Thursday, 11.07.2019, 12:04 (vor 1761 Tagen) @ Cebulon

Hallo Cebulon,

eine SBV ist eine eigenständige und unabhängige betriebliche Interessensvertretung. Eine SBV kann unabhängig von einem Vorhandensein eines BR/PR bestehen. Die Wahl einer SBV kann nicht (zeitlich) von der Wahl eines BR/PR abhängen.
Die Anzahl der Wahlberechtigten in einem Betrieb/einer Dienststelle hat der Arbeitgeber der GSBV mitzuteilen. Damit kann die GSBV die grundsätzliche Art der Wahldurchführung anhand <50 Wahlberechtigte erkennen.

Die GSBV hat die gleiche Rechtstellung wie eine örtliche SBV, ist aber nur ersatzweise / vorrübergehend für den SBV-losen Betrieb zuständig. Die ersatzweise Zuständigkeit der GSBV endet mit der Wahl einer örtlichen SBV.
Die Amtszeit als zuständige SBV im SBV-losen Betrieb als GSBV ist ständig am Ablaufen.
Somit sind die zeitlichen Voraussetzungen für die Einberufung einer Wahlversammlung nach § 19 SchwbVWO oder die Bestellung eines Wahlvorstandes nebst Vorsitzenden nach § 1 Abs. 1 SchwbVWO durch die GSBV gegeben.

Doch ist die GSBV eine „betriebsfremde“ Person, ggf. räumlich weit von dem Betrieb entfernt und ohne spezifische innerbetriebliche Kenntnisse. An einen Wahlvorstand werden hohe Anforderungen gestellt, um eine ordnungsgemäße und rechtsichere Wahl durchzuführen. Hier hat die GSBV eine Verantwortung. Diese kann ggf. eine GSBV aus der Distanz mit einer Bestellung nicht leisten.

Dem demokratischen Grundgedanken folgend sind der Souverän einer Wahl die Wahlberechtigten. Sie sollten Herr ihrer eigenen Geschicke sein. Die Wahlberechtigten bekommen die betriebliche Interessensvertretung, die sie gewählt haben.

In der Wahlversammlung im vereinfachten Verfahren wählen die Wahlberechtigten die Wahlleitung.
In einer Versammlung zur Wahl des Wahlvorstandes wählen die Wahlberechtigten den Wahlvorstand und den Vorsitzenden / die Vorsitzende.

Also die Person/Personen, die die Wahl der Vertrauensperson und ggf. der Stellvertreter leitet/leiten. Das ist direkte Demokratie.

Zur rechtlichen Absicherung wurde z.B. die Einladung zur Versammlung in Einvernehmen mit dem örtlichen BR mit zwei Unterschriften (GSBV/BR) durchgeführt, als eine gewählte Vertrauensperson ohne Stellvertretung keine SBV-Wahl vor ihrem Firmenaustritt eingeleitet hat.
Diese Vorgehensweise dürfte auch mit dem GBR für einen BR-losen und SBV-losen Betrieb möglich sein. Da der GBR für den BR-losen Betrieb zuständig ist.

Hier ist aber zusätzlich bei Betrieben nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) die Erweiterung durch das BTHG in § 177 Abs. 8 SGB IX mit dem Übergangsmandat nach § 21a BetrVG zu beachten. Denn dann ist die "alte" SBV für den abgespalteten Betrieb ggf. zuständig.

--
Gruß
Wolfgang

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