Bewerbung eines Ausländischen Menschen mit Einschränkung (Einstellung)

Rallebu, Thursday, 30.04.2020, 09:15 (vor 1463 Tagen)

Wir sind ein Internationaler mittelständiges Unternehmen. In unseren Unternehmensteilen hier in Deutschland Bewerben sich auch Menschen aus dem Ausland. Es kann auch vorkommen, dass es Menschen gibt, die sich bewerben und eine körperliche Einschränkung haben. Es gibt wie in jeden Unternehmen üblich immer Streit zwischen den Vertrauensleuten der Schwerbehinderten und dem Unternehmen über den Informationsfluss.

Frage 1: Was würde passieren, wenn ein ausländischer Bewerber sich in einem Deutschen Unternehmen Bewirbt und dieser eine körperliche Einschränkung besitzt wie ist dieser einzustufen?

Den Begriff der Schwerbehinderung und seine Abstufungen sind in der EU und in Deutschland bekannt und es ist im SGB IX fixiert, aber es gibt ja noch mehr Menschen auf der Welt.

Frage 2: Wie verhält es sich im Allgemein, wenn diese Menschen sich bei uns in Deutschland bewerben, was sollen die in der Bewerbung schreiben und im elektronischen Bereich was soll dort angegeben werden?

Gibt es Länder (nicht EU) die auch die Abstufung (GDB) der Behinderung und der Schwerbehinderung. Wohl eher nicht. Wie sieht es mit den Rechten der Schwerbehindertenvertretung aus? Wo fangen diese an? Ich bin der Meinung, dass wir in das Bewerbungsprocedere mit involviert werden müssen da es in Deutschland stattfindet und es egal ist, wer und woher ein Bewerber kommt. Wichtig ist die Angabe, dass er behindert ist.. nur es heißt ja für die Rechte der Schwerbehinderten und ihnen Gleichgestellten... Also bekomme ich vom Unternehmen „nur“ die Bewerbungen in dem entweder eine Gleichstellung oder einen GDB ab 50 hinterlegt wurde.
Das Beispiel wie kann ich einen indischen Menschen der keine Beine mehr hat im Vorfeld Einstufen). Über die fachliche Kompetenz wird nicht diskutiert die ist vorhanden es geht alleine nur um die Info „das dieser Mensch sich Beworben hat“ (dieser aber nicht weis wie hoch sein GDB ist und was ein GDB überhaupt ist) und die benötige ich vom Unternehmen.
Gibt es Urteile oder andere Information zu diesem Thema? Ich habe nichts Brauchbares gefunden...

Bewerbung eines Ausländischen Menschen mit Einschränkung

garda, Berlin, Thursday, 30.04.2020, 10:25 (vor 1463 Tagen) @ Rallebu

Hallo,

der Blick ins Gesetz fördert die Rechtskenntnis:

SGB IX, § 2
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

Jemand der sich aus dem Ausland bewirbt kann sich nicht auf die Schutzrechte des SGB 9 berufen. Dieses Wort haben schließt das erlangen wollen nicht ein.

Auf die UN-Behindertenrechtskonvention kann sich hingegen jeder Mensch berufen. Es ist aber im Einzelfall schwer, konkrete Rechte, schon gar für eine SBV aus ihr abzuleiten.

Jetzt aber mal ganz klar zu deiner weiteren Frage: hast du ernsthaft erwartet, dass dir hier jemand die Rechtslage in allen Staaten der EU plus weiteren Staaten darlegt?

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Mit freundlichen Grüßen

Michael

Bewerbung eines Ausländischen Menschen mit Einschränkung

Rallebu, Thursday, 30.04.2020, 10:37 (vor 1463 Tagen) @ garda

Nein das erwarte ich nicht, ich möchte einfach nur die Information haben, dass sich jemand Bewirbt der eine Einschränkung hat damit ich etwaige schritte einleiten kann. z.b. Umgestaltung des Arbeitsplatzes etc..
Der Rest ist mir schon klar, aber wie kann ein Bewerber es kenntlich machen wie hoch sein Grad ist. Sonst bekommen wir SBV nie die Information das es Bewerber gibt. Ich war der Hoffnung das, wenn sich jemand in Deutschland Bewirbt, dass dann schon Deutsche Recht zieht. Also Information an die SBV. Mehr nicht.

