Informationspflicht des AG - Rente statt Kündigung (Umgang mit Arbeitgeber)

Petra Becker @, Wednesday, 21.02.2007, 12:10 (vor 6281 Tagen)

Hallo zusammen,

ich bin seit November neue Schwerbehindertenvertretung in einer öffentlichen Verwaltung. Heute habe ich das Forum hier entdeckt und konnte auf verschiedene Fragen bereits Antworten finden.

Ich habe jedoch noch ein Problem und entsprechende Fragen dazu:

Letzte Woche wurde ich zu einem Gesprächstermin mit der Personalabteilung und zwei schwerbehinderten Kollegen eingeladen. Auf die telefonische Frage, was der Inhalt des Gesprächs ist, teilte mir die Personalsachbearbeitung mit, dass es um Rentenanträge gehen würde und der Personalrat mir genauers mitteilen wollte.
Bei dortiger Rückfrage wurde mir von der Personalratsvorsitzenden folgendes mitgeteilt:
Die schwerbehinderten Kollegen hätten im Januar diesen Jahres ein Schreiben der Personalabteilung erhalten, sie sollen sich beim Amtsarzt einen Termin zur Untersuchung holen. Dieser Termin fand am 06.02. statt und der Arbeitgeber erhielt in derselben Woche jeweils ein Gutachten das aussagt, beide Kollegen wären als "Waldarbeiter" nicht mehr erwerbsfähig.
Hierauf wurden die Kollegen aufgefordert, unverzüglich einen Rentenantrag beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen.

Nach diesem Bericht war ich erstmal platt!!!

Ich habe mich im SGV IX schlau gemacht, bin in § 95 Abs.2 fündig geworden und habe die Personalabteilung darauf hingewiesen, dass ich meiner Meinung nach hätte informiert werden müssen. Das Personalamt sieht das natürlich ganz anders und hat mir gleich unkooperatives Verhalten vorgeworfen.
Auf Nachfrage beim Integrationsamt wurde mir meine Auffassung aber bestätigt.

Gestern fand nun das Gespräch mit den Kollegen statt und es sieht so aus, als ob der ARbeitgeber auf einen Rentenantrag besteht. Gem. § 61 Manteltarifvertrag für Waldarbeiter ist er hierzu auch ermächtigt. Sollten die Kollegen die Anträge nicht stellen, kann ihnen sogar gekündigt werden.

Die beiden Kollegen wollen aber, auch aufgrund ihres Alters (51 und 55) noch keine Rente beantragen, da sie dadurch erhebliche finanzielle Einbußen hätten.

Fragen:
Hätte mich der Arbeitgeber nun informieren müssen oder nicht> Sprich, muss er mich in ALLEN Angelegenheit informieren oder nicht>

Kann man die Kollegen vor dieser, für mich und auch für den Personalrat, sehr linken Art schützen oder unterstützen>
Es kam nämlich zwischenzeitlich heraus, dass noch etwa 12 weitere Kollegen (zum Teil auch schwerbehindert)auf diese Weise unser "Unternehmen" verlassen sollen. Wird das jetzt die neue Art von "Kündigung - oder wie werde ich meine Mitarbeiter los und erfülle so die Effizienzrendite">>>

Ich würde mich sehr freuen,wenn mir jemand helfen könnte!!!

Gruß
Petra Becker
I

Informationspflicht des AG - Rente statt Kündigung

hackenberger, Wednesday, 21.02.2007, 12:47 (vor 6281 Tagen) @ Petra Becker

Hallo Petra,

ja, der AG muss dich in ALLEN Punkten welche Schwerbehinderte im einzeln oder in der Gruppe betreffen informieren/einbinden und zwar von Anfang an. Es gibt hier bei Nichtbeachtung ggf. die Möglichkeiten Maßnahmen des AG auszusetzen (§ 95) und ggf. auch ein Ordnungsgeld gem. § 156 zu beantragen.

Hier dürfte nach meiner Einschätzung auch ein Fall des § 84 (1) SGB IX gegeben sein. Eine Missachtung dieses könnte (da das SGB IX ein AN-Schutzgesetz ist) auch ein Fall für das AGG sein.

Weiter wäre z.B. im Verfahren nach § 84 (1) auch zu prüfen ob der § 81 SGB IX; z.B. auch Teilzeitarbeit in einem anderen Bereich/ auf einem anderen Arbeitsplatz in Frage kommt.

