Berufsbedingt passiv rauchen und Herzkrankheit - wie richtig verhalten? (Fragen zu einer Behinderung)

Claudia @, Erfurt, Friday, 20.10.2006, 14:58 (vor 6411 Tagen)

Hallo zusammen,

ich brauche in folgender Angelegenheit Euren Rat:

Ein herzkranker Kollege mit anerkannter Schwerbehinderung hatte sich an die SBV gewandt. Er arbeitet als als Techniker und ist für eine Supermarkt-Kette im Kassenumfeld tätig. Hauptsächlich führt er Installationen und Reparaturen an Kassen-Controllern durch. Standort der Geräte ist die Hauptkasse, die von den Mitarbeitern als Raucherraum genutzt wird. D.h. dass der Techniker, der Nichtraucher und herzkrank ist, bedingt durch seine berufliche Tätigkeit ständigem Passivrauchen ausgesetzt ist und somit seine Gesundheit in erheblichem Maße gefährdet. Da der Kundenbereich sein Arbeitsplatz ist und er dort bei Service-Arbeiten zugegen sein muß, stellt er sich die Frage, mit welchen arbeitsrechtlichen Konsequenzen er zu rechnen hat, wenn er wegen Unzumutbarkeit diesen verlässt oder die Arbeit dort verweigert.

Der Kollege hat bereits versucht, dieses Problem mit seiner Führungskraft zu erörtern und hat folgende wörtliche Antwort erhalten:

"anbei die juristische Einschätzung des Falls.

"Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer die Leistung gemäß § 275 III BGB verweigern, wenn sie ihm unter Abwägung des der Leistung entgegenstehenden Hindernisses und dem Leistungsinteresse des Arbeitgebers nicht zugemutet werden kann.

Unzumutbarkeit kann dann angenommen werden, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung nur unter Umständen möglich ist, die für den Arbeitnehmer eine erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit begründen. Dabei sind auch aus dem allgemeinen Lebensrisiko resultierende Fälle erfasst. Ausreichend ist ein ernsthafter, objektiv begründeter Verdacht der Gefährdung nicht aber die rein subjektive Annahme einer Gefahr (siehe Erfurter Kommentar, § 611 BGB, Rn. 848)

Fazit:

Im vorliegenden Fall geht es um die Erbringung von Arbeitsleistungen in verrauchten Räumen und damit um die Gefahr des Passivrauchens. Isoliert betrachtet dürfte die Gefahr des Passivrauchens nicht unter § 275 III BGB fallen, da dadurch zumindest keine unmittelbare erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden ist. Anders ist es, wenn der Mitarbeiter nachweislich bereits Vorerkrankungen hat (z.b. Herzkrankheit), bei welchen ein längerer Aufenthalt in verrauchten Räumen zu schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen wie Herzinfarkt führen kann. In diesen Fällen kann durchaus ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 III BGB angenommen werden. Beruft sich der Arbeitnehmer auf dieses Leistungsverweigerungsrecht so verliert er jedoch im Gegenzug seinen Vergütungsanspruch."

Der Kollege fragt nun die SBV, ob diese Aussagen nicht schon an Nötigung zu einer unzumutbaren Arbeit grenzen und wie er sich richtig verhält.

Ich hoffe, Ihr könnt mir helfen.
Danke schon mal vorab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende,
Claudia

Berufsbedingt passiv rauchen und Herzkrankheit - wie richtig verhalten?

hackenberger, Saturday, 21.10.2006, 14:18 (vor 6410 Tagen) @ Claudia

Hallo Claudia,

hier ist eignetlich der BR gefordert. Der AG muss einen Nichtraucherschutz im Betrieb umsetzen.

Gehe einmal auf www.google.de und geben den Suchbegriff "Nichtraucherschutz" ein, dann bekommst Du sehr viele Infos.

Z.B:

http://www.lfas.bayern.de/technischer_as/arbeitsstaetten_plaetze/arbeitsstaetten/nichtraucher/nichtr_index.htm

§ 5 ArbStättV - Nichtraucherschutz (vormals § 3a ArbStättV)
(1) Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nichtrauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind.

oder auch:

http://www.lfas.bayern.de/technischer_as/arbeitsstaetten_plaetze/arbeitsstaetten/nichtraucher/nichtrauch.htm#Umsetzung des Nichtraucherschutzes

Umsetzung des Nichtraucherschutzes im Betrieb
Recht und Pflicht

Der Nichtraucherschutz greift unabhängig davon, ob nichtrauchende Beschäftigte sich durch Tabakrauch belästigt oder gesundheitlich beeinträchtigt fühlen oder nicht.

Arbeitnehmer haben ein durchsetzbares Recht auf einen rauchfreien Arbeitsplatz. Arbeitgeber sind verpflichtet, entsprechende Regelungen einzuführen sowie entsprechende Maßnahmen durchzuführen. Das liegt nicht zuletzt auch in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse.

......

Berufsbedingt passiv rauchen und Herzkrankheit - wie richtig verhalten?

Claudia @, Erfurt, Monday, 23.10.2006, 12:08 (vor 6409 Tagen) @ hackenberger

Hallo Bernhard,

erst einmal danke für Deine rasche und kompetente Antwort. Es geht ja darum, dass der Mitarbeiter unseres Unternehmens (wo der Nichtraucherschutz mit speziellen Raucherräumen/-zonen umgesetzt ist) als Techniker in anderen Unternehmen (wie hier eine Supermarkt-Kette) eingesetzt ist. Deine Ausführungen würden bedeuten, gemeinsam mit dem BR dieser Supermarkt-Kette deren Geschäftsführung "auf die Füße zu treten". Oder aber diesen Techniker dort nicht mehr einzusetzen (was u.U. bedeuten würde, dass er aufgrund seiner Krankheit/Behinderung ja weniger flexibel einsetzbar ist und dadurch Nachteile erleiden könnte, was sein Manager ja auch bereits geschrieben hat).

Was können SBV und BR gemeinsam tun, um ihre KollegInnen zu schützen, obwohl es nicht direkt um eine mit dem (eigenen) Arbeitgeber verhandelbare Sache geht, sondern um die Gegebenheiten eines Kunden>

Ich danke Dir und vielleicht auch Anderen, die mir in dieser Sache weiterhelfen können, für Deinen/Euren Rat.

Viele Grüße
Claudia

Berufsbedingt passiv rauchen und Herzkrankheit - wie richtig verhalten?

hackenberger, Monday, 23.10.2006, 13:09 (vor 6408 Tagen) @ Claudia

Hallo Claudia,

das der Koll. als Techniker an unterschiedlichen Arbeitsplätzen eingesetzt wird, ändert nicht an seinen Rechten bzw. den Pflichten des AG. Es könnte aber als Ergebins leider auch das entstehen, dass der AG zu der Feststellung kommen muss, dieser An ist in der bisherigen Form leider nicht mehr einsetzbar, mit all den sich dann ergebenen Folgen.

Hier ist also weiterdenken gefordert und vor allem tiefgehende Gespräche zwischen AG/BTSchwbV und ggf. dem Betroffenen mit dem Ziel eine für alle tragbare Lösung zu finden.

Mehr ist leider nicht machbar.:-(

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