Freistellung/Rechtsstreitigkeit (Freistellung)

Fransi, Niedersachsen, Wednesday, 17.01.2007, 10:40 (vor 6312 Tagen)

Hallo,

im Rahmen der Schwerbehindertenwahlen bin ich als Vertrauens- als auch Gesamtvertrauensperson (im öffentlichen Dienst) für weitere 4 Jahre gewählt worden. Bisher hatte ich eine volle Freistellung.

Die erforderliche Anzahl von 200 schwerbehinderten Menschen, für die die SBV auf ihren Wunsch freigestellt wird, erreiche ich nicht.

Der Arbeitergeber will mir für die neue Amtsperiode nur noch eine 50% Freistellung gewähren.

Daraufhin habe ich eine umfassende Stellungnahme abgegeben und auf

1.die Kommentierung des Dr. Horst H. Cramer (Beanspruchung einer völligen Arbeitsbefreiung bereits bei mehr als 100 schwerbehinderten Menschen) und der bei größeren Betrieben beschriebenen Überschlagsrechnung hingewiesen. Danach ist eine volle Freistellung gegeben.

2.Ferner habe ich eine eigene Dokumentation der Arbeitszeit der Schwerbehindertenvertretung, unterteilt nach Aufwand wöchentlich, monatlich und jährlich aufgelistet. Auch danach ergibt sich eine volle Befreiungung.

Aufgrund meiner Ausführungen habe ich eine komplette Freistellung beantragt.

Nach dem letzten Gespräch (der AG weicht nicht von seiner Haltung ab) scheint ein Konflikt vorprogrammiert. Ich sehe derzeit eine Klärung im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht als einzige Möglichkeit zur Durch-setzung der Rechte der Schwerbehindertenvertretung an.

Frage: Wer verfügt über ähnliche Erfahrungen> Wer hat seine Rechte im Beschlussverfahren durchgesetzt> Wer kennt einen versierten Anwalt, der sich in der Materie bestens auskennt>

Für Eure Mühen danke ich schon mal im Voraus.


Fransi

Freistellung/Rechtsstreitigkeit

Ede vom Bayerwald, Wednesday, 17.01.2007, 11:12 (vor 6312 Tagen) @ Fransi

Hallo Fransi,

Hast du noch Gleichgestellte Kollegen zu vertreten, oder sind die schon mitgerechnet>
Hast du die Möglichkeit, weitere Kollegen in die Gleichstellung zu bringen>

Denn die Zahl 200 ist meines Wissens die Gesetzesgrenze und auch noch so viele gute, logische, sachliche Gründe müssen den AG nicht dazu bringen unter dieser Anzahl von 200 Schwerbehinderten (INKLUSIVE der Gleichgestellten!)die SBV zu 100% frei zu stellen.
Wenn Aufgaben anfallen ist der Vertreter sowieso in jedem Fall kurzfristig frei zu stellen, d.h. er muss halt seinem Vorgesetzen melden, dass er jetzt SBV Tätigkeit wahrnimmt. In diesem Rahmen ist eine Arbeitsaufstellung sicherlich hilfreich, insbesondere wenn wirklich real an die 100% der Arbeitszeit notwendig sind.

Also vor Gericht werden möglicherweise mehr als 50% rauskommen, aber 100% Freistellung, da sind die Angaben im Gesetz wohl zu scharf formuliert, leider!
Ein Kommentar alleine ist da wohl leider nicht ausreichend um so etwas vor einem Gericht duirchzukämpfen, wenn der AG pardu nicht will.

Wo ist dein Betrieb>
Anwalt wo> Ein Süddeutscher wird dir, wenn du in Norddeutschland bist nicht viel helfen.
In Regensburg weiß ich eine gute Fachanwaltskanzlei für Arbeitsrecht, einer für öffentlichen Dienst, einer für freie Wirtschaft.

Freistellung/Rechtsstreitigkeit

Fransi, Niedersachsen, Wednesday, 17.01.2007, 13:53 (vor 6312 Tagen) @ Fransi

» Hallo Ede,

zunächst herzlichen Dank für Deine schnelle Stellungnahme.

Allerdings - so ganz kann ich Deine Ansicht nicht teilen.

