Kündigung ohne BEM - ERfahrungswerte (BEM)

Apanatshi, Bayern, Thursday, 15.03.2007, 11:32 (vor 6262 Tagen)

Hallo Mitstreiter,
wer hat schon Erfahrung gemacht mit einer vom AG angestrebten Kündigung bei nicht vorliegendem Betrieblichen Eingliederungsmanagement>
Mit folgendem Problem habe ich gerade zu kämpfen:
Eine Mitarbeiterin hat durch eine Viruserkrankung gesundheitliche Einschränkungen erhalten, die sich vor allem in Konzentrationsstörungen äußert. In ihrem ursprünglichen Arbeitsbereich ist sie nicht mehr einsetzbar, 2 Arbeitsversuche haben dort bereits stattgefunden. Zwei weitere Arbeitsversuche haben in einem anderen Arbeitsbereich stattgefunden, die ebenfalls scheiterten aufgrund der Leistungseinschränkung. Die SBV wurde nur kurz vor dem letzten Wiedereingliederungsfall informiert (kurzfristig und mehr durch Zufall und auch nicht durch den AG) und seit dem wird die Betroffene auch mit Unterstützung des Integrationsfachdienstes betreut. Im Prinzip ist die SBV erst seit etwa 4-6 Wochen involviert. Die Betroffene ist übrigens schon mehr als 1 Jahr im Krankenstand (Klinikaufenthalt, Rehas) ohne dass die SBV jemals offiziell davon Kenntnis erhalten hat. Heute wurde vom AG eröffnet, dass er auch den letzten Arbeitsversuch als gescheitert ansieht, keine Möglichkeit einer weiteren Beschäftigung sieht und das Kündigungsverfahren einleiten wird.
Die SBV hatte in der Kürze der Zeit nicht die Möglichkeit ernsthaft und eingehend zu prüfen, ob eine Beschäftigung im Hause möglich wäre, oder was auch immer. Die SBV hat auch auf das Fehlen des BEM hingewiesen und die daraus entstehender Problematik. Das GA des Arztes sagt aus, dass die Betroffene vollschichtig tätig sein kann, wenn auch nicht mehr in ihrem alten Tätigkeitsfeld. Was kann ich als nächstes tun, außer das Integrationsamt von der Situation in Kenntnis setzen. Für Tipps wäre ich dankbar!
Gruß Andrea

Kündigung ohne BEM - ERfahrungswerte

hackenberger, Thursday, 15.03.2007, 11:54 (vor 6262 Tagen) @ Apanatshi

Hallo Andrea,

Kündigungen aus Gesundheitsgründen sind nur möglich, sofern eine negative Gesundheitsprognose gegeben ist. Du schreibst ja, dass das Gutachten des Arztes eine vollschichtige Beschäftigung möglich ist, nur halt nicht mehr auf dem alten Arbeitsplatz.

Das wäre hier dann ein Fall für den § 81 (4) SGB IX. Wenn also eine anderweitige Beschäftigung, ggf. auch unter veränderten Bedingungen (wie. z.B. auch Bezahlung) möglich ist, wird es schwer werden für den AG hier eine entsprechende Kündigung durch zu bekommen, welche auch einer Kündigungsschutzklage standhalten würde.

Der AG führt aber ja wie du selbst schreibst ein BEM durch, nur die Beteiligung der SchwbV und ggf. BR ist nicht optimal.

Man könnte/sollte den AG nochmals auf die Einhaltung aller Gesetze und §§ hinweisen und auch darauf, dass die Nichteinbeziehung der SchwbV ggf. ein berechtigtes Indiz für einen Verstoß gegen das AGG mit all seinen möglichen Folgen sein könnte. Weiter auch darauf, dass man im Rahmen einer Kündigung ja als SchwbV angehört würde und dann dort seine Ansichten auch entsprechend kundtun würde. Diese Stellungnahme bekäme ja dann auch die/der betroffene AN und könnte diese dann bei entsprechenden Klagen (Kündigungsschutzklage/ Klage auf Schadenersatz gem. AGG) verwenden.

