unrechtmäßige Zahlung (Zusatzurlaub)

sandra72, Bayern, Wednesday, 28.06.2023, 06:51 (vor 310 Tagen)

Guten Morgen zusammen!:-)
Ein Mitarbeiter ist seit 2010 schwerbehindert gewesen, GdB 50.
2015 hat er einen Neuantrag gestellt, daraufhin wurde er nach einer Überprüfung seines GdB herabgestuft auf GdB 40. Der Mitarbeiter hat keinen Widerspruch gemacht und er hat auch den neuen Bescheid dem Arbeitgeber nicht vorgelegt.
Jetzt sollte ein BEM stattfinden und im Zuge dessen wurde bemerkt, dass der Mitarbeiter keinen GdB von 50 mehr hat und herabgestuft wurde. Der Mitarbeiter hat aber leider in jedem Gespräch und auch bei seinen Ärzten weiterhin angegeben, einen GdB von 50 zu haben.
Wie verhält sich das jetzt mit dem Zusatzurlaub? Wie weit muss der zurück gezahlt werden und auch zusätzliches Urlaubsgeld?
Ich finde hier nirgends etwas dazu, nur das : Nach den §§ 812 ff. BGB hat derjenige, der eine Leistung ohne Rechtsgrund erhalten hat, kein Recht, diese Leistung zu behalten, sondern muss sie an denjenigen, von dem er die Leistung erhalten hat, herausgeben.

Kann mir hier vielleicht jemand weiter helfen?


Lieben Dank und einen schönen Tag! Sandra

unrechtmäßige Zahlung

Hendrik1, Niedersachsen, Wednesday, 28.06.2023, 08:34 (vor 310 Tagen) @ sandra72

Moin Moin Sandra,

Ihm drohen personalrechtliche Konsequenzen, da er die Änderungen anzuzeigen hat. Dies ist viel wichtiger, als die Rückzahlung, da wäre ich an seiner Stelle mit allem einverstanden, solangs er da weiter beschäftigt ist.
Dieses kann bis zu Abmahnung, Kündigung gehen, weil er sich diese Leistungen aus Arbeitgebersicht erschlichen hat, sodass dieser von einem Verlust des Vertrauens sprechen kann.

Dieses wiegt schwerer als die Rückabwicklung des Urlaubs. Wie lange das gilt, kann ich nicht sagen. Ich hoffe, er hat wenigstens beim Finanzamt den neuen Bescheid vorgelegt, da er dann einen geringeren Steuerfreibetrag gehabt hätte. Ansonsten Selbstanzeige und Bitte um Neuberechnung, bevor dieses irgendwie an das Tageslicht kommt.

Wie weit der AG dieses rückwirkend zurückfordern darf, kann ich nicht sagen.

Sollte der Gdb von 40 gelten, solltet ihr prüfen, ob eine Gleichstellung Sinn machen kann.

Liebe Grüße

Hendrik

unrechtmäßige Zahlung

albarracin, Baden-Württemberg, Wednesday, 28.06.2023, 11:40 (vor 310 Tagen) @ sandra72

Hallo,

diese Täuschung hat mindestens drei Dimensionen.

zum einen kann man das als so schwerwiegend erachten, daß eine außerordentliche (fristlose) Kündigung eben wegen "arglistiger Täuschung" aus meiner Sicht für den AG durchaus auch im langjährigen Arbeitsverhältnis durchsetzbar sein könnte.

Zur Rückforderung des zuviel gewährten Urlaubs kommt es auf die arbeitsvertraglichen Regelungen an.
Ist nichts Spezielles vereinbart, gilt die allgemeine, 3-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB:
https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__195.html

Allerdings kann diese Frist per Arbeits- oder Tarifvertrag rechtswirksam für beide Seiten auf bis zu 3 Monate verkürzt werden.

Und wie von Hendrik schon geschrieben stellt sich auch die Frage des Steuerfreibetrages. Sollte der AN hier unrechtmäßig einen höheren Freibetrag geltend gemacht haben, ist es steuer- und strafrechtlich relevant.

Wie kann man eigentlich so dämlich sein?

--
&Tschüß

Wolfgang

unrechtmäßige Zahlung

sandra72, Bayern, Wednesday, 28.06.2023, 11:57 (vor 310 Tagen) @ albarracin

Ja, die Frage hab ich mir auch gestellt "wie dämlich man sein kann".

Heute kam noch heraus, dass er 2019 noch einmal eine Neufeststellung beantragt hat und diese auch abgelehnt wurde. Auch darüber hat er niemanden informiert.

Der Arbeitgeber prüft jetzt, wie er verfahren wird, abgemahnt wird definitiv, aber ich denke, man wird sich von ihm trennen, weil ja auch das Vertrauen absolut getäuscht wurde.

Vielen Dank für Eure Antworten, hat mir sehr geholfen!


Bleibt alle "gesund" bis bald!

Sandra

unrechtmäßige Zahlung

Cebulon, Wednesday, 28.06.2023, 12:52 (vor 310 Tagen) @ sandra72

Wie schon geschrieben: „Arglistige Täuschung“ mit Vorsatz – und wohl erhebliche kriminelle Energie?