Neben der gesetzlich möglichen Freistellung lässt das Gesetz ausdrücklich weitergehende Regelungen zu. Insofern sind die Beiträge im Forum mit Hinweis auf die Kommentierung von Dr. H.H. Cramer (....wenn in der Re-gel mehr als 100 schwerbehinderte Menschen...zu betreuen sind.....völlige Arbeitsbefreiung.. sofern erste stellvertrende Mitglied nicht herangezogen wird..) sowie zur Überschlagsrechnung, wie sie in größeren Betrieben praktiziert wird, sehr hilfreich.

Auch die Richtlinien des Landes NRW zum SGB IX vom Mai 2005 enthalten eine Freistellungsregelung nach einer Personalbedarfsberechnung des Fi-nanzministeriums, die deutlich weniger als 200 zu betreuende schwerbe-hinderte Menschen für eine völlige Freistellung vorsieht.

Die Schwerbehindertenvertretung ist ja nicht nur für die schwerbehinderten Menschen, sondern auch für die von Behinderung bedrohten KollegInnen zuständig. Ferner sollte zu berücksichtigen sein, dass sich die Aufga-benstellung der SBV über die Jahre inhaltlich deutlich verändert hat, wie z.B. durch Personalabbau, Leistungsverdichtung, Rechtsformänderungen, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen usw.

Ferner ergeben sich seit 2004 auch zusätzliche Aufgaben durch die Einführung des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Auch hier steuert die SBV einen nicht unerheblichen Beitrag zum Gelingen bei.

Ich arbeite übrigens im ÖD in Niedersachsen. Deshalb dürfte Regensburg, dass sicherlich eine Reise wert ist, nicht in Frage kommen.

Liebe Grüße in den Süden

Fransi

Freistellung/Rechtsstreitigkeit

Ede vom Bayerwald, Wednesday, 17.01.2007, 16:30 (vor 6312 Tagen) @ Fransi

Hallo Franzi,
nun mit der Notwendigkeit der Freistellung sind wir uns ja nun einig.

Das Problem ist halt der Gesetzestext und die dort enthaltenen Zahlen. UNd der Gesetzestext ist in der Regel für ein Gericht maßgebend, leider.

Wir haben hier in Bayern auch einen Fürsorgeerlass, der in vielen Bereichen über das Gesetz hinaus geht. Aber Erlasse sind nicht so einfach einklagbar und freiwillige Leistungen, die ja, soweit sie über das Gesetz hinausgehen sind IMMER erlauibt, aber wohl nicht einklagbar, das wollte ich eigentlich klar machen.

Der Aufgaben sind mehr als genug für die SBV und sie wachsen an, klar! Aber der AG wird das nicht sehen wollen und hinein regieren (siehe SGB IX §156). Nun ja hab viel Erfolg, wenn du das gerichtlich klären willst. Kann ja auch ganz anders ausgehen, als ich das denke. Wie dem auch sei, lass es uns hier wissen, wenn du Erfolg haben solltest, würde sicher den einen oder anderen ermutigen, mehr zu wollen.

Richtig. Regensburg ist für Niedersachsen eher was zum Urlaub machen und nicht als Standort für meinen Rechtsvertreter.

Freistellung/Rechtsstreitigkeit

hackenberger, Wednesday, 17.01.2007, 16:39 (vor 6312 Tagen) @ Fransi

Hallo Fransi,

die "echte" Freistellung ist nur das eine. Sofern Du, was ich vermute wegen den Tatsachen, Betreuung der vielen Koll. (Gespräche etc.) der Teilnahme an allen BR-Gremiensitzungen incl. alle Ausschüsse, dieses sowohl als örtl. SchwbV wie auch als GSchwbV, also auf beiden Ebenen den notwenigen Gesprächen mit den IA, VA usw. sowie Tagungen/Schulungen und den vielen notwenigen gesprächen mit den verschiedenen AG-Stellen, kommt bestimmt ein wesentlich größerer Freistellungsumfang heraus. Also bist Du die Zeit welche über die vom AG gesehen 50% Freistellung hinaus geht wegen der Mandatsaufgaben an der Wahrnehmung anderer Aufgaben/Tätigkeiten ausßerhalb der Mandatsaufgaben gehindert. Im Ergebnis bis Du dann zu 100% als SchwbV tätig. Nach einiger Zeit wird der AG dann bestimmt bereit sein, auch schon aus Grüden der Planungssicherheit sich mit Dir über das Thema Freistellung neu zu unterhalten.

