Aufforderung des AG zur Einsicht der Wahlakten (Wahlen)

lyle @, Sunday, 21.01.2007, 10:02 (vor 6307 Tagen)

Letzten Dienstag, 09.01.07 war bei uns im Hause die erstmalige Wahl eines SBV.
Bei dieser Wahl war ich Wahlleiter und bin gewählter SBV.
Erst wurde ich seitens des BRV und seit vorgestern von der Geschäftsführung und Personalleitung werde ich zum wiederholten Male, unter Fristsetzung aufgefordert, dem Personalleiter Einsicht in die Wahlunterlagen zu gewähren.
Auf mein Widerspruch dass hierzu kein Rechtsanspruch besteht erhielt ich nun eine weitere Mail des Personalleiters. Er verweist auf den Paragraph 16 der SchwbVWO wonach ein Recht zur Einsichtnahme bestehe.

Originaltext des Anhangs aus dessen Mail (SchwbVWO §16, Beck´sche Kommentare zum Arbeitsrecht): Alle Interessierten die die Wahl anfechten könnten oder sich auf die Nichtigkeit der Wahl berufen könnten haben ein Einblicksrecht in die Unterlagen.

Wer hat hier Recht>
Ich war seither der Meinung dass die SchbVWO bei dieser Wahl zu beachten ist, im §16 steht nichts von Einblickrecht aller Interessierten.

Aufforderung des AG zur Einsicht der Wahlakten

hackenberger, Sunday, 21.01.2007, 11:50 (vor 6307 Tagen) @ lyle

Hallo Iyle,

bisher hatte ich mit dieser Frage auch noch nie in über 15 Jahren Beschäftigung. Ich habe einmal das Thema "gegooglet www.google.de". Hier das Ergebnis:

Einsichtsrecht des Arbeitgebers in Wahlunterlagen der Betriebsratswahl
www.verdi-bub.de/urteile/archiv/archivdb/2005_121
BAG, Beschluss vom 27.07.2005, 7 ABR 54/04
www.lexetius.com/2005,2563

Orientierungssätze:

Der Anspruch des Arbeitgebers auf Einsichtnahme in die vom Betriebsrat aufbewahrten Wahlakten der Betriebsratswahl erstreckt sich nicht auf Bestandteile der Wahlakten, die Rückschlüsse auf das Wahlverhalten einzelner wahlberechtigter Arbeitnehmer zulassen. Die Einsichtnahme in derartige Unterlagen ist nur zulässig, wenn gerade dies zur Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Wahl erforderlich ist. Diesen Anspruch hat der Arbeitgeber begründet darzulegen.

Auch das BAG hat entschieden, dass der Antrag der Arbeitgeberinnen unbegründet ist. Aus § 19 WO ergebe sich zwar grundsätzlich ein Anspruch des Arbeitgebers auf Einsichtnahme in die vom Betriebsrat aufbewahrten Wahlakten, ohne dass es der Geltendmachung eines besonderen rechtlichen Interesses oder der Darlegung von Anhaltspunkten für das Bestehen von Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründen bedarf.

Das gilt aber nicht für die Bestandteile der Wahlakten, die Aufschluss über das Wahlverhalten einzelner wahlberechtigter Arbeitnehmer geben können. Begehrt der Arbeitgeber Einsichtnahme auch in diese Schriftstücke, muss er Umstände darlegen, aus denen sich ergibt, dass die Kenntnis auch dieser Unterlagen zur Prüfung oder Ordnungsmäßigkeit der Wahl erforderlich ist.

www.arbeitsrecht.de/arbeitsrecht/RechtKompakt/Rechtsprechung/2005/04_2005/2005_11_18_2.php>navid=1

Unter der Links findest Du mehr.

Teile dem AG mit, dass man es bedauern würde, wenn durch ein so nicht übliche Verhalten/Forderung besonders wenn sie auch nicht für die SchwbV nachvollziehbar wäre, die gute Zusammenarbeit gestört würde. Dieses wäre gerade beim Start einer neuen MA-Vertretung sehr schade.