Gruß,
Cebulon

unrechtmäßige Zahlung

Phönix, NRW, Wednesday, 28.06.2023, 13:21 (vor 310 Tagen) @ sandra72

Für mich würde sich die Frage stellen, ob dem Mitarbeitenden überhaupt der Unterschied zwischen GdB 50 und GdB 40 bekannt war und damit meine ich nicht nur den Zahlenwert.

Es würde mich auch interessieren, wie denn im BEM bemerkt werden konnte, dass sich der Status verändert hat?

Gruß
Phönix

unrechtmäßige Zahlung

albarracin, Baden-Württemberg, Wednesday, 28.06.2023, 13:35 (vor 310 Tagen) @ Phönix

Hallo,

meinst Du diese Frage

Für mich würde sich die Frage stellen, ob dem Mitarbeitenden überhaupt der Unterschied zwischen GdB 50 und GdB 40 bekannt war und damit meine ich nicht nur den Zahlenwert.

ernst?
Bei einem derartigen Herabsetzungsbescheid gibt es ellenlange Erläuterungen zu den Rechtsfolgen. Und spätestens bei der Aufforderung, den Ausweis bis zum xx.xx.xxxx abzugeben, sollten selbst bei nicht Rechtskundigen einige "Groschen fallen".

&tschüß
Wolfgang

--
&Tschüß

Wolfgang

unrechtmäßige Zahlung

Hendrik1, Niedersachsen, Wednesday, 28.06.2023, 13:50 (vor 310 Tagen) @ albarracin

Moin moin,

was ich mich die ganze Zeit zusätzlich frage:

Warum stellt jemand mit dem GdB 50 einen Folgeantrag, ohne dass sich die Einschränkungen deutlich verschlechtert haben. Ansonsten wäre die Herabstufung eine Fehleinschätzung der Behörde, gegen die er sozialgerichtlich vorgehen hätte sollen.

Aber gut, das werden wir nicht erfahren.

Er soll froh sein, wenn er 1. mit einer Abmahnung davonkommt und die Rückerstattung an den Arbeitgeber akzeptieren und 2. das Finanzamt, eine Selbstanzeige akzeptiert und auf ein Strafverfahren verzichtet bzw. dieses gegen eine Geldauflage eingestellt wird.

Liebe Grüße

Hendrik

unrechtmäßige Zahlung

albarracin, Baden-Württemberg, Wednesday, 28.06.2023, 14:56 (vor 310 Tagen) @ Hendrik1

hallo,

aus meiner langjährigen Erfahrung weiss ich, daß manche Klienten völlig beratungsresistent sind und nur das glauben, was ihre Meinung bestätigt. Da bist du echt machtlos - des Menschen Wille ist sein Himmelreich.

--
&Tschüß

Wolfgang

unrechtmäßige Zahlung

Phönix, NRW, Wednesday, 28.06.2023, 20:12 (vor 310 Tagen) @ albarracin

Die Frage ist durchaus mein ernst, denn welchen Maßstab möchtest du bei einem Menschen anlegen? Der Mitteleuropäer mit durchschnittlicher Schulbildung erkennt immer die Zusammenhänge? Die Wirklichkeit sieht dann doch völlig anders aus, oder?

Der Mitarbeitende hat vermutlich 2015 versäumt, dem Arbeitgeber eine wichtige Veränderung bei seinem GdB mitzuteilen. Wieso, weshalb, warum wissen wir nicht und eine Verpflichtung ein Widerspruchsverfahren zu führen, gibt es auch nicht.

In der Folge hat er Leistungen von seinem Arbeitgeber erhalten, welche ihm nicht zustanden. Diese Leistungen kann der Arbeitgeber, unter Berücksichtigung der Verjährungsfrist, zurückfordern. Wenn der Steuerfreibetrag nicht monatlich bei der Entlohnung berücksichtigt wurde, bleibt die Frage, ob er diesen bei der Einkommenssteuererklärung geltend gemacht hat. Könnte also sein, dass hier keine rechtlichen Konsequenzen durch das Finanzamt zu befürchten sind, wenn der Freibetrag nicht beansprucht wurde. Aber auch das wissen wir nicht!

Auch ist unerheblich, ob er 2019 erneut einen Änderungsantrag gestellt hat. Da er vorher und nachher nicht Schwerbehinderter war, gab es auch zu diesem Zeitpunkt keinen Grund für eine Mitteilung an den Arbeitgeber. Der Umstand hat schlicht gar keine Wirkung.

Seine Darstellung in den Gesprächen er habe noch einen Gdb 50, spricht auch eher dafür, dass der Mitarbeitende die Zusammenhänge nicht verstanden hat.

Und letztlich muss sich der Arbeitgeber entscheiden, entweder Abmahnung oder Kündigung, beides geht bei dem Sachverhalt nicht. Eine Abmahnung würde ich gelassen sehen und eine Kündigung würde es bei uns dafür nicht geben. Unsere MAV würde sich der Sache annehmen, man würde die Modalitäten für die Rückerstattung verhandeln und der Mitarbeitende erhält vermutlich eine Ermahnung.

