Verweigerung zur Vorlage aller Berwerbungsunterlagen (Einstellung)

lyle @, Tuesday, 29.05.2007, 07:32 (vor 6180 Tagen)

Hallo,

Als SchwbV habe ich ein Problem mit unserem AG.
Bei Neueinstellungen werden mir nicht sämtliche Bewerbungen vorgelegt sondern nur die von der vom AG ausgewählte Person.

Begründung des AG:
Sämtliche Bewerbungen würden von einer externen Firma bearbeitet, er hätte somit keine Möglichkeit sämtliche Bewerbungsunterlagen vorzulegen.
Ist so ein Verfahren überhaupt statthaft>

Verweigerung zur Vorlage aller Berwerbungsunterlagen

hackenberger, Tuesday, 29.05.2007, 08:37 (vor 6179 Tagen) @ lyle

Hallo,

zu erst einmal ganz deutlich die Aussage: Das Gesetz, hier SGB IX geht vor. Der AG muss seine Prozesse auch Einstellungsprozesse so gestaltten, dass er dem Gesetz entsprechen kann.

Hier nun ein Auszug aus dem Knittelkommentar zu § 81 SGB IX hierzu:
.....
Bei einer größeren Zahl von Bewerbern auf eine Stelle muss die Schwerbehindertenvertretung bereits bei der Vorauswahl beteiligt und ihr die beabsichtigte Auswahlentscheidung mitgeteilt werden. Dazu ist ihr gem. § 95 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 81 Abs. 1 Satz 6 SGB IX Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und anschließend das Ergebnis der Vorauswahlentscheidung mitzuteilen (Müller-Wenner / Schorn Rdnr. 17). 26

Die Schwerbehindertenvertretung hat weiterhin gem. § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX das Recht auf Teilnahme an Vorstellungsgesprächen und Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen. Das bezieht sich auch auf Vorstellungsgespräche und Unterlagen nicht behinderter Bewerber, wenn diese um die Einstellung mit einem schwerbehinderten Menschen konkurrieren. Denn über die Eignung des schwerbehinderten Bewerbers kann sich die Schwerbehindertenvertretung nur im Vergleich aller Bewerber eine fundierte Meinung bilden (Müller-Wenner / Schorn Rdnr. 41 zu § 95; Hansen NZA 2001, 986 <988>; vgl. in diesem Sinne auch die Stellungnahme des BR zum RegE in BT-Drucks. 14/5531 S. 10 f. sowie den Bericht des BT-Ausschusses für AuS BT-Drucks. 14/5800 S. 30).


Fazit: Den AG auf die Rechtslage hinweisen. Hinweisen auch auf folgende weitere Punkte: Eine Missachtung des § 81 in seiner Vollständigkeit kann gem. § 156 Abs. 1 mit einem Ordnungsgeld (gegen den Verantwortlichen persönlich) mit bis zu 10.000,- € auf Antrag der SchwbV geahndet werden. Weiter stellt es ein berechtigtes Indiz für einen Verstoß gegen das AGG mit all seinen möglichen Folgen auch auf Schadenersatz dar.

Dieses Gespräch sollte hier aber vertrauensvoll geführt werden, stets auch mit dem Hinweis, man ist als Mandatsträger verpflichtet auf die Einhaltung des SGB IX und aller sonstigen Gesetze und Regelungen hinzuwirken und möchte selbstverständlich auch stets mit dem AG vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Verweigerung zur Vorlage aller Berwerbungsunterlagen

Jan, Sunday, 24.06.2007, 19:33 (vor 6153 Tagen) @ hackenberger

Hallo Herr Hackenberger,

super Antwort, ich habe ähnliche Probleme und konnte Ihrer Antwort viel entnehmen.
Doch wie sieht es mit dem AGG aus, können Sie mir sagen gegen welche Punkte der AG verstößt, wenn er Bewerbungen von Behinderten nicht weitergibt>
Für mich wäre diese Antwort wichtig, denn bei uns achtet die Persoabteilung auch auf die einhaltung des AGG's.

Vesrteh ich es richtig das Schwerbehinderte Bewerber zweimal eingeladen werden müssen: Einmal zum Bewerbungsgespräch und ein zweitesmal um zu erfahren warum man abgelehnt wurde>
Oder kann der AG die Ablehnung auch schriftlich bekannt geben>

Verweigerung zur Vorlage aller Berwerbungsunterlagen

Hans-Peter-Semmler, Regensburg, Sunday, 24.06.2007, 20:22 (vor 6153 Tagen) @ Jan

Hier Urteile zu dem Thema Benachteiligung - AGG:
http://www.ord-loh.de/pdf/ArbG_Marburg_Schwerbehindertenrecht-1.pdf
http://www.schwbv.de/urteile/85.html
http://www.schwbv.de/urteile/b_14_2006.pdf
http://www.schwbv.de/urteile/73.html
http://www.schwbv.de/urteile/45.html

» Vesrteh ich es richtig das Schwerbehinderte Bewerber zweimal eingeladen
» werden müssen: Einmal zum Bewerbungsgespräch und ein zweitesmal um zu
» erfahren warum man abgelehnt wurde>
» Oder kann der AG die Ablehnung auch schriftlich bekannt geben>

§81(1) SGB IX:
.......
Erfüllt der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht und ist die Schwerbehindertenvertretung mit der beabsichtigten Entscheidung des Arbeitgebers nicht einverstanden, ist diese unter Darlegung der Gründe mit ihnen zu erörtern. (erörtern = sprechen)
Dabei wird der betroffene schwerbehinderte Mensch angehört. Alle Beteiligten sind vom Arbeitgeber über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten.