Sollte er seine Forderung aufrecht halten würde ich darauf bestehen, dass der AG einen nachvollziehbaren berechtigten Grund hierfür benennt und nicht nur den §§ aus der SchwbVWO. Auf keinen Fall aber würde ich Einsicht in die Teilnahmeliste oder die Wahlzettel gewähren. Also würde ich nur eine Kopie der Bekanntmachung des Wahlergebnisses und eine Liste der Kandidaten (wegen des nachwirkenden Kündigungsschutzes für 6 Monate als Wahlbewerber) dem AG bereitstellen.

Bitte aber auch einmal in Ruhe mit dem AG besprechen und auf die Bedenken der SchwbV hinweisen. Sollte der AG weitergehende Einsichten fordern, müsste er notfalls sich dann u.U. einen Gerichtsbeschluß zur Einsichtsnahmen besorgen, was aber schade wäre.

Man kann auch das IA zur Vermittlung/Klärung hinzu bitten. Einen entsprechenden Hinweis an den AG, hier einen "externen dritten" mit in dieses Thema einzubinden, also eine gewissen Öffentlichkeit herzustellen, könnte das Interesse des AG an seiner Forderung möglicher weise schon beenden.

Bei Forderungen des BR/BRV genauso verfahren.

Ich habe hier den Eindruck, dass es bestimmte Menschen bei Dir im Unternehmen gibt welche mit dem Ergebnis der Wahl "unzufrieden" sind. Sollten diese berechtigte Interessen/Gründe hier haben, dass etwas nicht richtig gelaufen ist, so mögen diese die Wahl im Rahmen der gesetzlichen Wege anfechten/beklagen. Der Rechtsweg steht allen offen!

PS: Die hier aufgeführten rechtlichen Hinweise betreffen zwar die Wahl des BR, aber die Wahlordnung und Folgen sind vergleichbar.

Aufforderung des AG zur Einsicht der Wahlakten

lyle @, Monday, 22.01.2007, 08:10 (vor 6306 Tagen) @ hackenberger

Frage zur Berechnung der Einspruchsfrist:

Wenn am Dienstag 9.01. gewählt wurde und am selben Tag der AG die Bekanntmachung des Wahlergebnisses erhielt wann sind dann die 14 Kalendertage der Einspruchsfrist gegen die Wahl vorbei, am Montag 22.01. oder am Dienstag 23.01.>
Der ganze Ärger erledigt sich vielleicht schon alleine dadurch.

Aufforderung des AG zur Einsicht der Wahlakten

hackenberger, Monday, 22.01.2007, 08:31 (vor 6306 Tagen) @ lyle

Letzter Tag für die Anfechtung der Wahl beim Arbeitsgericht

im Geltungsbereich des BetrVG (§94 Abs.6 Satz 2 SGB IX i.V.m. BetrVG)
ist
Zwei Wochen bzw. 14 Kalendertagen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses (Achtung hier ist die Bekanngabe an die Beschäftigten i.d.R. "schwarzes Brett) gemeint!

im Geltungsbereich des des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG)
sowie des Landespersonalvertretungsrechts in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen (i.V. m. §94 Abs.6 Satz 2 SGB IX i.V.m.
BPersVG oder Landespersonalvertretungsrecht)
ist
12 Arbeitstage nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses

im Getungsbereich des des Landespersonalvertretungsrechts in Brandenburg
ist
10 Arbeitstage

Wichtig ist aber auch, die Nochtigkeit der Wahl (hier sind die rechtlichen Anforderungen wesentlich höher) kann zu jeder zeit und von jedermann beim zuständigen Gericht beantragt werden.

Aufforderung des AG zur Einsicht der Wahlakten

hackenberger, Tuesday, 23.01.2007, 08:39 (vor 6305 Tagen) @ lyle

Hallo Iyle,

Nach Ablauf der 14 Tage nach Veröffentlichung des Wahlergebnisses ist ja die Möglichkeit der Anfechtung der Wahl nicht mehr gegeben. Damit wäre auch kein berechtigtes Interesse an der Einsicht Berechtigter in die Wahlunterlagen merh gegeben. Denn eine mögliche Anfechtung welche Grundvoraussetzung für eine Anfechtung ist nicht mehr möglich.

