Schwerbehindertenvertretung vertritt Arbeitgeber!!! (Allgemeines)

Martin, Tuesday, 07.12.2004, 18:16 (vor 7083 Tagen)

Was kann sich ein schwerbehinderter Mensch gegen einen
Schwerbehindertenvertreter (SBV) unternehmen, der nur die
Arbeitgeberinteressen vertritt, und dem die gesetzlichen Regelungen des SGB
IX entweder egal oder unbekannt sind.

Ich hoffe, dass der Fall meiner Frau ein Einzelfall ist:

In einem kirchlichen Dienstverhältnis bekam meine Frau nach einem Wechsel
in der Geschäftsführung plötzlich mächtig Druck vom Arbeitgeber, plötzlich
wurden die Schutzgesetze gegenüber Schwerbehinderten Menschen nicht mehr
eingehalten, sie mußte zB. entgegen tariflicher Regelungen Überstunden und
Mehrarbeit machen und auch sonst wurde sie zu Arbeiten eingeteilt, die sie
aufgrund der Behinderung nur eingeschränkt erfüllen konnte. Es hieß nun
jeder wird "gleichbehandelt" und ab sofort werde auf die Behinderung keine
Rücksicht mehr genommen

Nachdem sie sich an der MAV und den neugewählten SBV zur Hilfestellung
gewandt hatte, bekommt sie von der SBV in einem einstündigen Gespräch die
Info, dass man zur Hilfestellung das Integrationsamt einschalten wolle.
2 Wochen später bekommt sie einen Kündigungsantrag über Integrationsamt
zugesandt, der vom SBV mit unterzeichnet ist.

Darauf angesprochen legt die SBV das "Mandat für meine Frau" nieder, lässt
es sich aber nicht nehmen meine Frau bei der Verhandlung vor dem
Integrationsamt "entsprechend" zu vertreten. Meine Frau hat keine Chance
das zu verhindern.

"Es ist dem SBV unbegreiflich wie meine schwerbehinderte Frau überhaupt
als qualifizierte Fachkraft arbeiten kann". Dieses Urteil hatte sich der
SBV schon gebildet, bevor er meine Frau überhaupt kennengelernt hatte. Er
kennt sie nur aus dem Gespräch und hat sie nie bei der Arbeit besucht.
Von diesem vertraulichen Vier-Augengespräch ging übrigens ein Protokoll an
die Geschäftsleitung.
Die SBV hat außerdem die Personalakte meiner Frau eingesehen, ohne deren
Wissen und Zustimmung.
Zur Krönung schlug der SBV in seiner Stellungnahme an das Integrationsamt
die Unterbringung meiner Frau in einer Werkstatt für Behinderte vor, da
dort die Arbeit doch einfacher wäre und der Tagesablauf geregelter.

Gegen die Nichteinhaltung des SGB IX unternahm die SBV übrigens nichts.

Ist das wirklich nur ein Einzelfall oder hat jemand schon mal wenn auch
ansatzweise vergleichbares erlebt.

mit besten Grüßen
Martin

Re: Schwerbehindertenvertretung vertritt Arbeitgeber!!!