Gruß
Phönix

unrechtmäßige Zahlung

Scheeks, im MTK, Thursday, 29.06.2023, 10:12 (vor 309 Tagen) @ Phönix

Seine Darstellung in den Gesprächen er habe noch einen Gdb 50, spricht auch eher dafür, dass der Mitarbeitende die Zusammenhänge nicht verstanden hat.

Hier bin ich nicht deiner Ansicht: wenn er ein amtliches Schreiben erhalten hat, dass sein GdB von 50 auf 40 reduziert wurde (und dies 2019 offenbar auch so bestätigt oder wiederholt wurde?), dann halte auch ich die Behauptung, einen GdB von 50 zu haben, für eine wissentlich und vorsätzliche falsche Angabe. An so einer einfachen Zahl ist ja schließlich wenig bis nichts falsch zu verstehen und bei allen anderen Zahlenangaben gibt es vermutlich auch keine vergleichbaren Verständnisprobleme.

Wenn der Mensch die Zusammenhänge nicht verstanden hätte, dann würde er eher den GdB 40 mitgeteilt und sich später gewundert haben, dass er keinen Zusatzurlaub mehr erhält - vielleicht auch, dass er nicht mehr zur SBV-Wahl eingeladen wurde/wird ...

unrechtmäßige Zahlung

Phönix, NRW, Friday, 30.06.2023, 07:06 (vor 308 Tagen) @ Scheeks

Wenn eine Angelegenheit in der ersten Betrachtung eindeutig erscheint, wird schnell geurteilt und auch unterstellt, jemand habe wissentlich und vorsätzlich falsche Angaben gemacht. Dies halte ich für vermessen, denn ähnliche Konstellationen wie hier diskutiert, kenne ich aus meiner SBV Arbeit, wenn auch nicht über einen so langen Zeitraum.

Und dann hat man ein Zitat von Konrad Lorenz vor Augen:

"Gedacht heißt nicht immer gesagt,

gesagt heißt nicht immer richtig gehört,

gehört heißt nicht immer richtig verstanden,

verstanden heißt nicht immer einverstanden,

einverstanden heißt nicht immer angewendet,

angewendet heißt noch lange nicht beibehalten."

Gruß
Phönix

unrechtmäßige Zahlung

Kasandra, Friday, 30.06.2023, 08:26 (vor 308 Tagen) @ sandra72

Hallo,

was ich aber auch nicht verstehe, HR scheint wohl auch geschlummert zu haben.

Denen liegt doch die Kopie der Vorderseite des SB-Ausweises vor und dort ist die Befristung ausgewiesen oder es steht ganz einfach drauf: unbefristet.

Viele Grüße,

Kasandra

unrechtmäßige Zahlung

bifavi, Hessen, Friday, 30.06.2023, 13:50 (vor 308 Tagen) @ Kasandra

Hallo Kasandra,

ich glaube, hier muss man der HR keinen Vorwurf machen.

GdB von 50 unbefristet, liegt oder lag HR vor.

GdB Änderungsantrag gestellt.
In der Prüfung VA dann festgestellt das es keine 50 mehr gibt.
Hier sehe ich die Schuld voll und ganz beim Antragsteller.
Wer meint, dass GdB von 50 nicht ausreicht und einen Änderungsantrag auf die Gefahr einer Abwertung unter GdB 50 stellt, dem ist nicht zu helfen.
Kann man nur hoffen, dass AG ein gutes Herz hat und das Vertrauensverhältnis nicht gestört ist.

LG
Bifavi

unrechtmäßige Zahlung

Rickert-Krings, Lippstadt, Thursday, 06.07.2023, 16:14 (vor 302 Tagen) @ sandra72

Nur eine neugierige Frage:

Wird bei euch das Urlaubsgeld nach Urlaubstagen berechnet und gibt es bei Zusatzurlaub dann mehr Urlaubsgeld?

--
Gruß, Ricarda

unrechtmäßige Zahlung

sandra72, Bayern, Friday, 07.07.2023, 08:36 (vor 301 Tagen) @ Rickert-Krings

Guten Morgen,

ja das ist leider der Fall. Für die Urlaubstage gibt es gesondert einmal im Jahr für den Urlaubsanspruch eine extra Zahlung.
Die hat er auch immer brav bekommen und sich nicht geäußert.

VG Sandra

unrechtmäßige Zahlung

Hendrik1, Niedersachsen, Saturday, 08.07.2023, 08:18 (vor 300 Tagen) @ sandra72

Moin Moin Sandra,

hat der AG denn das Kündigungsverfahren eingeleitet, weil die Frist von 14 Tagen nach Kenntnisnahme ja bald abläuft?
Wenn Ja, denke bitte daran, dass Du nach einem urteil des BAG nur 3 Tage für Deine Stellungnahme hast.

Liebe Grüße

Hendrik

RSS-Feed dieser Diskussion