Du bzw. der Br oder der/die betroffene AN müssten aber ggf. beweisen, dass eine anderweitige Beschäftigung möglich wäre. Also der § 81 (4) anwendbar wäre.

PS: Weiter, das BAG hatte ja in einem Fall entschieden, dass das Unterlassen eines BEM nicht zwangsweise eine Kündigung rechtswidrig macht. Dieses Urteil findest Du hier auf den Seiten.

Kündigung ohne BEM - ERfahrungswerte

Rolf, Thursday, 15.03.2007, 12:00 (vor 6262 Tagen) @ hackenberger

Hallo Bernhard,

» Diese Stellungnahme bekäme ja dann auch
» die/der betroffene AN und könnte diese dann bei entsprechenden Klagen
» (Kündigungsschutzklage/ Klage auf Schadenersatz gem. AGG) verwenden.

woraus leitest du den Schadensersatz gem AGG ab>

Gruß aus dem sonnigen Freiburg
Rolf

Kündigung ohne BEM - ERfahrungswerte

hackenberger, Thursday, 15.03.2007, 20:40 (vor 6261 Tagen) @ Rolf

Hallo Rolf,

weil ein Verstoß gegen das AGG einen Schadenersatz begründen kann. Siehe im AGG.

Kündigung ohne BEM - Erfahrungswerte

Wolfgang E., Thursday, 15.03.2007, 20:18 (vor 6261 Tagen) @ Apanatshi

» In ihrem ursprünglichen Arbeitsbereich ist sie nicht mehr einsetzbar, 2 Arbeitsversuche haben dort bereits stattgefunden. Zwei weitere Arbeitsversuche haben in einem anderen Arbeitsbereich stattgefunden, die ebenfalls scheiterten aufgrund der Leistungseinschränkung.

» Die SBV wurde nur kurz vor dem letzten Wiedereingliederungsfall informiert und seit dem wird die Betroffene auch mit Unterstützung des IFD betreut.

Wurde denn § 84 Abs. 1 SGB IX beachtet, also wegen den eingetretenen Schwierigkeiten die SBV, der Betriebsrat und das Integrationsamt vom Arbeitgeber frühzeitig eingeschaltet>
www.iqpr.de/iqpr/download/foren/B4-2005.pdf

Zwar sind die Präventionsvorschriften aus § 84 SGB IX nicht im Bußgeldkatalog des § 156 Abs. 1 SGB IX enthalten. Vor der Entscheidung des Arbeitgebers, keine Einschaltung und keine Erörterung nach § 84 Abs. 1 SGB IX vorzunehmen trotz der Schwierigkeiten, die zur Gefährdung des Beschäftigungsverhältnisses führen können, ist die Schwerbehindertenvertretung anzuhören. Unterlässt dies der Arbeitgeber, dürfte dies eine Ordnungswidrigkeit sein (§ 156 Abs.1 Nr. 9 SGB IX, § 95 Abs. 2 SGB IX).

Inwieweit wurde vor den vier Arbeitsversuchen geprüft, ob die jeweiligen Arbeitsplätze behinderungsgerecht sind. Eine solche Prüfung hat regelmäßig jedem Arbeitsversuch vorauszugehen (§ 81 Abs. 4 SGB IX), insb. unter Einbeziehung des Betriebsarzts, der die konkreten Arbeitsplatzanforderungen kennt. Wurde der Betriebsarzt vor allen Arbeitsversuchen eingebunden und hat er jeweils Stellungsnahmen abgegeben>
www.integrationsaemter.de/webcom/show_lexikon.php/_c-578/_nr-191/i.html

Arbeitsrechtliche Eingliederungspflichten
www.lasv.brandenburg.de/sixcms/media.php/4055/Vortrag_Duewell_Praesentation.pdf#page=7

Arbeitsrechtliche Folgen eines nicht (ordnungsgemäß) durchgeführten Präventionsverfahrens
www.lasv.brandenburg.de/sixcms/media.php/4055/Vortrag_Duewell.pdf

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