Ps: Ggf. must Du als GSchwbV auch noch Koll. betreuen welche keine örtl. SchwbV haben. Dann hats Du ja auch als gewissenhafte GSchwbV die Notwendigkeit der Teilnahme an den örtl. BR-Gremien für die Du wegen fehlender örtl. SchwbV diese Aufgabe gem. SGB IX wahrnimmst.

Überzeugung ist einfach alles.

Freistellung/Rechtsstreitigkeit

David ⌂, NRW, Wednesday, 17.01.2007, 18:22 (vor 6312 Tagen) @ Fransi

» Hallo Fransi,


wenn Du es bisher noch nicht versucht hast, so sattel das Pferd doch einmal anders auf. Das Gesetz schreibt die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung in verschieden personellen und auch anderen Maßnahmen vielfältig vor. Die Einhaltung dieser Gesetze gilt für den Arbeitgeber und, gemäß dem Recht auf Teilnahme an den Sitzungen des BR, auch darüber hinaus für den Betriebsrat. Wobei dieser generell auf die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften ein waches Auge haben muss.

Eine, ohne die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, getroffene Entscheidung ist auszusetzen....etc. Die Schwerbehindertenvertretung ist weisungsungebunden in ihrer Tätigkeit und ein Eingriff in die Rechtsgeschäfte der Schwerbehindertenvertretung ist unzulässig.

Mit diesen Hinweisen gehe doch einmal (vertrauensvoll) an den AG heran und weise Ihn auf mögliche rechtliche Schwierigkeiten und Konsequenzen hin, welche er verursacht, wenn er Dir die notwendigen Freistellungsumfänge nicht ermöglicht.
Dass Du übersichtlich in der Ausarbeitung der Zeitanforderungen für die Betreuung der schwer behinderten Menschen in Euerem Betrieb gearbeitet hast und dies mit bestem Wissen und Gewissen solltest Du nicht unerwähnt lassen...vielleicht hilft das

..........und da war doch noch.... der Beauftragte des Arbeitgebers für Schwerbehindertenangelegenheiten, der meines Wissens von jedem Arbeitgeber benannt werden muss.......


Viel Erfolg

Gruß
David
VPschwbM

Freistellung/Rechtsstreitigkeit

Fransi, Niedersachsen, Thursday, 18.01.2007, 12:09 (vor 6311 Tagen) @ Fransi

Hallo Bernhard,

vielen Dank für Deine wertvollen Hinweise, nicht nur in diesem Fall, sondern auch für die kompetenten Sachbeiträge, die ich bereits seit ca. 2 Jahren sehr interessiert verfolge.

Die Tätigkeiten, die Du beschrieben hast, habe ich bereits in einem Tätig-keitsbericht zeitlich genau definiert.

Wenn der AG nunmehr formal eine 50% Freistellung erteilt, der Einsatz der SBV allerdings 100 % erfordert, wird es aus meiner Sicht – sofern der AG nicht zu belehren ist – zwangsläufig zu „Reibereien“ kommen.

Wäre es dann sinnvoll, das Arbeitsgericht zur Klärung der Angelegenheit (Behinderung der Mandatsarbeit) anzurufen oder sollten die Schritte des AG, die ggf. auf arbeitsrechtlicher Basis verhängt werden, abgewartet werden, um danach aktiv werden.

Ich erwarte keine rechtsverbindliche Auskunft, wäre Dir aber für einen weiteren Hinweis, ggf. aus der Praxis, dankbar.

Liebe Grüße aus dem Norden der Republik.

Fransi

Freistellung/Rechtsstreitigkeit

Wolfgang H., Friday, 19.01.2007, 09:45 (vor 6310 Tagen) @ Fransi

Hallo Fransi,

ich bin als VPS für 33 SbM zuständig, und als G-VPS für 40 Personen, zusaätzlich bin ich BR-Mitglied. Von der Anzahl der zu betreuenden Personen her dürfte der Job kaum ins Gewicht fallen. Mein AG ist aber hyperaktiv und hat in den vergangenen vier Jahren in ca. 20 Fällen Anlass gegeben, dass ich sehr aktiv werden musste.

