Darf SbV mit Mitarbeiter reden, dem gekündigt werden soll? (Allgemeines)

Dimitar.Mitev, Thursday, 14.12.2023, 11:13 (vor 136 Tagen)

Hallo,

ich bin Schwerbehindertenvertrauensperson und Mitglied im Betriebsrat.
Nun haben wir eine Unterrichtung der SbV vor einer Beabsichtigen Kündigung einer schwerbehinderten Person nach § 178 Abs. 2 SGB IX sowie eine Anhörung des Betriebsrats dazu nach § 102 BetrVG. Wir haben eine Woche Zeit seit Gerstern, um eine Stellungnahme abzugeben also ich als SbV, und der BR. Das Integrationsamt wird seitens der Personalstelle demnächst sicher auch zur Zustimmung zur Kündigung angefragt werden.

Meine Frage ist: Darf ich als SbV nun schon Kontakt mit dem zu kündigenden Mitarbeiter aufnehmen? Um mit ihm zu erörtern, wie ich meine Stellungnahme formulieren kann, um so ggf. bessere Argumente für ihn zu bringen? Also darf er von mir erfahren, dass beabsichtigt ist, ihn zu kündigen? Oder steht dem Datenschutz oder anderes entgegen? Würde ich selbst damit einen Fehler machen?

Darf auch der Betriebsrat bzw. ein Br Mitglied, wenn das Plenum es so erlaubt, nun mit der Person reden, und ihm von dieser beabsichtigten Kündigung erzählen, um so mit ihm auch zu erörtern, um ihn so ggf. besser unterstützen zu können?

MfG DM

Darf SbV mit Mitarbeiter reden, dem gekündigt werden soll?: Ja.

Scheeks, im MTK, Friday, 15.12.2023, 13:09 (vor 135 Tagen) @ Dimitar.Mitev

Hallo,

zuerst: ja, du darfst mit dem MA sprechen, du musst es sogar - außer du findest keinerlei Möglichkeit, ihn zu erreichen. (*)
Wie sonst sollst du seine Sicht erfahren und deine Stellungnahme unter Berücksichtigung der "Gegenmeinung" zur Darstellung des AG schreiben?

Überaus wichtig: Aber wie kam es überhaupt zur Kündigung?
Gab es zuvor Probleme?
Wenn ja: Gab es bereits ein Präventionsverfahren?
Das wäre nämlich zuerst dran gewesen, bevor man zur Kündigung schreitet, siehe § 167 Abs. 1 SGB IX (Link: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__167.html)
Wenn es Probleme gab, würde ich
a) den AG auf den Verfahrensfehler hinweisen und freundlich zur Rücknahme der Kündigung auffordern und einen Termin für ein Präventionsverfahren einfordern (unter Hinzuziehung des Integrationsamtes!) sowie
b) den Betriebsrat entsprechend informieren, damit dieser der Kündigung widerspricht. Er hat schließlich "darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;" (siehe § 80 Abs. 1 Punkt 1 BetrVG - Link https://www.gesetze-im-internet.de/betrvg/__80.html) und die Einhaltung des SGB IX gehört zweifelsfrei dazu.

Auch falls es keine Probleme mit dem MA gab, ist die Kündigungsabsicht sicher nicht spontan vom Himmel gefallen und der AG hätte dich weit vorher kontaktieren müssen, siehe § 178 Abs. 2 SGB IX (Link: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__178.html)

Spannend finde ich auch die Wochenfrist für die SBV, wo hat euer AG die denn her?

Rede du mal mit dem MA und kriege raus, worum es eigentlich geht. Dringend.
Und mit dem Integrationsamt dann wohl auch, das für seine Stellungnahme schlißelich auch mehr Input benötigt.

PS: Der BR darf natürlich auch mit dem MA reden, das steht auch ganz klar im von dir erwähnten § 102 Abs. 1 BetrVG: "Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören."
Er sollte das auch tun, denn auch er braucht ja dessen Sicht für die Bewertung der Kündigung, wie soll er sonst qualifiziert beraten, abwägen und beschließen?!