Andrea, Wednesday, 08.12.2004, 09:42 (vor 7082 Tagen) @ Martin

Hallo Martin,
das ist ja schon heftig was da abgeht. Aber kirchliche Einrichtungen sind
bekannt dafür, dass sie die REchte ihrer Beschäftigten mit Füssen treten.
Die Schwerbehindertenvertretung ist ganz klar nicht ihren Pflichten,
zumindest deiner Schilderung nach, nicht nachgekommen. Wie verhält sich
denn der Betriebs-bzw. Personalrat> Warum wurde deine Frau denn in den
Bereich der Geschäftsführung versetzt> Hätte man nicht vorher sehen
können, dass gewisse Arbeiten von ihr nicht geleistet werden können, wenn
doch, warum hat man nicht für Abhilfe gesorgt (ggf. durch
Arbeitsassistenz, technische Hilfsmittel oder was auch immer). Selbst
jetzt wäre noch die Möglichkeit eine Arbeitsassistenz etc. zu beantragen.
Ich würde empfehlen a) Kontakt mit dem zuständigen Integrationsamt
aufzunehmen, die Lage zu schildern b) ggf. eine REchtsvertretung
aufzusuchen, vielleicht ist sie ja Mitglied einer Gewerkschaft> c) beim
Arbeitsgericht gibt es ebenfalls eine Auskunftsstelle, die einem vorab
eine grobe Rechtsauskunft geben können. Im übrigen hat die
SChwerbehindertenvertretung nicht nur gegen SGB IX verstoßen, sondern hier
liegt auch ein Verstoß gegen das Datenschutzgesetz vor durch den
unerlaubten Einblick in die Personalakte. Da würde ich sie mir greifen!!
Wehrt Euch! Wünsche Euch viel Erfolg und ein schönes Weihnachtsfest.
Gruß Andrea

Re: Schwerbehindertenvertretung vertritt Arbeitgeber!!!

hackenberger, Wednesday, 08.12.2004, 11:08 (vor 7082 Tagen) @ Martin

Hallo Martin,

Andrea hat ja schon die besten Ratschläge gegeben. Du/Ihr sollte euch
rechtlichen Rat und Unterstützung einholen. Ich empfehle stets auch gerne
Kontakte zum VdK. Der VdK hat stets gute Kontakte zu Fachanwälten welche
sich neben dem Arbeitsrecht auch im Sozialrecht, also hier SGB IX,
auskennen, was wichtig sein kann.

Es ist auch ganz klar, Schwerbehinderte können Mehrarbeit mit Hinweis auf
den § 124 SGB IX ablehnen. Es muss keine Begründung genannt werden. Aber
Achtung Mehrarbeit ist hiernach Arbeit über 8 Std. und 5 Minuten täglich.
Enstehen aus der Ablehnung dem Schwerbehinderten Nachteile, so erfüllt
dieses ganz klar den Tatbestand der Diskriminierung Schwerbehinderte, mit
den entsprechenden möglichen Folgen.

Bernhard

Re: Schwerbehindertenvertretung vertritt Arbeitgeber!!!

Martin, Wednesday, 08.12.2004, 17:07 (vor 7082 Tagen) @ Martin

Hallo Andrea,
danke für deinen Antwort.
Zu deinen Nachfragen, tja die MAV hat sich dezent im Hintergrund gehalten
da bei Schwerbehinderten in erster Linie der SBV zuständig ist.

Außerdem ist der SBV auch in Personalunion in leitender Funktion in der
MAV.

Tja die Versetzung hatte, so wie es einschätze, nur den Grund meine Frau an
der neuen Stelle zu überfordern und dazu zu bringen von alleine zu
kündigen. Der Arbeigeber behauptet natürlich es wären betriebsbedingte
Gründe...
Das Integrationsamt kann man nach unserer Erfahrung als Hilfestellung
eigentlich vergessen. Natürlich hatten wir sofort Kontakt aufgenommen, aber
das Integrationsamt gibt nur Hilfen für Schwerbehinderte in Form von
Geldzuschüssen oder Arbeitsassitenz und auch nur bei Beschäftigung von mehr
wie 15 STD/pro Woche. Für die geschilderten Vorgänge
interessierte sich das Integrationsamt überhaupt nicht.

Außerdem war ja das Integrationsamt ja nicht zur Prävention nach §84 SGB IX
sondern gleich zur Zustimmung zur Kündigung (§87)vom SBV eingeschaltet
worden.
Das war für uns auch erst sehr ernüchternd, und ein Schock nach all den
anderen Unmöglichkeiten.

