Übernahme der Kosten für Hörgeräte (Hilfsmittel)

Alexander @, Saarland, Tuesday, 19.12.2006, 17:24 (vor 6344 Tagen)

Hallo zusammen,

es geht um das leidige Thema ob die Krankenkasse 100% der Hilfsmittel, sprich Hörgeräte übernehmen muß. Der Antrag auf 100% Kostenübernahme für zwei neue Hörgeräte wurde nur für den Festbetrag genehmigt. Dies bedeutet, dass ich Widerspruch einlegen muß, wie kann ich diesen optimal begründen,ohne mit der Klage vor dem Sozialgericht zu drohen.

Ich halte es für ein unding, das Menschen mit Behinderung überhaupt Kosten übernehmen sollen, da sie für Ihre Behinderung selbst nichts können. Es kann nicht sein, dass Menschen mit Behinderung diese Leistungen selbst zahlen und somit schlechter gestellt sind als Menschen ohne Behinderung.

Kann ich Urteile bzw. Gesetze angeben> Ich sehe nicht ein, dass die Krankenkasse sich aus ihrer Verantwortung mit einem Festbetrag stehlen kann.

Andere Träger wie Integrationsamt oder Arbeitsamt lehnen Kostenübernahme ab, mit der Begründung es wäre medizinische Rehabilitation und keine berufliche Rehabilitation. Das Integrationsamt wäre nur für Beamte zuständig und das Hörgerät wäre kein Hilfsmittel.

Was kann man tun, um zu seinem Recht zu kommen, sonst braucht man kein AGG.

Grüße und Frohe Weihnachten, dieses Forum bzw. diese Seite ist ein großer Gewinn.

Alexander

Übernahme der Kosten für Hörgeräte

Mister M, Bayern (Franken), Wednesday, 20.12.2006, 09:23 (vor 6343 Tagen) @ Alexander

Hallo Alexander,

da ich selbst hörbehindert bin, kenne ich dieses Problem aus eigener Erfahrung. :-(

Es gibt zu dieser Frage immer mehr Urteile, die die Krankenkassen verpflichten, die Kosten für Hörgeräte über den (viel zu geringen) Festbetrag hinaus zu 100% erstatten. Voraussetzung ist aber, dass der Patient mit den zuzahlungsfreien Hörgeräten ein schlechteres Sprachverstehen hat als mit den besseren (und teureren) Hörgeräten!

Hierzu verweise ich auf die informative Seite des Deutschen Schwerhörigenbundes: http://www.schwerhoerigen-netz.de/MAIN/home.asp

Ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Neue Jahr 2007!:ok:

Michael

--
Grüße aus dem schönen Franken!

Michael

Übernahme der Kosten für Hörgeräte

Wolfgang E., Sunday, 10.06.2007, 15:54 (vor 6171 Tagen) @ Mister M

» Es gibt zu dieser Frage immer mehr Urteile, die die Krankenkassen verpflichten, die Kosten für Hörgeräte über den (viel zu geringen) Festbetrag hinaus zu 100% erstatten.

1. Für die Versorgung mit Hörhilfen gilt in der gesetzlichen Krankenversicherung das Sachleistungsprinzip (Anschluss an BVerfG, Urteil vom 17.12.2002, 1 BvL 28/95, 29/95 und 30/95).
2. Ist eine bestimmte Hörhilfe notwendig, so hat die Krankenkasse diese Hörhilfe in vollem Umfang und ohne Eigenleistung der Versicherten zu gewähren (Anschluss an BVerfG, Urteil vom 17.12.2002, 1 BvL 28/95).
3. Hat eine gesetzliche Krankenkasse den Anspruch auf Versorgung mit einer notwendigen Hörhilfe zu Unrecht abgelehnt und hat sich die Versicherte das Hörgerät selbst beschafft, so muss sie sich nicht mit einer Teilkostenerstattung zufrieden geben.

(LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 15.6.2005 - L 4 KR 147/03)

» Ich sehe nicht ein, dass die Krankenkasse sich aus ihrer Verantwortung mit einem Festbetrag stehlen kann. Andere Träger wie Integrationsamt oder Arbeitsamt lehnen Kostenübernahme ab mit der Begründung, es wäre medizinische Rehabilitation und keine berufliche Rehabilitation.

Vorrangige Leistungsträger für eine behinderungs- und bedarfsgerechte Versorgung mit Hörgeräten sind die gesetzlichen Krankenkassen (medizinische Rehabilitation) und für die berufliche Rehabilitation die Bundesagentur für Arbeit und die Rentenversicherungsträger.

Wenn ohne höherwertige Hörgeräte die weitere Berufstätigkeit gefährdet ist, dann sind die Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gegeben (§ 33 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 SGB IX). Dafür ist dann der Träger der beruflichen Rehabilitation regelmäßig zuständig, nicht aber das Integrationsamt.

Es mag ja sein, dass früher einzelne Fälle anders entschieden wurden, wie von Bernhard angedeutet. Fakt ist aber, dass solche "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben" nach § 5 Nr. 2 SGB IX regelmäßig von den Trägern der beruflichen Rehabilitation wie "Deutsche gesetzliche Unfallversicherung", "Deutsche Rentenversicherung" oder von den Arbeitsagenturen zu übernehmen sind und nicht vorrangig von den Integrationsämtern. So jedenfalls ist die Rechtslage nach § 102 Abs. 5 SGB IX.