Aufforderung des AG zur Einsicht der Wahlakten

lyle @, Thursday, 01.02.2007, 07:13 (vor 6296 Tagen) @ hackenberger

Zur Info

Nun wurde die Wahl vom Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht angefochten bzw. die wollen die Wahl für nichtig erklären lassen.

Aufforderung des AG zur Einsicht der Wahlakten

hackenberger, Thursday, 01.02.2007, 08:41 (vor 6296 Tagen) @ lyle

Hole dir bei deiner Gewerkschaft die entsprechende Beratung zwecks rechtlicher Unterstützung. Du kannst aber auch dir diesbezüglich bei IA oder auch bei VdK (dieser hat größtenteils Beratungsstellen für SchwbV) Beratung/Unterstützung holen.

Aufforderung des AG zur Einsicht der Wahlakten

Hans-Peter-Semmler, Regensburg, Sunday, 21.01.2007, 12:06 (vor 6307 Tagen) @ lyle

Hallo Lyle,
meine Ansichten werden von den in einem anderen Forum gegebenen Antworten abweichen:

Anfechtungsberechtigt innerhalb zwei Wochen sind:
- 3 Wahlberechtigte
- der Arbeitgeber oder
- die Gewerkschaft (dies ist umstritten)

Damit ist klar, dass der AG ein Recht zur Anfechtung hat.

Die Wahlunterlagen und Kommentierungen des (Arbeitnehmernahen) Bund-Verlages sagen aus, dass die SchwbV allen zur Wahlanfechtung berechtigten die Einsicht in die Wahlakten zu gestatten hat.

Nachdem für die Wahl und Anfechtung etc. das BetrVG gilt (siehe §94(6) SGB IX), hier nun der einschlägige Text dazu, denn so gilt es auch für die SchwbV:

BetrVG §19
Der Betriebsrat hat die Wahlakten mindestens bis zur Beendigung seiner Amtszeit aufzubewahren.

Unter Wahlakten sind die gesamten Wahlunterlagen im weitesten Sinne einschließlich der Stimmzettel zu verstehen. Gemeint sind somit alle Schrift- und Druckstücke, die der WV bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl gefertigt hat oder die ihm zugegangen sind. Dazu gehören z. B. das Wahlausschreiben, die erfolgten Aushänge, die Vorschlagslisten, die Bekanntmachungen des WV und seine Niederschriften, der Schriftwechsel des WV, die Stimmzettel und die Freiumschläge für die schriftliche Stimmabgabe.

Bei den Freiumschlägen für die schriftliche Stimmabgabe ist zu beachten, dass verspätet eingegangene Briefumschläge binnen vier Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ungeöffnet zu vernichten sind. Ist die Wahl angefochten worden, erfolgt die Vernichtung nach Rechtskraft des im Anfechtungsverfahren ergangenen Beschlusses.

Der WV hat die Wahlunterlagen dem BR zu übergeben, sobald dessen konstituierende Sitzung stattgefunden hat. Die Unterlagen können aber auch in der Sitzung übergeben werden, sobald die Wahl des BR-Vorsitzenden und dessen Stellvertreters erfolgt ist. Die Übergabe ist in der Niederschrift der Sitzung zu vermerken.

Der neugewählte BR hat die Wahlakten mindestens bis zur Beendigung seiner Amtszeit sorgfältig aufzubewahren. Er hat den zur Wahlanfechtung Berechtigten (vgl. § 19 Abs. 2 BetrVG ) die Einsichtnahme in die Wahlunterlagen zu gestatten, soweit die Unterlagen für ein Wahlanfechtungsverfahren benötigt werden.

Um Klärung in den Fall zu bringen kontaktiere einen RA für Arbeitsrecht oder die Gewerkschaft.

--
Herzlichen Gruß
Hans-Peter

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