Bewerbung eines Ausländischen Menschen mit Einschränkung

Vertigo, Saarland, Thursday, 30.04.2020, 11:27 (vor 1463 Tagen) @ Rallebu

Hallo Rallebu,

wenn der indische Bewerber, der wohl keinen anerkannten GdB hat (gibt es in Indien vermutlich auch nicht), sich bewirbt, zählt er laut §2, den garda schon benannt hat, nicht zu den Menschen, die ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihren Arbeitsplatz im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
Das heißt, für ihn gilt nicht das SGB IX, da er außerhalb des Geltungsbereiches ist und seine Schwerbehinderung hier nicht anerkannt..

Meines Erachtens muss der Arbeitgeber dich da auch nicht informieren.
Ein Recht, dich zu beteiligen, hast du denke ich mal, vorher nicht.

Aber wenn der Arbeitgeber trotzdem ein großes Interesse hätte, den indischen Bewerber einzustellen, weil er vielleicht keinen anderen geeigneten findet, oder er hält ihn für am Besten geeignet, und lädt ihn freiwillig zum Vorstellungsgespräch ein, dann finde ich schon, dass es Sinn macht, die SBV auf freiwilliger Basis zu beteiligen.
Alleine schon deshalb, weil die Möglichkeiten eines leidensgerechten Arbeitsplatzes dann besprochen werden müssen.
Die Behinderung des Bewerbers ist zwar nicht anerkannt, jedoch offensichtlich, wenn er angibt, keine Beine mehr zu haben.
Hätte er einen Wohnsitz oder eine Arbeit in Deutschland, für das dieses Gesetzbuch gilt, würden die ganz normalen Vorschriften gelten.

Ich bin gespannt, wie das die anderen hier sehen!
Es ist schade, wenn sich Arbeitgeber und Mitarbeitervertretungen gegenseitig torpedieren.
So kann man leider für beide Seiten nicht viel erreichen.
Mit viel Diplomatie und netten, nicht vorhaltungsgemäßen Hinweisen kommt man meist weiter.
Ich weiß......klappt auch nicht immer......

schönen Feiertag und schönes Wochenende........bleibt gesund!

--
Gruß
Vertigo

Bewerbung eines Ausländischen Menschen mit Einschränkung

albarracin, Baden-Württemberg, Thursday, 30.04.2020, 12:01 (vor 1463 Tagen) @ Vertigo

Hallo,

ich sehe es nicht so einfach wie meine Vorschreiber.

Richtig ist, daß das Schwerbehindertenrecht auch in der EU der rein nationalen Gesetzgebung unterliegt und deswegen Übertragungen nicht möglich sind.

Allerdings kennt das deutsche Recht den Begriff der "offensichtlichen Schwerbehinderung", für den eine behördliche Feststellung gar nicht nötig ist und die trotzdem die Schutzrechte des Teil 2 des SGB IX auslöst. (LPK-SGB IX, Joussen, § 2 Rn 19, BAG vom 9.6.2011, 2 AZR 703/09).

Diese Schutzrechte gelten aber für Bewerber gleichartig wie für Beschäftigte. Deswegen bin ich der Meinung, daß bei einer "offensichtlichen Schwerbehinderung" iSd SGB IX, also einer deutlich wahrnehmbaren Behinderung, die nach deutschem Recht immer und zwingend zu einem GdB von mindestens 50 führen würde, auch die Schutzrechte für Bewerber immer in Anspruch genommen werden können.

Neben Gliederschäden fällt mir als eine offensichtliche Schwerbehinderung zB auch Blindheit oder aber ein Cochlea-Implantat ein.

--
&Tschüß

Wolfgang

Bewerbung eines Ausländischen Menschen mit Einschränkung

Monica99, Thursday, 30.04.2020, 14:41 (vor 1462 Tagen) @ albarracin

Hallo Wolfgang, Widerspruch. Auch bei offensichtlicher Schwerbehinderung, also ggf Menschen ohne Beine, gilt in dieser Phase nicht das SGB IX und die sich hieraus ergebenen Rechte und Pflichten. Dazu müsste er erst hier die Fakten lt. §2 erfüllen. Denn der Geltungsbereich des SGB IX ist im §2 abschließend geregelt.

