Rechtsanspruch auf Information (Kündigung)

gsbv, Bayern, Thursday, 23.04.2009, 16:48 (vor 5508 Tagen)

Liebe Forumsmiglieder,

ich benötige wieder einmal Unterstützung in einem etwas "heiklen" Fall.

Am 16.3.2009 wurde ich von der Personalabteilung um einen Termin gebeten, in dem sie einem Mitarbeiter mitteilen will, dass sie ihn außerordentlich, hilfsweise ordentlich kündigen möchten. Dieser Termin war dann am 19.03.09.

Das Integrationsamt wurde anschließend gehört.

Der betroffene Mitarbeiter ist seit 1994 gleichgestellt. Die Kündigungsgründe stehen in keiner Verbindung mit seiner Behinderung.

Nun meine Frage: im SGB IX proffesionell lese ich folgendes:

Der Rechtsanspruch der Schwerbehindertenvertretung auf Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben verpflichtet den Arbeitgeber, sie in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen Schwerbehinderten oder die gesamte Gruppe der Schwerbehinderten und Gleichgestellten berühren, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und vor jeder Entscheidung zu hören. Eine getroffene Entscheidung ist der Schwerbehindertenvertretung unverzüglich, also ohne Zeitverlust, mitzuteilen (§ 95 Abs. 2 SGB IX).


Wichtig ist festzustellen, dass es sich hier um eine zwingende Vorschrift handelt, die den Arbeitgebern keine Möglichkeit zur Prüfung lässt, wie etwa
bei Formulierungen „kann“ oder „soll“. Die Formulierung „ist verpflichtet“ bedeutet, dass ohne Ausnahme der gesetzlichen Vorschrift zu folgen ist. Dies gilt selbstverständlich für beide Rechte, nämlich für die rechtzeitige und umfassende Information ebenso wie für das Recht der Anhörung.


Strittig im Umgang mit dem Arbeitgeber sind in der Praxis die unbestimmten Rechtsbegriffe „rechtzeitig und umfassend“. Obwohl dies in Literatur und Rechtsprechung weitgehend übereinstimmend begrifflich festlegt ist, wird auch hier immer wieder versucht, die Rechte der Schwerbehindertenvertretungen einzuschränken. Rechtzeitige Unterrichtung heißt in jedem Fall, dass die Maßnahme nicht schon getroffen sein darf, denn die Schwerbehindertenvertretung muss die Möglichkeit zur Reaktion haben.

Was heißt das nun für den vorher geschildertem Fall>

War ich am 16.03.2009 beziehungsweise am 17.03.2009, nach dem ich die Kündigungsgründe schriftlich bekommen habe, "umfassend" informiert>

Gibt es eine BAG Rechtssprechung die einen zeitlichen Rahmen für die rechtzeitige Information vorgibt> Für Kündigungsfälle z.B. 3 Tage oder 1 Woche>

Hier wird von Vorfällen aus dem Jahre 2007, die dem Unternehmen angeblich erst am 17.03.2009 bekannt geworden sein sollen, gesprochen, der zuständige Betriebsrat aber bereits Ende 2008 von Unregelmäßigkeiten in der Anhörung spricht, ist nun meine Frage, ob nicht schon im Dezember 2008 die Informationspflicht zur Schwerbehindertenvertretung eingetreten wäre>

In diesem Fall wäre sicherlich noch die Möglichkeit zum § 84, 1 Präventionsverfahren gewesen.

Für eine Antwort bin ich wie immer bereits jetzt schon dankbar.
GSBV

Rechtsanspruch auf Information

hackenberger, Thursday, 23.04.2009, 17:11 (vor 5508 Tagen) @ gsbv

Hallo "gsbv",

also die Begriffe –rechtzeitig- und –umfassend- bedeuten, ohne schuldhaftes Verschulden und mit allen wichtigen zur Entscheidung/ Meinungsbildung notwenigen Informationen.

Da Du schreibst, dass der BR schon Ende 2008 Infos hatte, wäre nun zu prüfen, hatte er die vom AG oder auf anderem Wege erhalten.

Du schreibst ganz richtig, hättest Du als SchwbV auch schon Ende 2008 vom AG entsprechende Infos erhalten wo zu er verpflichtet gewesen wäre, sofern sie im bekannt waren, hätte man damals schon den § 84 anwenden können.

Den § 84 (1) kann man sofern er Aussichten auf Erfolg hätte auch heute noch anwenden können, ggf. sogar müssen. Bei der Frage "muss § 84 (1)" angewendet werden bevor eine Kündigung erfolgen kann, also wäre eine Nichtanwendung " kündigungshemmend " kommt es auf das "was ist der Grund" und "ist er Erfolgversprechend" an. So hat auch das BAG schon entschieden.

Diese Frage hätte aber auch bei der IA-Anhörung nach § 85 erfolgen können/ sollen. Das IA kann diese ggf. auch vor Zustimmung zur Kündigung die Anwendung des § 84 (1) einfordern.

Du kannst und solltest Deine Anmerkungen /Feststellungen in Deiner Stellungnahme zur Kündigung aufführen. Diese könnte der AN dann bei einer Kündigungsschutzklage vortragen.

Das die SchwbV hier möglicher Weise nicht rechtzeitig- und umfassend unterrichtet wurde und auch hier durch eine ggf. mögliche positive Anwendung des § 84 (1) nicht ermöglicht wurde, sollte/könnte der BR als Widerspruchsgrund im Rahmen seiner Anhörung zur Kündigung aufführen.

Du solltest den AG hier abmahnen und auf die Beachtung des SGB IX und die möglichen Folgen der Missachtung hinweisen.

Hier noch ein Beitrag zum Thema Prävention nach § 84 Abs. 1 SGB IX

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