Einführung Vertrauensarbeitszeit (Allgemeines)

BirgitKE, Berlin, Monday, 27.11.2006, 11:58 (vor 6383 Tagen)

Hallo,
da bin ich mal wieder mit einer Frage...

Unser Arbeitgeber überlegt die Einführung einer Vertrauensarbeitszeit.

Hinweis: Wir befinden uns bis 31.12.2007 in einer Restrukturierungsphase mit Personalabbau - derzeit ohne betriebsbedingte Kündigungen. Abgeschlossen wurden bereits BV zu Mitarbeiterbeurteilungen und Zielvereinbarungen... Bisher erfolgt die Zeiterfassung mittels Zugangskarten und wir haben Gleitzeit mit einem Zeitrahmen von 20+/20- Stunden. Überstundenanordnungen sind derzeit recht häufig.

In der nächsten Zeit wird es in 2 Abteilungen eine Erprobungsphase geben. In diesen Abteilung gibt es keine schwerbehinderten oder gleichgestellten Kollegen. Bisher hatte sich der Personalrat eindeutig positioniert - im derzeitigen Restrukturierungsprozess nicht denkbar. Naja, diese Fronten scheinen nun aufzuweichen... die Aufstellung einer Dienstvereinbarung scheint denkbar...

Hat jemand bereits dieses Arbeitszeitmodell > Worauf sollten wir im Falle des Falles auf jeden Fall achten > Ist es denkbar, die Schwerbehinderten vollständig auszunehmen oder ggf. auf Basis der Freiwilligkeit - so kann jeder selbst entscheiden... Wir haben hier einfach keine Erfahrung. Hat jemand Ideen >>> Die Suchfunktion und mein heiliger Kommentar sagen dazu ja leider nix... :-(

Gruß
Birgit

--
MfG
Birgit

Einführung Vertrauensarbeitszeit

hackenberger, Monday, 27.11.2006, 13:42 (vor 6382 Tagen) @ BirgitKE

Hallo Birgit,

ich kenne nur Medien/Beiträge/Aussagen welche von "Vertrauensarbeitszeit" abraten. Es geht letztlich immer zu Lasten der AN. Euer BR/PR soll doch ganz einfach einmal den AG folgende Fragestellung geben: " Der AN erhält ein Aufgabenpaket welches nach beidseitiger Einschätzung ein Arbeitsvolumen von 3 Tagen beinhaltet. Er schafft es weil er sehr gut ist in 2 Tagen. Darf er dann 1 Tag zu hause bleiben, also bezahlte Freizeit> Ich denke euer AG antwortet dann genau wie unserer damals, NEIN. Denn dann war/ist lt. AG Feststellung bei der Bemessung des Arbeitspaktes ein Fehler aufgetreten und es wurde fälschlicher Weise zeit-/ aufwandsmäßig zu hoch eingeschätzt.

Auch in der Zeitschrift AiB (Arbeitsrecht im Betrieb) des AiB-Verlages wurde dieses Thema "Vertrauensarbeitszeit" sehr negativ bewertet.

Sollte es nicht zu verhindern sein, weil der BR/PR hier seinen guten ablehnenden Stand aufgibt, sollte man sich ja sehr wohl überlegen, wie man hier dann mit dem Thema Schwerbehinderte und auch §§ 81 und 124 SGB IX umgeht.

Wir haben es letztlich abgelehnt, was auch gut si war.

Du kannst aber einmal versuchen den BR/ die SchwbV der IBM anzusprechen, die hattens es so glaube ich einmal eingeführt.;-)

Du findest aber auch unter www.soliserv.de und bei www.google.de vieles hierzu, sofern du den Suchbegriff "Vertrauensarbeitszeit" eingibts.;-)

Einführung Vertrauensarbeitszeit

BirgitKE, Berlin, Tuesday, 28.11.2006, 07:09 (vor 6382 Tagen) @ hackenberger

Hallo Bernhard,

danke für Deine Tips.