Beste Grüße
Martin

Re: Schwerbehindertenvertretung vertritt Arbeitgeber!!!

hackenberger, Wednesday, 08.12.2004, 18:11 (vor 7082 Tagen) @ Martin

Hallo Martin,

zum einen, das Integrationsamt soll sehrwohl auch Vermittel sofern es
Problem zwischen Schwerbehinderten und der SchwbV gibt. Weiter gibt es
auch die Integrationsfachdienste welche hier unterstützend helfen können.
Du erreichst diese über das Integrationsamt.

Weiter, der AG MUSS in jedem Falle bei Probleme welche zur Gefährdung des
Beschäftigungsverhältnis führen KÖNNEN, den § 84 SGB IX beachten und
umsetzen. Sollte es hier Probleme geben sollte ebenfalls das
Intergrationsamt vermitteln. Weiter ist die Nichtbeachtung des § 84 SGB
IX auch ein Hemmniss bei einer möglichen Kündigung eines
Shwerbehinderten. Auch hierüber sollte man mit dem Integrationsamt reden.
Ichhabe in diesem Jahr auch mit diesem Argument eine Zustimmung des
Inetgrationsamtes zur Kündigung verhindert.

Leider musste ich in diesem Zusammenhang (§ 84) aber auch feststellen,
dass auch hier bei den Inetgrationsämter nicht alles stets optimal läuft.
Doch nach einem Gespräch mit der Leitung des Integrationsamtes lief es
optimal, siehe Ergebnis.

Auf alle Fälle wäre es ein Thema in einem mögliche
Kündigungsschutzprozess. Weise aber auch noch einmal sowohl den BR/MAV
wie auch die SchwbV darauf hin, dass es zu ihren gesetzliche Aufgaben
gehört, dass sie darauf achten und dringen, dass ALLE Gesetze, also auch
das SGB IX und hier der § 84 Beachtung und Anwendung finden.

Bernhard

PS: Bei der Zuweisung eines Arbeitsplatzes/Arbeit ist der § 81 SGB IX zu
beachten.

Der BR/ die MAV ist auch bei Schwbs stets einzubinden wie bei jedem
Arbeitnehmer. Die SchwbV ist nur ebenfalls einzubinden (§ 95 SGB IX) und
zwar vor dem BR/ der MAV, die Stellungnahme der SchwbV ist dem Vorgang
des BR/ der MAV beizufügen. Ohne diese ist der Vorgang unvollständig und
kann aus diesem Grund an den AG zur Verfolständigung zurückgegeben werden
ohne das er bearbeitet werden muss. Weiter ist bei einer Versetzung
(Zuweisung einer neuen Arbeits/eines neuen Arbeitsplatzes) die
Missachtung des SGB IX §§ 81/84/95/ ein Verweigerungsgrund für den BR/
die MAV. Verstoß gegen ein Gesetz.

Re: Schwerbehindertenvertretung vertritt Arbeitgeber!!!

traute, Thursday, 09.12.2004, 12:53 (vor 7081 Tagen) @ Martin

stimmt nicht ganz, 1 minute reicht schon!!
traute

Re: Schwerbehindertenvertretung vertritt Arbeitgeber!!!

Beate @, Wednesday, 19.01.2005, 12:29 (vor 7040 Tagen) @ Martin

HAllo Martin,

habe Euren Fall und die Beiträge unserer KollegInnen interessiert gelesen, finde es einen Oberhammer was Deine Frau gerade durchmacht und kann auch nur DRINGEND raten den VDK oder einen REchtsbeistand einzuschalten, wenn die SchwbV und der BR keine Einsicht zeigt und nach den Richtlinien und Gesetzen handelt. Bin selbst Schwerbehindertenvertretung und habe auch manchmal so meine kleinen Kämpfe auszufechten, wenn ich dann mal in einem Gespräch die VdK oder einen Fachanwalt "erwähne" ...... siehe da, es klappt.

Viel viel Glück und Erfolg auf der ganzen Linie wünscht Euch herzlich

Beate

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