Wegweiser Rehaträger:
www.integrationsaemter.de

Übernahme der Kosten für Hörgeräte

hackenberger, Wednesday, 20.12.2006, 10:40 (vor 6343 Tagen) @ Alexander

Hallo Alexander,

ich gehe einmal davon aus, dass Du das Hörgerät auch benötigst um deinen beruf weiter ausüben zu können. Dann kannst Du für den Teil der dir als Eigenbehalt bleibt beim Integrationsamt einen Antrag auf Leistungen gem. der SchwbAV §§ 19/24/25 (begleitende Hilfen) stellen.

Aber bitte beachten: Hilfen können nur gewährt werden, wenn die Antragstellung vor dem Kauf des Hilfsmittels erfolgt.

Festbeträge für Hörgeräte sind nicht immer bindend - Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 2.6.2005

Die Krankenversicherung muss notfalls auch Hörgeräte bezahlen, die teurer als die sogenannten "Festbeträge" sind. Das hat die 18. Kammer des Sozialgerichts Dresden in einem Urteil vom 2. Juni 2005 entschieden.

Der 24-jährige Kläger leidet seit seiner Kindheit an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Zuletzt erhielt er 1999 ein analoges Hörgerät, das damals ca. 2.700 DM kostete. Während seines Studiums des Verkehrsingenieurwesens konnte er damit den Vorlesungen nur schlecht folgen. Er brach das Studium ab und wartet nun auf eine Ausbildungsstelle.

Ein Sachverständiger hat festgestellt, dass der Kläger mit einem digitalen Mehrkanalgerät sehr viel besser hören könnte. Dieses Gerät kostet ca. 4.000 €. Die AOK will dem Kläger nur einen Kostenanteil in Höhe des damals gültigen Festbetrages von 1.094,16 € zahlen. Den Rest kann der arbeitslose Kläger aber nicht aufbringen.

Das Sozialgericht Dresden gab seiner Klage statt. Dazu der Vorsitzende der 18. Kammer, Jan Spitzer: "Hörgeschädigte haben Anspruch auf einen vollständigen Behinderungsausgleich nach dem Stand der Medizintechnik. Wenn sie mit einem digitalen Hörgerät wesentlich besser hören könnten als mit einem analogen, kann die Krankenkasse nicht behaupten, die bisherigen Hörgeräte seien ausreichend. Wenn es zum Festbetrag kein Hörgerät gibt, mit dem der Versicherte im Alltag mit Gesunden gleichziehen kann, dann ist der Festbetrag nicht bindend. Die Krankenkasse muss die vollen Kosten für das bessere Gerät tragen."

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Aktenzeichen: S 18 KR 210/02)


PS: Auch ich habe schon 2 x entsprechende Zuschüsse erhalten.

Übernahme der Kosten für Hörgeräte

Peter L, Tuesday, 09.09.2008, 12:44 (vor 5714 Tagen) @ Alexander

Hallo zusammen,

ich bin ganz neu in diesem Forum.
Auch wenn das Thema Hörgeräte hier im Teil "Hilfsmittel" schon sehr alt ist möchte ich kurz darauf hinweisen, dass ich selbst Hörgeräteträger bin und ehrenamtlich im Deutschen Schwerhörigenbund e.V. tätig bin.
Von daher habe ich sehr viele Informationen zu diesem Thema.

Empfehlenswert ist wie schon erwähnt die Seite:
www.schwerhoerigen-netz.de

Ich bin in unserem Unternehmen auch Schwerbehindertenvertreter.

Schönen Gruß

Übernahme der Kosten für Hörgeräte

Petramäuschen, Berlin, Tuesday, 09.09.2008, 17:44 (vor 5714 Tagen) @ Alexander

Hallo Alexander,

also, ich habe zwei Kollegen dabei unterstützt, die Anträge bei der Rentenversicherung (Teilhabe am Arbeitsleben)zu stellen, da sie nur mit diesen speziellen Geräten weiter ihren Beruf ausüben können. Unser Betriebsarzt hat auch eine positive Stellungnahme dazu abgegeben. Zusammen mit einem Attest vom HNO-Arzt und dem Kostenvoranschlag haben wir es eingereicht und beide Anträge wurden bewilligt. Abzüglich Kassenleistung wurde jeweils die beantragte Summe voll (einmal knapp 2.000,-- Euro und das andere Mal 4.000,-- Euro) übernommen. Die Anträge auf Schwerbehinderung sind bis heute noch nicht abschließend bearbeitet, hätten wir es auf diesem Weg versucht, würden die Kollegen immer noch warten.

Es über die Krankenkasse zu beantragen, habe ich noch nie versucht. Aber der o. g. Weg war halt auch ein Erfolg. Wichtig für mich war, dass die Kollegen das nicht aus eigner Tasche bezahlen müssen.

Viele Grüße
Zuli

RSS-Feed dieser Diskussion