Da ich den MTV nicht kenne und es hier auch um Rentenfragen und Folgen hieraus geht, rate ich einen Fachanwalt und einen Rentenberater hinzuzuziehen. Es könnte ja ggf. auch eine Teilrente (teilweise Erwerbsunfähigkeit) gegeben sein, dann bestünde ein Anspruch auf Teilzeit für die verbleibende Erwerbsfähigkeit. Es wäre hier also dringend fachliche Beratung hinzuzuziehen. Dieses auch auf alle Fälle vor dem Gespräch mit dem Rentenberater.

Informationspflicht des AG - Rente statt Kündigung

Petra Becker, Sunday, 25.02.2007, 18:34 (vor 6277 Tagen) @ hackenberger

» Hallo Bernhard,

zuerst einmal DANKE für die schnelle Antwort. Leider hatte mich die Grippe fest im Griff und ich konnte mich nicht früher bedanken!

Du empfiehlst eine Beratung bei einem Fachanwalt. Ich nehme an, dass die Kollegen selbst zu einem solchen gehen sollten oder> Die Schwerbehindertenvertretung selbst kann sowas ja nicht...denke ich zumindest.
Falls ich da richtig liege (falls nicht hoffe ich auf deinen Hinweis), werde ich das den Kollegen auf alle Fälle empfehlen.

Ich habe letzte Woche bei der Personalabteilung auch nochmal die Informationspflicht gem. § 95 (2) angesprochen...die HERRSCHAFTEN wollen dies aber trotz meiner erneuten Erläuterungen nicht so sehen wie Du und ich. Was ich hier weiter unternehmen soll ist mir rätselhaft!

Ab morgen werde ich wieder im Büro sein und werde mich, auch in Zusammenarbeit mit dem Personalrat, mal um die Prävention gem. § 84 kümmern. So wie ich aber meinen Arbeitgeber kenne, werden die sich darauf berufen, dass man ja nur das Beste für die Mitarbeiter möchte und Beide ja so krank sind, dass es schön wäre, wenn sie Rente bekommen könnten (so eine Heuchelei!).

Viele Grüße
Petra

Informationspflicht des AG - Rente statt Kündigung

hackenberger, Monday, 26.02.2007, 08:34 (vor 6276 Tagen) @ Petra Becker

Hallo Petra,
ja der/die Betroffene sollte sich hier persönlich Fachanwaltliche Beratung einholen. Du kannst und solltest den AG zum einen noch einmal eindringlich auf den § 95 und ganz besonders auch auf den § 156 SGB IX hinweisen.
Weiter auch noch auf möglich Rechtsfolgen für ihn (den AG) welche sich aus dem AGG ergeben können bei einem Verstoß gegen das SGB IX. Hier muss der AN dann nur ein berechtigtes Indiz hierfür vortragen und er AG müsste vor Gericht, um Schadenersatz abzuwehren, das Gegenteil beweisen. Ein Verstoß gegen das SGB IX (dieses müsstest Du ggf. dem/der Betroffenen bestätigen, was Du ja kannst) wäre durchaus ein berechtigtes Indiz für einen Verstoß gegen das AGG.
Möglicher weise wäre aber ein Imageschaden des AG wegen eines Verstoßes gegen das AGG für ihn noch schlimmer als der hier drohende Schadenersatz.

Informationspflicht des AG - Rente statt Kündigung

Ede vom Bayerwald, Wednesday, 21.02.2007, 13:36 (vor 6281 Tagen) @ Petra Becker

Hallo Petra Becker,

du sagst Öffentlicher Dienst> oder Betrieb der öffentlichen HAnd>
Dann prüf doch mal, ob in deinem Bundesland nicht so etwas wie ein Fürsorgeerlass der Landesregierung besteht und ob der nicht für solch einen Betrieb in öffentlicher Hand anzuwenden ist.
Außerdem ist im SGB IX eine besondere Sorgfaltspflicht des öfffentlichen Arbeitgebers gegenüber Schwerbehinderten und Gleichgestellten Kollegen gesetzlich festgeschrieben!!!

Und die sogenannte vertrauensvolle Zusammenarbeit ist ja nicht einseitig sondern zweiseitig, besser dreiseitig festgeschrieben (AG, SBV, PR/BR).

Für den Fall, dass sich da nix ändert, diesen FAll einfach protokollieren und aufheben. Es gibt einen §156 des SGB IX, da geht's um Behinderung der Arbeit der SBV und es werden mögliche Strafen genannt. Die Verjährung tritt nach zwei JAhren ein, also so lange das Protokoll aufheben mit allen Daten (Datum Uhrzeit; Beteiligte, "Täter", Ursache usw.
Und immer bedenken, der § 156 ist sicher nur das letzte Mittel, das eingesetzt werden sollte.

I

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