Einsichtnahme Wählerlisten (Wahlen)

JoN, Friday, 28.07.2006, 15:03 (vor 6492 Tagen)

Hallo,
eine etwas kniffliche Frage ist das Recht auf Einsichtnahme in die Wählerliste. Es ist nicht weiter eingeschränkt in der Wahlordnung (§3). Aus dem Recht auf Einspruch gegen die Wählerliste könnte man rückschließen auf Einschränkung für Berechtigte auf Einsicht in die Wählerliste (§4) nämlich auf Wahlberechtigte oder in dem Betrieb Beschäftigte mit einem berechtigten Interesse an der ordnungsgemäßen Wahl.
Soweit die eine Sicht.
Aus Sicht des Datenschutzes ist die Tatsache der Schwerbehinderung ein sensibles Datum, dass nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen genutzt werden darf (ich verkneif mir hier die Paragrafen aus dem BDSG).
Ist also zu fragen, wie hier bei der Einsichtnahme in die Wählerliste rechtlich korrekt vorgegangen werden kann.
Darf der Einsichtnehmer nur seine Daten bzw. die Daten der Person seines berechtigten Interesses sehen> Oder ist die Tatsache, in der Wählerliste zu stehen - also schwer behindert zu sein - nicht weiter schützenswert>
Kennt jemand dazu Rechtskommentierungen oder Urleile>
Danke für Eure Hilfe im voraus!
JoN

Einsichtnahme Wählerlisten

traute, Monday, 31.07.2006, 08:43 (vor 6489 Tagen) @ JoN

hallo joN,
die wählerliste muß beim vorsitzenden des wahlvorstandes vorliegen. ein berechtigtes interesse dürfte zb sein, wenn jemand am wahltag oder kurz vorher seinen GL oder feststellungsbescheid erhalten hat. die/derjenige wäre dann auch wahlberechtigt und müßte das durch vorlage des bescheides nachweisen, damit er in die wählerliste nachgetragen wird.

niemand anders als wähler haben einsicht in die liste (die sbv kennt sie natürlich auch). kommt also jemand und fragt nach, ob eingetragen, würde ich die liste nehmen, alle anderen über und unter dem eintrag abdecken und dem anfrager seine eigene zeile zeigen. damit wäre das erledigt. unter umständen würde ich mir einen vermerk machen, wer nachgefragt hat (zur eigenen sicherheit). wer sonst, außer wähler sollten ein berechtigtes interesse haben>

gruß, traute

Einblick in die Liste der Wahlberechtigten und Sozialdatenschutz

Wolfgang E., Wednesday, 30.08.2006, 17:16 (vor 6459 Tagen) @ JoN

» Niemand anders als Wähler haben Einsicht in die Liste (die SBV kennt sie natürlich auch). Kommt also jemand und fragt nach, ob er eingetragen ist, würde ich die Liste nehmen, alle anderen über und unter dem Eintrag abdecken und dem Anfrager seine eigene Zeile zeigen. Damit wäre das erledigt. Unter Umständen würde ich mir einen Vermerk machen, wer nachgefragt hat (zur eigenen Sicherheit). Wer sonst, außer Wähler sollten ein berechtigtes Interesse haben>

In § 3 Abs. 2 SchwbVWO ist ausdrücklich und zwingend vorgeschriebenen, dass die Liste der Wahlberechtigten (unter Aufsicht des Wahlvorstands) auszulegen ist. Die Liste der Wahlberechtigten darf aber wegen des Sozialdatenschutzes nicht am schwarzen Brett ausgehängt werden! Über die Art der Durchführung und den Umfang der Einsicht in die Wählerliste schweigt sich die Fachliteratur leider weitgehend aus und läßt die Wahlvorstände insoweit mit den dabei auftretenden Rechtsproblemen bzw. Auslegungsfragen vielfach alleine, obwohl es sich gerade hier um ein besonderes sensibles, aber auch sehr schwierig zu lösendes Thema handelt.

