Europäischer Gerichtshof > Anspruch auf Jahresurlaub (unverfallbar?) (Lektüre / Gesetze)

jp, Bayern, Sunday, 08.02.2009, 21:03 (vor 5565 Tagen)

Hallo zusammen!

Kürzlich gab es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes bezüglich der Unverfallbarkeit des Urlaubes.
"Ein Arbeitnehmer verliert nicht seinen Anspruch auf bezahlten Urlaub, den er wegen Krankheit nicht nehmen konnte."
Mir wurde gesagt, dass nur im Zusammenhang mit dem Austritt aus der Firma wegen Rente gilt!
Ist dies so richtig>
Interessant wäre dies ja auch für MitarbeiterINNEN die im Arbeitsleben stehen und wegen Langzeitkrankheit ihren Urlaub bis zum 30. März nicht antreten können!:-P

Viele Dank und schöne Grüße
jp

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jp

Europäischer Gerichtshof > Anspruch auf Jahresurlaub (unverfallbar?)

WoBi, Monday, 09.02.2009, 08:41 (vor 5565 Tagen) @ jp

» Interessant wäre dies ja auch für MitarbeiterINNEN die im Arbeitsleben stehen und wegen Langzeitkrankheit ihren Urlaub bis zum 30. März nicht antreten können!:-P

Hallo jp,

der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat entschieden, dass Urlaub nicht automatisch verfällt, wenn er wegen längerer Krankheit im laufenden Jahr nicht genommen werden konnte. Der EuGH verbesserte außerdem die Möglichkeiten ihn abzugelten, wenn er nicht mehr genommen werden kann.

Auszug Pressemeldung:
"Der Gerichtshof stellt jedoch fest, dass einem Arbeitnehmer, der während des gesamten Bezugszeitraums und über einen im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraum hinaus krankgeschrieben ist, jede Möglichkeit genommen ist, in den Genuss seines bezahlten Jahresurlaubs zu kommen. Das gilt auch für einen Arbeitnehmer, der während eines Teils des Bezugszeitraums gearbeitet hat, bevor er krankgeschrieben wurde."
http://curia.europa.eu/de/actu/communiques/cp09/aff/cp090004de.pdf

Wenn noch im Arbeitsverhältnis, ist der Urlaub zu gewähren und kann nicht ausbezahlt werden - Bundesurlaubsgesetz. Wenn das Arbeitsverhältnis beendet worden ist z.B. durch Kündigung oder Rente, ist der Urlaub abzugelten.

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Gruß
Wolfgang

Europäischer Gerichtshof > Anspruch auf Jahresurlaub (unverfallbar?)

hackenberger, Monday, 09.02.2009, 08:55 (vor 5565 Tagen) @ WoBi

Hallo "jp",

das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg wird wohl noch einiges an weiteren rechtlichen Klärungsbedarf auslösen.

So ist zum einen die Frage, wird dieses Urteil auch so 1:1 auf die Bereiche der Beamten übernommen, da diese ja nicht in den Geltungsbereich des Bundesurlaubsgesetzes fallen, oder muss auch hier erst eine Klage erfolgen.

Vom Sinn der zugrunde liegenden EU-Richtlinie 2003/88/EG müsste es auch auf beamte Anwendung finden.

Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG lautet:
„Jahresurlaub
(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.
(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden."

Weiter wird die Frage zu klären sein, was ist mit dem über den Mindesturlaub hinausgehenden Tarif-Urlaub> Ich denke, hier sind die Tarifpartner gefordert. Aber auch, was ist wenn der Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden konnte>

Das Thema Zusatzurlaub gem. § 125 SGB IX sehe ich als geklärt, da der Kläger schwerbehindert war und es sich auch hier um einen gesetzl. Mindesturlaub handelt.

Aber es wird bei dem Thema "Verfall von Urlaubsansprüchen" wohl noch einige Klagen geben, da AG hier wohl nicht immer dem Sinn des EU-Urteils/ -Richtl. folgen werden. Da wird es gut sein, dass AN durch die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft entsprechenden arbeitsrechtlichen Rechtsschutz haben.

Europäischer Gerichtshof > Anspruch auf Jahresurlaub (unverfallbar?)

Heinz SBV, Monday, 09.02.2009, 22:59 (vor 5564 Tagen) @ hackenberger

Hallo "jp", Wolfgang, hallo Bernhard,

dazu habe ich noch einige Infos.

Für den gesetzlichen Anspruch auf Erholungsurlaub von jährlich vier Wochen gilt, dass diesen auch ein Arbeitnehmer erwirbt, der während des ganzen Jahres krankgeschrieben war. Zudem verfällt nicht genommener Urlaub nicht, sondern ist nachzugewähren beziehungsweise nach Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten. Dies hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 02.02.2009 (Az.: 12 Sa 486/06) in Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.2009 (Az.: Rs. C-350-06) entschieden. Die Revision ist zugelassen!

Hier Pressemitteilung vom 02.02.2009 des LAG Düsseldorf


und hier noch eine im Hinblick auf die LAG Entscheidung weitere aktualisierte Info
EuGH: Ein Arbeitnehmer verliert nicht seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, den er wegen Krankheit nicht ausüben konnte EuGH: Jahresurlaub darf nur verlustig gehen, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, ihn zu nehmen.


Herzliche Grüße

Heinz

Abgeltungsanspruch auch für Beamte?

Wolfgang E., Tuesday, 05.05.2009, 21:28 (vor 5479 Tagen) @ hackenberger

» So ist zum einen die Frage, wird dieses Urteil auch so 1:1 auf die Bereiche der Beamten übernommen, da diese ja nicht in den Geltungsbereich des Bundesurlaubsgesetzes fallen, oder muss auch hier erst eine Klage erfolgen> Vom Sinn der EU-Richtlinie 2003/88/EG müsste es auch auf Beamte Anwendung finden.

Hallo Bernhard,

zur Frage, ob sich die Urlaubsabgeltung auch auf Beamte auswirkt,
gibts einen aufschlussreichen und gut begründeten Webblog unter
http://blog.juracity.de

Kontextlink:
Beamtenrechtliche Konsequenzen

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