--
mfg Monica

Bewerbung eines Ausländischen Menschen mit Einschränkung

albarracin, Baden-Württemberg, Friday, 01.05.2020, 12:32 (vor 1462 Tagen) @ Monica99

Hallo Monica,

ich sehe das keineswegs so eindeutig wie Du. Es ist zwar richtig, daß der § 2 eine Definition gibt.
Diese steht aber im Spannungsverhältnis zu § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG, der da besagt:
"Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis ..."
Auch die Kommentierung (ErfK, Schlachter, § 6 AGG Rn 3) betont, daß der "Schutz vor Benachteiligung" bereits ab "Anbahnung" des Arbeitsverhältnisses gelten muß, wobei "Anbahnung" auch Bewerbung bedeutet.

Deswegen bin ich mir gar nicht sicher, ob auch im Fall einer offensichtlichen Behinderung die restriktive Definition des § 2 SGB IX so anwendbar ist.

--
&Tschüß

Wolfgang

Bewerbung eines Ausländischen Menschen mit Einschränkung

Monica99, Friday, 01.05.2020, 13:22 (vor 1461 Tagen) @ albarracin

Hallo, das AGG hebelt NICHT das SGB IX aus. Der AG muss NUR alle Bewerber welche nicht unter das SGB IX § 2 fallen gleich behandeln.
Es gibt mehr Gesetze welche um in Anspruch genommen zu werden bestimmte Voraussetzungen erfordern.
Wenn ein AG einen Fahrer oder Piloten einstellen möchte und die Voraussetzung der Besitz eines Führerscheins / Pilotenschein ist kann er auch Bewerber ablehnen, welchen diesen nicht haben. Da kann ich auch nicht sagen AGG, oder ich mache diesen. Dann kommt die berechtigte Antwort des AG, erst machen und dann neu bewerben.

--
mfg Monica

Bewerbung eines Ausländischen Menschen mit Einschränkung

albarracin, Baden-Württemberg, Friday, 01.05.2020, 18:02 (vor 1461 Tagen) @ Monica99

Hallo,

Hallo, das AGG hebelt NICHT das SGB IX aus. Der AG muss NUR alle Bewerber welche nicht unter das SGB IX § 2 fallen gleich behandeln.

Schön, wenn Du Dir so sicher bist. Mir reichen allerdings einfache Behauptungen nicht aus. Es wäre schließlich nicht das erste mal, daß unterschiedliche Gesetze sich mit Begriffsbestimmungen aufeinander beziehen bzw. durch Rechtsprechung oder Kommentierung in Bezug gesetzt werden.

Es gibt mehr Gesetze welche um in Anspruch genommen zu werden bestimmte Voraussetzungen erfordern.
Wenn ein AG einen Fahrer oder Piloten einstellen möchte und die Voraussetzung der Besitz eines Führerscheins / Pilotenschein ist kann er auch Bewerber ablehnen, welchen diesen nicht haben. Da kann ich auch nicht sagen AGG, oder ich mache diesen. Dann kommt die berechtigte Antwort des AG, erst machen und dann neu bewerben.

Nur weil es hinkt, muß es kein Vergleich sein. Wir reden hier nicht über ungleiche Behandlung mit sachlichem Grund, das hat mit dem Ausgangsproblem nichts zu tun.

@Cebulon: Die EU kennt nur den Begriff der "Behinderung" in der EU-RL 2000/78. Allerdings haben die meisten EU-Länder dem deutschen Schwerbehindertenrecht vergleichbare nationale Regelungen. Auf EU-Ebene gibt es nur den EU-Parkausweis für Behinderte, der bei Erfüllung der nationalen Vorschriften für Parkerleichterungen beantragt werden kann.

--
&Tschüß

Wolfgang

Bewerbung eines ausländischen Menschen mit Einschränkung

Cebulon, Friday, 01.05.2020, 18:46 (vor 1461 Tagen) @ albarracin

@Cebulon: Die EU kennt nur den Begriff der "Behinderung" in der EU-RL 2000/78.

Völlig richtig. Und daran orientiert sich das AGG und der § 2 Abs. 1 SGB IX i.d.F. des Art. 1 BTHG.

Allerdings haben die meisten EU-Länder dem deutschen Schwerbehindertenrecht vergleichbare nationale Regelungen.

Davon habe ich bisher nichts gehört, wonach auch „die meisten EU-Länder vergleichbare Regelungen“ hätten zum deutschen Schwerbehindertenrecht. Kann man das auch irgendwo nachlesen, dass z.B. SB-Ausweis ab GdB 50 oder dass gewählte SBV? Welches Land soll das sein?