Die Geschichte mit dem Googeln habe ich natürlich gemacht :-P , aber da kriege ich leider keine Hinweise zum Umgang Vertrauensarbeitszeit / Schwerbehinderte... :-D

Ich will auch stark hoffen, dass unser PR auf seinem Standpunkt bleibt und nicht weich wird...

Gruß
Birgit

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MfG
Birgit

Einführung Vertrauensarbeitszeit

Gerhard Weber @, Tuesday, 28.11.2006, 14:52 (vor 6381 Tagen) @ BirgitKE

Liebe Birgit,

bitte schaue mal bei den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes vom
6. Mai 2003 unter www.bundesarbeitsgericht.de nach. Der Tenor des BAG-Urteils
lautet: Zur Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe nach § 80 I Nr. BetrVG benötigt der Betriebsrat ... Kenntnis von Beginn und Ende der täglichen ... Arbeitszeit der Arbeitnehmer.

Der Arbeitgeber hat seinen Betrieb so zu organisieren, daß er die Durchführung der geltenden Gesetze,... selbst gewährleisten kann. Er muß sich deshalb über die genannten Daten in Kenntnis setzen und kann dem Betriebsrat die Auskunft hierüber nicht mit der Begründung verweigern, er wolle die tatsächliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer wegen einer im Betrieb eingeführten "Vertrauensarbeitszeit" bewußt nicht erfassen.


Grüße

Gerhard Weber, SBV LBS Rheinland-Pfalz;-)

Einführung Vertrauensarbeitszeit

Hans-Peter-Semmler, Regensburg, Tuesday, 28.11.2006, 19:08 (vor 6381 Tagen) @ Gerhard Weber

Gelesen auf einer Internetseite für Arbeitgeber: http://www.arbeitsrecht.org/arbeitsrecht/meldung32331.html#

Vertrauensarbeitszeit vor dem Aus - Kontrolle ist Pflicht
Die Idee ist gut: Sie vereinbaren mit Ihren Mitarbeitern eine bestimmte durchschnittliche Arbeitszeit und überlassen es den Mitarbeitern selbst, diese je nach Arbeitsanfall und persönlichen Bedürfnissen zu verteilen. Arbeitszeitkontrollen durch Ihr Unternehmen gibt es nicht. Dieses in vielen Betrieben erfolgreich praktizierte Modell der Vertrauenszeit dürfte rechtlich aber kaum noch haltbar sein. Denn:

Als Arbeitgeber sind Sie verpflichtet, dafür zu sorgen und zu kontrollieren, dass Ihre Mitarbeiter die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes und insbesondere die vorgeschriebenen Ruhezeiten (mindestens 11 Stunden nach jedem Arbeitstag) tatsächlich einhalten (EuGH, 7.9.2006, C-484/04).

Im Urteilsfall ging es zwar nur um einen Leitfaden des britischen Ministeriums für Handel und Industrie, der die britischen Arbeitgeber von der Kontrollpflicht entband – was nach der Entscheidung des EuGH europarechtswidrig war. Das Ergebnis deckt sich aber mit den Entscheidungen deutscher Gerichte (BAG, 6.5.2003, 1 ABR 13/02, LAG Niedersachsen, 8.11.2004, 5 TaBV 36/04).

Sie als Arbeitgeber müssen also dafür einstehen, wenn Ihre Mitarbeiter im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit mehr als zulässig arbeiten. Verstöße können als Ordnungswidrigkeit oder sogar als Straftat geahndet werden. Schade, wenn ein so viel versprechender und partnerschaftlicher Ansatz auf dem Rechtsweg kaputt gemacht wird.

Anmerkung: Unterstützt durch die Rechtssprechung des EuGH müssen wir (SchwbV und BR/PR) bei den sbM genau hinsehen. Durch Gruppenzwang bzw. utopische Zielvorgaben schaffen viele das "Geforderte", aber es geht an die körperliche Substanz.

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Herzlichen Gruß
Hans-Peter

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