Freistellung für Schulungsveranstaltungen (Seminare / Fortbildung)

Marie, NRW, Monday, 18.06.2007, 09:41 (vor 6165 Tagen)

Hallo,
eine Vertrauensfrau-Kollegin ist Halbtagskraft. Wenn sie an Schulungen für Schwerbehindertenvertretungen teilnimmt und diese Schulungen länger als ihre Arbeitszeit dauern, bekommt sie keine Stundengutschrift von ihrem Arbeitgeber. Ich hatte ihr geraten, erneut einen Antrag unter Hinweis auf § 96 (4) SGB IX zu stellen. Sie erhielt folgende Antwort:

Ich habe die Angelegenheit bezüglich der Freistellung für Schulungsveranstaltungen nach SGB noch einmal geprüft und auch Rückfrage beim Arbeitgeberverband gehalten.
Aus der Sonderregelung in § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB IX folgt, dass die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen keine Amtsaufgabe der Schwerbehindertenvertretung ist und damit § 96 Abs. 6 SGB IX nicht zur Anwendung gelangt. Demgemäß steht einer Vertrauensperson in Teilzeitarbeit, die z.B. an einer mehrtägigen ganztägigen Schulungsveranstaltung teilnimmt, kein über die bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht hinausgehender zusätzlicher Vergütungs- oder entsprechender Freistellungsanspruch zu.
Es kann daher keine weitere Stundengutschrift erfolgen.

Ist das so richtig>
Wenn nicht, was ist zu tun>

Danke im voraus für die Antworten.
Herzliche Grüße
Marie

Freistellung für Schulungsveranstaltungen

hackenberger, Monday, 18.06.2007, 13:32 (vor 6165 Tagen) @ Marie

Hallo Marie,

die Schwerbehindertenvertretung bedarf einer sorgfältigen Schulung, da sie eine besonders schutzwürdige Arbeitnehmergruppe vertritt und dabei weitgehend auf sich gestellt ist (LAG Berlin, Urteil vom 19.05.1988, 4 Sa 14/88).

Dazu zählen Rechtskenntnisse aus dem SGB IX sowie Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht und im Arbeitsrecht sowie Kenntnisse, die für die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in das Berufsleben notwendig sind, wie z.B. technische und arbeitsmedizinische Kenntnisse. Grundkenntnisse zum Wirtschaftsausschuss sind für Schwerbehindertenvertreter ebenfalls als erforderlich anzusehen (LAG Köln, Urteil vom 05.07.2001 – Az. 6 TaBV 34/01).

Kenntnisse in Gesprächs- und Verhandlungsführung, Rhetorik und Kommunikation sind ebenso bedeutsam wie Grundwissen aus dem SGB IX und gelten daher entsprechend für die Schwerbehindertenvertretung als erforderliche Grundlagenseminare (LAG Schleswig-Holstein v. 04.12.1990, AiB 1991, 199 und AiB 2000, 288 und BAG v. 15.02.1995, AP Nr. 106 zu § 37 BetrVG).


Der Schulungsanspruch der Vertrauensperson der Schwerbehinderten ergibt sich aus § 96 Abs. 4 SGB IX. Die Kosten trägt der AG § 96 Abs. 8 SGB IX

Hier nochmals:

Die Grundlage für den Anspruch der Schwerbehindertenvertretung auf Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen ist seit Juni 2001 im Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) zu finden.

Der Schulungsanspruch ist dort in § 96 Abs. 4 geregelt:

Die Vertrauenspersonen werden für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind, von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts oder der Dienstbezüge befreit".

Die Kosten hierfür trägt der Arbeitgeber (§ 96 Abs. 8 SGB IX).

Welche Kenntnisse sind erforderlich>

Zum erforderlichen Wissen gehören unstreitig Rechtskenntnisse aus dem SGB IX zum Recht der schwerbehinderten Menschen und den damit zusammenhängenden Rechtsgebieten sowie zu den Aufgaben, Rechten und Pflichten der Vertrauenspersonen im Betrieb.

Für Vertrauenspersonen in Teilzeit gibt es bezüglich Der Teilnahme an Schulungsmaßnahmen keine besonderen Regelungen im SGB IX. Hier ist daher auf die entsprechenden Regelungen für BR im BetrVG zurückzugreifen.

Also diese Regelungen des BetrVG sind hier zur Anwendung zu bringen.

§ 37 BetrVG

Teilzeitbeschäftigten BR-Mitgliedern steht der Anspruch auf Schulung im selben Umfang zu wie vollzeitbeschäftigten, allerdings mit der Maßgabe, dass der AG ihnen die arbeitsfreie Zeit bis zur Höhe der Arbeitszeit eines vollbeschäftigten BR-Mitglieds zu vergüten hat

Freistellung für Schulungen bei teilzeitbeschäftigen Vertrauenspersonen

Wolfgang E., Tuesday, 19.06.2007, 18:23 (vor 6164 Tagen) @ Marie

» Aus der Sonderregelung in § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB IX folgt, dass die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen keine Amtsaufgabe der Schwerbehindertenvertretung ist und damit § 96 Abs. 6 SGB IX nicht zur Anwendung gelangt...

Die Rechtsauffassung des Arbeitgeberverbands ist durch die Rechtsprechung überholt bzw. im Ergebnis unzutreffend. Die SBV ist verpflichtet, die notwendigen Kenntnisse und das erforderliche Wissen vorzuweisen. Dies gehört zu ihren elementaren "Amtsaufgaben". Deshalb hat sie das Recht, an Seminaren und Informationsveranstaltungen teilzunehmen. Eine Schlechterstellung einer teilzeitbeschäftigten SBV gegenüber einer vollzeitbeschäftigten SBV bei ganztätigen bzw. mehrtägigen Seminaren ist unzulässig.

"Nimmt ein teilzeitbeschäftigtes Betriebsratsmitglied außerhalb seiner Arbeitszeit an einer für die Betriebsratsarbeit erforderlichen Schulungsveranstaltung teil, besteht nach § 37 Abs. 6 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ein Anspruch auf entsprechenden Freizeitausgleich. Zu der ausgleichspflichtigen Schulungszeit zählen auch während eines Schulungstags anfallende Pausen. Der Umfang des Freizeitausgleichs nach diesen Bestimmungen ist auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers an dem entsprechenden Schulungstag begrenzt. Dabei ist grundsätzlich die betriebsübliche Dauer und Lage der Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers maßgeblich."
BAG, Urteil vom 16.02.2005, 7 AZR 330/04

Das vorstehende Urteil des Bundesarbeitsgerichts gilt auch für die SBV, weil die Vertrauensperson gemäß § 96 Abs. 3 SGB IX die gleiche persönliche Rechtsstellung besitzt wie ein BR-Mitglied:

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