MfG
Scheeks


*) Ich habe bei nicht direkt erreichbaren MA gute Erfahrungen damit gemacht, ihre Kollegen anzurufen. Irgendwer hat meistens die Telefonnummer der/des MA. Ich bitte dann - ausdrücklich ohne Nennung von Gründen und wenn irgend möglich auch ohne Hinweis auf mein SBV-Hütchen als Grund meiner Bitte (habe wie du ein Doppelmandat und bin auch als BRM gut bekannt in der Firma) - ob jemand diese(n) MA zeitnah anrufen und ihr/ihm mitteilen könnte, dass sie/er mich dringend zurückrufen soll.
Auf diese Weise muss niemand der Kollegen die Telefonnummer rausrücken.
Klappt nahezu immer, auch wenn es meist "nur" um meine Stellungnahme auf Gleichstellungsanträge geht, welche das Amt von mir abruft. Dafür gibts ja auch Fristen, wenngleich nicht so enge wie bei Kündigungen. Jedenfalls verabreden wir uns dann zügig und gehen das zusammen durch, damit ich meinen Teil so unterstützend wie möglich schreiben und rechtzeitig zurückschicken kann. Wir sind zu groß, als dass ich noch alle Betroffenen persönlich kennen würde samt ihrer Abteilungen und Arbeitsumstände, so dass ich auf die Kollegen angewiesen bin.

Darf SbV mit Mitarbeiter reden, dem gekündigt werden soll?

Phönix, NRW, Sunday, 17.12.2023, 02:25 (vor 134 Tagen) @ Dimitar.Mitev

Mein Dienstgeber wird den von Kündigung bedrohten Mitarbeitenden mit Schwerbehinderung / Gleichstellung, die MAV und SBV zeitgleich schriftlich unterrichten. Ebenso wird zu diesem Zeitpunkt der Antrag auf Zustimmung zur Kündigung beim Inklusionsamt gestellt, welches dann die Fachstelle Behinderte Menschen im Beruf informiert, welche dann auch die SBV informiert und beauftragt, den Sachverhalt aufzuklären und mitzuteilen, damit weitere Veranlassungen von der Fachstelle getroffen werden können (z.B. Kündigungsschutzgespräch). Im Grundsatz wird das Inklusionsamt eine Zustimmung nur verweigern, wenn ein Zusammenhang zwischen Behinderung und Kündigungsgrund besteht.

Da der Weg bei uns vom Dienstgeber zur SBV sehr kurz ist (Postfach in der Zentrale), das Schreiben an den Mitarbeitenden aber über den regulären Postweg an diesen geht, ist man gut beraten, den Moment abzuwarten. Die SBV ist nicht der Postbote des Dienstgebers und überbringt keine schlechten Nachrichten.

Für die Anhörung der SBV von Seiten des Arbeitgebers habe ich ein Musterschreiben, denn die SBV hat immer Einwände gegen eine Kündigung. Zwar kennt das SGB IX keine Fristen für die Anhörung der SBV, jedoch werden diese aus dem § 102 BetrVG hergeleitet:

"Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt."

Hierzu gibt es auch eine BAG Rechtsprechung: 2 AZR 378/18

Die Kontaktaufnahme mit dem Mitarbeitenden sollte eigentlich unproblematisch sein, ein guter Hirte weiß wie er seine Schäfchen erreicht. Darin versteckt sich auch immer das Thema Datenschutz und Zulässigkeit der Datenvorhaltung, aber ich Pflege eine Liste aller Mitarbeitender mit Schwerbehinderung / Gleichstellung mit aktuellen dienstlichen und privaten Kontaktdaten. Hierzu liegt aber auch das Einverständnis jeden einzelnen Mitarbeitenden mit Schwerbehinderung / Gleichstellung vor.

Und natürlich spreche ich ausführlich mit dem betreffenden Mitarbeitenden und je nach den Umständen, auch mit Vorgesetzten und Kollegen.

Sicherlich hat jede Kündigung eine Geschichte, aber nicht jede Geschichte kommt vorher zwingend bei der SBV an, immer auch in Abhängigkeit zum Kündigungsgrund. Ein Präventionsverfahren ist daher auch nicht zwingend einer Kündigung vorgeschaltet.

Sollte der Dienstgeber eine Kündigung aussprechen, unabhängig davon, ob die Zustimmung vom Inklusionsamt vorliegt oder die SBV gehört wurde oder nicht, so obliegt die Feststellung der Wirksamkeit ausschließlich beim zuständigen Arbeitsgericht, wenn der betreffende Mitarbeitende fristgerecht eine Kündigungsschutzklage eingereicht hat.

Der Hinweis der SBV an den Dienstgeber über möglicher Verfahrensfehler, hat keine zwingende rechtliche Wirkung. Ein Dienstgeber ist aber gut beraten, seine Verfahrensweise bei einem solchen Hinweis zu prüfen, um gegebenenfalls seine Entscheidung zu korrigieren.

Gruß
Phönix

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