Mit der Frage zum Umfang der Einsicht in das Wählerverzeichnis hat sich das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 27.01.2004, 8 AR 7/06, ausführlich befasst und die entgegenstehende Rechtsprechung des Arbeitgerichts Stuttgart vom 21.05.2003, 24 BV 255/02, zur Einsicht in das Wählerverzeichnis im förmlichen Wahlverfahren aufgehoben.

Wer außer den aktiv Wahlberechtigten einen Rechtsanspruch auf Einsicht in die Liste der Wahlberechtigten hat, soweit er ein „berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Wahl glaubhaft macht“ (vgl. § 4 Abs. 1 SchwbVWO), ist nachzulesen unter
www.integrationsaemter.com

Primärer Regelungszweck der Vorschrift über die Auslegung der Liste der Wahlberechtigten ist neben der „Verfahrenstransparenz“ vor allem die Möglichkeit, Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste einzulegen, also die Sicherung effektiver Einspruchsmöglichkeiten gegen die Wählerliste (vgl. § 4 Abs. 1 SchwbVWO). Dazu gehört auch, dass in der Wählerliste keine Personen stehen, die kein Wahlrecht haben, etwa behinderte Beschäftigte mit einem GdB von 30, aber ohne Gleichstellungsbescheid (§ 68 Abs. 3 SGB IX), oder beispielsweise keine gleichgestellte behinderte Jugendliche und keine gleichgestellte behinderte junge Erwachsene während der Berufsausbildung mit einem GdB unter 30 (§ 68 Abs. 4 SGB IX n.F.), oder Personen, deren Schwerbehindertenausweis abgelaufen bzw. nicht mehr verlängert wurde.

Das "berechtigte Interesse" ist eng auszulegen wegen des gesetzlichen Sozialdatenschutzes und ggf. gegenüber dem Wahlvorstand glaubhaft nachzuweisen. Die Einsicht in die Wählerliste und die damit verbundene Offenbarung der Schwerbehinderteneigenschaft ist demnach auf das unbedingt Erforderliche zu begrenzen, da es sich um besonders schützenswerte Sozialdaten handelt (vgl. § 67 Abs. 1 SGB X und § 69 Abs. 1 SGB X).

Einblick in die Liste der Wahlberechtigten und Sozialdatenschutz

BirgitKE, Berlin, Tuesday, 31.10.2006, 11:39 (vor 6397 Tagen) @ Wolfgang E.

Hilfe,wir haben ein ähnliches Problem. Leider brauchen wir die Lösung möglichst gestern, da die Wahl (vereinfachtes Wahlverfahren) am 07.11.2006 stattfinden soll. Ein Kollege, nicht schwerbehindert, nicht gleichgestellt möchte im vereinfachten Wahlverfahren kandidieren und um von einem Wahlberechtigten in der Wahlversammlung vorgeschlagen werden zu können, will er die Wählerliste einsehen, um die Kollegen entsprechend ansprechen zu können. Weiterhin muss er sein berechtigtes Interesse nachweisen. Wem und in welcher Form > Beim vereinfachten Wahlverfahren gibt es ja keinen Wahlvorstand.

Wolfgang E. sagt zum berechtigten Interesse:

» Wer außer den aktiv Wahlberechtigten einen Rechtsanspruch
» auf Einsicht in die Liste der Wahlberechtigten hat, soweit er ein
» „berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Wahl glaubhaft macht“
» (vgl. § 4 Abs. 1
» SchwbVWO), ist nachzulesen unter
» www.integrationsaemter.com
»

Woher gründet sich der Rechtsanspruch > Weil die Integrationämter es sagen oder weil es hierzu klare Urteile gibt.

Wer kann mir hierzu rechtlich einwandfreie Argumentationshilfen geben > Wir möchten eine Wahlanfechtung natürlich vermeiden.