Zusätzlich nehme ich an allen BR-Sitzungen, GBR-Sitzungen, WA-Sitzungen und Monatsgesprächen mit der GL teil.

Die ganzen Aktivitäten beanspruchen mich in der Regel mit weit über 50% meiner Arbeitszeit. Ich habe keinen Anspruch auf auf irgendeine festgeschriebene Freistellung. Aber.... ich habe ein Recht meine Aufgaben als VPS uneingeschränkt und ohne Behinderung wahrzunehmen.
Selbstverständlich sind meine Kollegen durch mein Engagement direkt betroffen, weil sie doch ein höheres Arbeitspensum leisten müssen. Nachdem sie aber merken, dass mein BR- und VPS-Einsatz sich für die Belegschaft insgesamt posititv auswirkt, habe ich da keine Probleme.
Von Seiten des AG wurde mein zeitlicher Einsatz nie moniert (Vielleicht spielt da auch das Bewußtsein beim AG mit, dass er weiß, dass er sich nicht gesetzeskonform verhält).

Freistellung/Rechtsstreitigkeit

Apanatshi, Bayern, Friday, 19.01.2007, 11:33 (vor 6310 Tagen) @ Wolfgang H.

Hallo Wolfgang,
ein entscheidender Vorteil bei Dir ist, dass Deine Kollegen Deine Situation als SBV und BR unterstützen und vermutlich auch Dein direkter Vorgesetzter.
Dies ist bei mir so nicht der Fall. Darüberhinaus läßt es sich organisatorisch sehr schwierig mit der SBV-Arbeit vereinbaren, wenn ich z.b. Urlaubsvertretung einer Kollegin übernehmen muss und eigentlich präsent sein sollte in diesem Fachgebiet. Werde ich nun mit SBV-Tätigkeiten beauftragt, kann ich die vor allem in dieser Zeit oft nicht ausreichend oder gar nicht wahrnehmen und muß evtl. die Termine verschieben, wenn möglich oder meine Stellvertretung aktivieren, die natürlich in die Arbeit nur bedingt involviert ist und über weniger Erfahrung verfügt. Knifflige angelegenheiten kann ihr schlecht übertragen. Eigentlich dürfte ich rein rechtmäßig meine Stellvertretungen in diesen Fällen gar nicht aktivieren, da die SBV-Arbeit Vorrang hat. BEfinde mich also oft auf einer Gradwanderung. Besonders in diesen Urlaubsvertretungszeiten fallen immer wieder Überstunden an, da ich die Arbeit einfach in der regulären AZ nicht schaffe. Manchmal weiß ich nicht mehr wo mir der Kopf steht.
Ich habe insgesamt 55 SB/Gleichgestellte zu betreuen sowie weitere 32 von Behinderung bedrohte Personen, die ebenfalls entsprechend betreut werden müssen bzw. sich in antragsverfahren etc. befinden. Dazu sind wir immer noch zweihäusig, wenn auch auch nur etwa 1 km Luftlinie entfernt. An BR-Sitzungen, Monatsgesprächen und Arbeitssicherheitsausschuss-Sitzungen nehme ich teil, letztere aber nicht ganz konsequent. An Wirtschaftsausschuss-Sitzungen habe ich noch nie teilgenommen, da ich das gar nicht mehr schaffe (Vorarbeit, Sitzungszeit etc.).
Eine Freistellung wäre in diesem Fall für mich schon von Vorteil (mit 50%, also 19,25 Std. wö. wäre mir schon viel geholfen), denn langsam geht die Angelegenheit auch an meine gesundheitliche Substanz, da die Arbeit leider nicht weniger sondern immer mehr wird. Ich werde den Versuch einer Freistellung auf jeden Fall starten und hoffe trotz angespannter Finanzlage die Zustimmung zu erhalten. Immerhin habe ich für den Arbeitgeber im vergangenen Jahr über 20.000 € erwirtschaftet (Lohnkostenzuschüsse, techn.Hilfsmittel etc.), Tendenz steigend.
Sollte jemand noch einen guten Tipp haben, wie ich die Freistellung noch erreichen kann, dem wäre ich sehr dankbar. Erfolgsmeldung werde ich dann selbstverständlich sofort weitergeben, damit andere darauf aufbauen können.
Gruß Apanatshi

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