Gruß,
Cebulon

Bewerbung eines ausländischen Menschen mit Einschränkung

Cebulon, Friday, 01.05.2020, 13:00 (vor 1462 Tagen) @ Rallebu

Den Begriff der Schwerbehinderung und seine Abstufungen sind in der EU bekannt, aber es gibt ja noch mehr Menschen auf der Welt.

Wo hast Du das denn her mit dem EU-Begriff der Schwerbehinderung und den Abstufungen? Davon ist mir nichts bekannt, weder das Eine noch das Andere. Welches EU-Recht soll das sein?

Gruß,
Cebulon

Bewerbung eines ausländischen Menschen mit Einschränkung

Rallebu, Monday, 04.05.2020, 08:54 (vor 1459 Tagen) @ Cebulon

Ich habe es aus der Webseite der Europäischen Union gefunden
Thema: EU-Behindertenausweis
zum Zitat:
"Um Menschen mit Behinderungen das Reisen zwischen EU-Ländern zu erleichtern, entwickelt die EU ein freiwilliges System zur gegenseitigen Anerkennung des Behindertenstatuts und einiger damit verbundener Leistungen auf der Grundlage einer EU-Behindertenausweiskarte.
Derzeit gibt es keine gegenseitige Anerkennung des Behindertenstatus zwischen den EU-Mitgliedstaaten, was zu Schwierigkeiten für Menschen mit Behinderungen führt, da ihre nationalen Behindertenausweise in anderen Mitgliedstaaten möglicherweise nicht anerkannt werden.

Dem EU-Behindertenausweis gewährleistet Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten grenzüberschreitenden Zugang zu Leistungen, insbesondere in den Bereichen Kultur, Freizeit, Sport und Verkehr . Die Karte wird von den am System teilnehmenden EU-Ländern auf freiwilliger Basis gegenseitig anerkannt.
Pilotländer
Die Karte ändert keine nationalen Zulassungskriterien oder -regeln. Es liegt im Ermessen der Mitgliedstaaten, anhand der nationalen Definition der Behinderung zu entscheiden, wer berechtigt ist, die Karte zu erhalten, und das Ausstellungsverfahren festzulegen."

Hier wird auf die explizierte Anerkennung des Behindertenstatus der einzelnen Länder hingewiesen.
Es wird also einem einheitlichen EU-Ausweis geben so die Aussage.
So aber nun zu meiner Frage ich denke das es wohl "nur" im Ermessen des Unternehmens ist mir als SBV die Information zukommen zulassen, ob sich ein Behindertet aus dem Ausland beworben hat oder nicht. Der Bewerber kann sich selber ja nicht einstufen, (GDB!!) da dieser dieses nicht wissen kann. Also muss er im Freitext in dem Bewerbungsprocedere darauf aufmerksam machen, dass er eine Einschränkung hat und das diese ihn nicht beeinträchtigt. Na Okay!!!
Tja dann danke ich erstmal.

Bewerbung eines Ausländischen Menschen mit Einschränkung

WoBi, Monday, 04.05.2020, 10:06 (vor 1459 Tagen) @ Rallebu

Hallo Rallebu,

Wir sind ein Internationaler mittelständiges Unternehmen. In unseren Unternehmensteilen hier in Deutschland Bewerben sich auch Menschen aus dem Ausland.

Die Frage nach Ausland ist sehr weitläufig, denn alles außerhalb von Deutschland ist Ausland (> 99 %).
Es gibt einen besonderen Anteil von Arbeitnehmern, die unter dem Begriff "Grenzgänger" eingeordnet werden. Personen die z.B. außerhalb der Grenzen von Deutschland wohnen, aber in Deutschland arbeiten. Genauer deren Wohnort und ihr Arbeitsplatz in zwei Staaten liegen und täglich hin- und herfahren. Diese Personen können einen Antrag auf Feststellung einer Behinderung stellen. Auch ein Antrag auf Gleichstellung ist möglich.
Wenn eine Feststellung der Schwerbehinderung / Gleichstellung erfolgt ist und dies bei einer Bewerbung angegeben wird, hat der Arbeitgeber die SBV zu unterrichten.

--
Gruß
Wolfgang

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