PS: Die Zitate von Bernhard und noch viele weitere rechtliche Betrachtungen zum SGB IX und zum AGG findest du u.a. im Knittel-Kommentar.

--
Herzlichen Gruß
Hans-Peter

Verweigerung zur Vorlage aller Berwerbungsunterlagen

Jan, Tuesday, 26.06.2007, 15:31 (vor 6151 Tagen) @ Hans-Peter-Semmler

» Erfüllt der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht und ist die
» Schwerbehindertenvertretung mit der beabsichtigten Entscheidung des
» Arbeitgebers nicht einverstanden, ist diese unter Darlegung der Gründe mit
» ihnen zu erörtern. (erörtern = sprechen)


Sorry, verstehe den Satz nicht ganz, meine Frage zieht darauf hinaus, dass ich mal gehört, gelesen oder was auch immer habe, dass ein Schwerbehinderter Mensch immer zu einen Bewerbungsgespräch geladen werden muss. Darüber hinaus müssen ihm die genauen Gründe für eine Ablehnung mitgeteilt werden. timmt dies so oder nicht, denn unter § 81 finde ich keinen Satz der dies so sagt.

Ich hoffe Ihr könnt mir weiterhelfen, denn es kann sein das ich unsere Personalabteilung schon falsch informiert habe:-(

Verweigerung zur Vorlage aller Berwerbungsunterlagen

Jan, Tuesday, 26.06.2007, 16:05 (vor 6151 Tagen) @ Ralf1

» Schau hier: http://bundesrecht.juris.de/sgb_9/__82.html
» Gilt aber nur im ÖD

Danke Ralf

unser Betrib zählt leider nicht zum ÖD, sondern Handel.
Wahrscheinlich habe ich etwas falsch aufgeschnappt

Verweigerung zur Vorlage aller Berwerbungsunterlagen

Hans-Peter-Semmler, Regensburg, Tuesday, 26.06.2007, 19:54 (vor 6151 Tagen) @ Jan

Hallo Jan,
vielleicht hilft dir dies noch weiter:

Eine besondere Erörterungspflicht ist bei beschäftigungspflichtigen Arbeitgebern vorgesehen.
Diese kommt zum Tragen, wenn der Arbeitgeber die Pflichtquote nicht erfüllt hat und die Schwerbehindertenvertretung oder die betriebliche Interessenvertretungen mit der beabsichtigten Einstellungsentscheidung nicht einverstanden ist (Abs. 1 Satz 7).
Der Arbeitgeber muss dann die beabsichtigte Einstellungsentscheidung mit der Schwerbehindertenvertretung und der betrieblichen Interessenvertretung in einem Gespräch erörtern und im Einzelnen begründen.
Allein der Austausch gegensätzlicher schriftlicher Stellungnahmen genügt dem nicht (BAG Urteil vom 15. August 2006 – 9 AZR 571/05.
“Erörtern“ bedeutet den Austausch der Argumente und Meinungen mit dem Ziel, zu einer Verständigung zu gelangen und die Führung eines Gesprächs, in dem die von der Vertretung “vorgetragenen Einwände erörtert werden“.
Hierbei ist insbesondere darzulegen, weshalb die Einstellung des schwerbehinderten Bewerbers trotz Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht abgelehnt werden soll.

Der Arbeitgeber muss außerdem alle von der beabsichtigten Entscheidung betroffenen schwerbehinderten Bewerber anhören (Abs. 1 Satz 8). Das ist sowohl im Rahmen der Erörterungen mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebs- / Personalrat als auch in einem eigenen Gesprächstermin möglich.
Bei diesem sind Schwerbehindertenvertretung und betriebliche Interessenvertretungen teilnahmeberechtigt.

Die Anhörungspflicht besteht gegenüber allen abgelehnten schwerbehinderten Bewerbern. Der Arbeitgeber darf nicht etwa einzelne Bewerbungen im Wege einer Vorauswahl von der Anhörung oder Erörterung ausschließen.
Unerheblich ist auch, ob es sich um externe oder betriebsinterne Bewerbungen handelt.

Quelle: Knittel - Kommentierung des §81

--
Herzlichen Gruß
Hans-Peter

Verweigerung zur Vorlage aller Berwerbungsunterlagen

lyle, Tuesday, 03.07.2007, 13:17 (vor 6144 Tagen) @ hackenberger

Hallo Herr Hackenberger,

Bezüglich meinem Hinweis an den AG die Bewerbungsunterlagen aller Stellenbewerber vorzulegen, auch bei extern beauftragter Firma, stieß bei ihm auf völliges Unverständnis.
Die externe Firma sei ein sogenannter Headhunter der im Auftrag und mit einem von der Firma vorgegebenen Profil Bewerber sucht.
Diese Firma (Headhunter) treffe bereits eine Vorauswahl welche Person letztendlich in Frage komme und deshalb könne immer nur von einer Person ein Kurzlebenslauf vorgelegt werden.

Meine Frage hierzu:
Gilt Ihre nachstehende Aussage auch bei diesem Sachverhalt und wenn ja was kann man als SchwbV hier unternehmen.

“Das Gesetz, hier SGB IX vorgeht und der AG seine Prozesse auch Einstellungsprozesse so gestalten muss, dass er dem Gesetz entsprechen kann.“

mfG.

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