Gruß
Birgit

--
MfG
Birgit

Einblick in die Liste der Wahlberechtigten und Sozialdatenschutz

BirgitKE, Berlin, Tuesday, 31.10.2006, 12:56 (vor 6397 Tagen) @ BirgitKE

Zusatz:

Habe mit unserem Beauftragten für Datenschutz gesprochen und er war der Meinung, die Schwerbehinderteneigenschaft ist ein besonders schützenswerter "Datensatz" und zu Einsichtnahme in die Wählerliste würde auch eine mögliche Kandidatur nicht berechtigen. Zudem gibt es in unserem Unternehmen ausreichend andere Möglichkeiten, die Kollegen ohne Kenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft zu informieren (z.B. email an alle Mitarbeiter, Intranetveröffentlichung, Aushänge etc.)

Mal dazu meine ganz persönliche Meinung... Ich würde nicht wollen, dass irgendjemand weiß, dass ich schwerbehindert bin. Kann mir dadurch tolle Ansprachen in der Kantine vorstellen... "Sag mal, Du siehst ja ganz normal aus, bist aber schwerbehindert, was hast du denn...." Oder so kursierende Sprüche wie "Die hat den Job nur gekriegt, weil sie schwerbehindert ist... ". Das geht einfach niemand außer meinen Arbeitgeber und ggf. Vorgesetzte etwas an...

Hierzu die Meinung des Referenten für Wahlen vom Integrationsamt Berlin:
Wieso sollte jemand nicht wollen, dass man weiß, dass er schwerbehindert ist... > Er hat doch auch Nachteilsausgleiche die er in Anspruch nimmt und der Vorgesetzte und der Arbeitgeber wüssten es auch... - Meine Stellung hierzu: Na und, deshalb müssen es doch nicht noch mehr Leute wissen... und warum ich es nicht will, ist doch völlig unerheblich. Es muss doch ausreichen, dass ich es nicht will, oder >

So, das waren noch meine weiteren Gedankengänge hierzu...;-)

--
MfG
Birgit

Einblick in die Liste der Wahlberechtigten bei vereinfachter Wahl?

Wolfgang E., Thursday, 02.11.2006, 13:07 (vor 6395 Tagen) @ BirgitKE

» Ein Kollege, nicht schwerbehindert, nicht gleichgestellt möchte im vereinfachten Wahlverfahren kandidieren und um von einem Wahlberechtigten in der Wahlversammlung vorgeschlagen werden zu können, will er die Wählerliste einsehen, um die Kollegen entsprechend ansprechen zu können.

» Weiterhin muss er sein berechtigtes Interesse nachweisen. Wem und in welcher Form > Beim vereinfachten Wahlverfahren gibt es ja keinen Wahlvorstand.

Ich teile die Auffassung des Datenschutzbeauftragten zumindest bezüglich des vereinfachten Wahlverfahrens und würde als Vertrauensperson bei vereinfachter Wahl keinesfalls Einsicht in die Liste der schwerbehinderten und gleichgestellten behinderten Menschen gewähren.

Ich kenne keine Rechtsvorschrift, wonach die Vertrauensperson die Befugnis hat, behinderten geschweige denn nichtbehinderten Beschäftigten die Schwerbehindertenliste zu zeigen. Die Vorschrift über die Auslegung des Wählerverzeichnisses richtet sich nur an den Wahlvorstand im förmlichen Verfahren (§ 3 SchwbVWO) und nicht etwa an die Vertrauensperson (im vereinfachten Verfahren).

Die Vertrauensperson ist daher auch insoweit zum Stillschweigen verpflichtet (§ 96 Abs. 7 SGB IX). Wenn eine Vertrauensperson die Liste ohne gesetzliche Ermächtigungsnorm offenbart, dürfte dies als Amtspflichtverletzung anzusehen sein.

Einer möglichen Wahlanfechtung würde ich sehr gelassen entgegensehen, da ich die Erfolgsaussichten jedenfalls bei vereinfachter Wahl für äußerst gering einschätze und eine aktuelle Rechtsprechung zur Rechtsklarheit bzw. Rechtssicherheit beitragen würde.

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