keine Einstellung eines gleichgestellten Bewerbers? (Einstellung)

Tane, Friday, 28.03.2008, 15:28 (vor 5891 Tagen)

Hallo,

ich bin neu in diesem Forum, da ich eure Hilfe benötige.

Seit 4 Wochen bin ich bei uns im Betrieb (öffentlicher Dienst) die Schwerbehindertenbeauftragte und schon jetzt stosse ich an fachliche Grenzen.

Kurz zu meinem Fall:
Wir suchen einen Hausmeister für unsere Wohnstätten und Aussenwohngruppen, insgesammt 7 Immobilien, alle in einem Ort. Anfang der Woche fanden die Bewerbungsgespräche statt und die Entscheidung fällt nun zwischen 2 Bewerbern. Einer dieser beiden verbliebenen Bewerbern hat einen GdB von 30 + Gleichstellung. Beide Bewerber haben die selbe Ausbildung, lange Berufserfahrung und sind beide für die Stelle als Hausmeister geeignet.
Der Favorit unserer Bereichsleitung ist der nicht behinderte Bewerber, da er ortsnah wohnt, während der gleichgestellte Bewerber ca. 30 km entfernt wohnt.
Nur in diesem Punkt unterscheiden die beiden sich. (Stimmt nicht ganz! der gleichgestellte Bewerber ist arbeitslos, während der `Favorit` sich in unbefristeter Stellung befindet)

Meine Argumente sind verhallt und für mich stand fest, das der nicht behinderte Bewerber eingestellt wird.
Ich war wohl nicht vehement genug!

Nun findet am Montag, auf Wunsch der Bereichsleitung, ein weiteres Gespräch statt.

Ich möchte dann fundierter argumentieren können und bitte euch um eure Meinung und um einen "Fahrplan" für das Gespräch.

Auf welche Paragraphen kann ich mich beziehen>
Welche Einstellungsgründe kann ich angeben> (die zugesicherte Eingliederungshilfe interessiert die Bereichsleitung nicht)
Muss bevorzugt eingestellt werden> Auch dann, wenn die Quote erfüllt ist>
Kann der gleichgestellte Bewerber Schadensersatz beanspruchen, wenn er abgelehnt wird> Ablehnungsgrund: fehlende Ortsnähe.
Kann ich der Einstellung eines nicht behinderten Bewerbers widersprechen> Ich habe doch nur ein Anhörungsrecht.

Für alle Tipps und Infos bin ich sehr dankbar, denn ich merke, dass ich in diesem Fall unsicher werde.

Herzliche Grüße und ein großes Dankeschön im Voraus

Tane

keine Einstellung eines gleichgestellten Bewerbers?

hackenberger, Friday, 28.03.2008, 16:01 (vor 5891 Tagen) @ Tane

Hallo,

erst einmal eine Feststellung/Richtigstellung!

Du bist wohl nicht die Schwerbehindertenbeauftragte, sprich die Beauftragte des Arbeitgebers für die Belange der Schwerbehinderten (§ 98 SGB IX), sonder die Vertrauensperson der Schwerbehinderten (§ 94 SGB IX) also die von den Schwerbehinderten/Gleichgestellten gewählte Vertrauensperson.

Bitte doch hierauf achten, es macht ein ungeschicktes Bild, wenn die VPSchwb hier die Begriffe falsch benennt.;-)

Du bist ja eine VPSchwb im öffentlichen Dienst. Hier gelten i.d.R. auch noch Fürsorgeerlasse/-richtlinien. Daher solltest Du einmal nachsehen welche Regelungen hier noch bezüglich der Einstellung (bevorzugte Berücksichtigung) gelten.

Weiter wäre im öffentlichen Dienst auch noch der § 82 Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber zu beachten.

Allgemein gilt hier der § 81 und dass AGG. Diese Regelungen gelten unabhängig davon ob die Pflichtquote erfüllt hat oder nicht.

Es gibt nur Unterschiede bei der Erörterungspflicht, hier sind die Anforderungen an AG welche die Pflichtquote nicht erfüllen höher.

Der AG würde sich bei gleicher Eignung schwer tun eine Ablehnung des gleichgestellten Bewerbers klagesicher zu begründen. Ob hier die unterschiedliche Entfernung von 30 km ausreicht könnte nur ein Gericht entscheiden.

Sollte der gleichgestellt Bewerber abgelehnt werden, müsste er überlegen ob er eine Klage wegen Verstoß gegen § 81/AGG gegen den AG erheben möchte.

Ich füge Dir hier einmal ein Auszug aus dem Knittelkommentar bei, lese dieses bitte einmal gut durch.

Eine besondere Erörterungspflicht ist bei beschäftigungspflichtigen Arbeitgebern vorgesehen. Diese kommt zum Tragen, wenn der Arbeitgeber die Pflichtquote nicht erfüllt hat und die Schwerbehindertenvertretung oder die betriebliche Interessenvertretungen mit der beabsichtigten Einstellungsentscheidung nicht einverstanden ist ( Abs. 1 Satz 7). Der Arbeitgeber muss dann die beabsichtigte Einstellungsentscheidung mit der Schwerbehindertenvertretung und der betrieblichen Interessenvertretung in einem Gespräch erörtern und im Einzelnen begründen. Allein der Austausch gegensätzlicher schriftlicher Stellungnahmen genügt dem nicht ( BAG Urteil vom 15. August 2006 – 9 AZR 571/05 , zit. nach JURIS, unter II 2a der Gründe). "Erörtern " bedeutet den Austausch der Argumente und Meinungen mit dem Ziel, zu einer Verständigung zu gelangen (GK-SGB XI / Großmann Rdnr. 112) und die Führung eines Gesprächs, in dem die von der Vertretung "vorgetragenen Einwände erörtert werden " ( Müller-Wenner / Schorn Rdnr. 23). Hierbei ist insbesondere darzulegen, weshalb die Einstellung des schwerbehinderten Bewerbers trotz Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht abgelehnt werden soll.

Der Arbeitgeber muss außerdem alle von der beabsichtigten Entscheidung betroffenen schwerbehinderten Bewerber anhören (Abs. 1 Satz 8). Das ist sowohl im Rahmen der Erörterungen mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebs- / Personalrat als auch in einem eigenen Gesprächstermin möglich. Bei diesem sind Schwerbehindertenvertretung und betriebliche Interessenvertretungen teilnahmeberechtigt (Hauck / Noftz / Schröder Rdnr. 10).

Die Anhörungspflicht besteht gegenüber allen abgelehnten schwerbehinderten Bewerbern. Der Arbeitgeber darf nicht etwa einzelne Bewerbungen im Wege einer Vorauswahl von der Anhörung oder Erörterung ausschließen. Unerheblich ist auch, ob es sich um externe oder betriebsinterne Bewerbungen handelt ( Müller-Wenner / Schorn Rdnr. 25 m. w. N.).

Der Arbeitgeber soll sich nur nach reiflicher Überlegung und unter Berücksichtigung aller Umstände gegen einen schwerbehinderten Bewerber entscheiden. Der Zwang für den Arbeitgeber, im Erörterungsgespräch die Ablehnungsgründe offenlegen zu müssen, erleichtert dem abgelehnten Bewerber, einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 81 Abs. 2 glaubhaft machen zu können, falls der Arbeitgeber nicht nur sachliche Gründe vorbringt ( Müller-Wenner / Schorn Rdnr. 26).

PS: Du solltest Dir unbedingt schnellstens einen guten Kommentar zum SGB IX und auch zum AGG zulegen. Ich empfehle immer den Knittelkommentar.

keine Einstellung eines gleichgestellten Bewerbers?

Tane, Friday, 28.03.2008, 19:08 (vor 5891 Tagen) @ hackenberger

Hallo,

vielen Dank für die Korrektur meiner Bezeichnung! Soll nicht wieder vorkommen.;-)

Du siehst, dass ich noch viel dazu lernen muss.

Ich danke dir für deine prompte Antwort. Wenn ich richtig verstanden habe, hat unsere Bereichsleitung im Grunde keine Argumente, um den gleichgestellten Bewerber nicht einzustellen.

Ich werde mich über das Wochenende gut vorbereiten und deine Anregungen einbeziehen. (Ich werde von mir hören lassen, wie dieses Bewerbungsverfahren ausgegangen ist)

Den Knittelkommentar werde ich mir zulegen, danke auch für diesen Tipp!

Ich wünsche dir ein schönes Wochenende

Herzliche Grüße

Tane

RSS-Feed dieser Diskussion