Bewerbungsverfahren - fehlendes Anforderungskriterium (TVöD / TV-L)

Gudrun, NRW, Wednesday, 02.09.2009, 18:06 (vor 5357 Tagen)

Hallo,

ich benötige Eure Hilfe:

Ich bin die VP bei einer Kommune in NRW.

Von der Dienststelle wurde intern eine Stelle ausgeschrieben (Bes. Gr. A 8 BBO/Entgeltgruppe 8 TVöD). Erwartet wurden lt. Stellenausschreibung von den Bewerbern u. a. Laufbahnprüfung mittlerer Dienst oder Angestelltenlehrgang I. Auf diese Stelle hat sich auch ein schwerbehinderter Kollege beworben. Der Kollege ist bereits über 50 Jahre alt und bisher in E 6 TVöD eingruppiert. In seinem bisherigen Bereich gibt es für ihn keine Perspektive beruflich weiter zu kommen bzw. in E 8 TVöD aufzusteigen, daher hat er sich jetzt auf diese Stelle beworben. Leider fehlt dem Kollegen die geforderte Voraussetzung Angestelltenlehrgang I bzw. Laufbahnprüfung mittlerer Dienst.

Die Dienststelle kommt jetzt zu dem Ergebnis, dass der Bewerber nicht das Anforderungskriterium "Laufbahnprüfung m.D. bzw. A I" erfüllt und beabsichtigt ist, ihm daher eine Absage zu schicken und ihn nicht zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Die Ausnahme der Regelung nach § 3 der Anlage 3 zu § 25 BAT greift nach Meinung der Dienststelle in diesem Fall nicht, weil diese Ausnahmevorschrift für "Angestellte" geschaffen wurde, die entsprechende Aufgaben der höheren Vergütungsgruppe bereits wahrnehmen. Ab dem 40. Lebensjahr kann diesen Personen eine sonst nur mit A I erreichbare Vergütung gezahlt werden. Diese Regelung zielte nur auf die Vergütung ab ersetzte aber nicht (auch nicht in einer Fiktion) das Vorliegen einer Prüfung A I (oder Laufbahnbefähigung m.D.). Bei dem schwerbehinderten Bewerber geht es aber nicht um diese höhere Vergütung auf dem bisherigen Arbeitsplatz sondern um die grundsätzlich notwendige Befähigung für die ausgeschriebene Stelle.

Fehlt es dem Bewerber also offensichtlich an der Eignung, so dass er nicht zum Vorstellungsgespräch einzuladen ist.

Wie kann ich die Dienststelle überzeugen, dass der Bewerber über eine entsprechende Lebenserfahrung wie auch Diensterfahrung verfügt, um entsprechende höherwertige Aufgaben (die ausgeschriebene Stelle) erfüllen zu können.

Vielen Dank für Eure Hilfe.

Liebe Grüße
Gudrun;-)

Bewerbungsverfahren - fehlendes Anforderungskriterium

hackenberger, Wednesday, 02.09.2009, 18:41 (vor 5357 Tagen) @ Gudrun

Hallo Gudrun,

der AG darf Mindestvoraussetzungen für eine Stelle in der Stellenausschreibung benennen. Es kann diese dann auch als Merkmal bei der Vorauswahl der Bewerber nutzen.

Im öffentlichen Dienst gilt ja § 82 SGB IX bei Bewerbungen schwerbehinderter Bewerber. Hiernach müssen schwerbehinderte Bewerber zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden, sofern sie nicht ganz offensichtlich ungeeignet sind. [link=http://www.stollfuss.de/aktuell/arbeitsrecht/index.php>oid=69173&news=1]BAG, Urteil vom 21.07.2009, 9 AZR 431/08[/link]
Hier wäre daher nun die Frage: Erfüllt die nicht gegebene Mindestanforderungen/ das geforderte Merkmal das Kriterium der offensichtlichen Nichteignung.

In einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Münster in einem Beschluss vom 10.04.2000 heißt es"

"Erfülle ein Bewerber die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle jedoch erst nach dem voraussichtlichen Termin der Stellenbesetzung, könne seine Bewerbung zurückgewiesen werden."

Man sollte auch überlegen, bringt das Vorstellungsgespräch dem Bewerber etwas, wenn der AG diesen auf alle Fälle wegen fehlen der geforderten fachlichen Mindestvoraussetzung, auf alle Fälle nicht berücksichtigt also ablehnt>

Eine solche Ablehnung der Bewerbung wegen fehlen der geforderten fachlichen Mindestvoraussetzung wäre kein Verstoß gegen das SGB IX oder AGG.

» Die Ausnahme der Regelung nach § 3 der Anlage 3 zu § 25 BAT greift nach
» Meinung der Dienststelle in diesem Fall nicht, weil diese
» Ausnahmevorschrift für "Angestellte" geschaffen wurde, die entsprechende Hallo Gudrun,

der AG darf Mindestvoraussetzungen für eine Stelle in der Stellenausschreibung benennen. Es kann diese dann auch als Merkmal bei der Vorauswahl der Bewerber nutzen.

In einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Münster in einem Beschluss vom 10.04.2000 heißt es"

"Erfülle ein Bewerber die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle jedoch erst nach dem voraussichtlichen Termin der Stellenbesetzung, könne seine Bewerbung zurückgewiesen werden."

Man sollte auch überlegen, bringt das Vorstellungsgespräch dem Bewerber etwas, wenn der AG diesen auf alle Fälle wegen fehlen der geforderten fachlichen Mindestvoraussetzung, auf alle Fälle nicht berücksichtigt also ablehnt>

Eine solche Ablehnung der Bewerbung wegen fehlen der geforderten fachlichen Mindestvoraussetzung wäre kein Verstoß gegen das SGB IX oder AGG.

» Die Ausnahme der Regelung nach § 3 der Anlage 3 zu § 25 BAT greift nach
» Meinung der Dienststelle in diesem Fall nicht, weil diese
» Ausnahmevorschrift für "Angestellte" geschaffen wurde, die entsprechende
» Aufgaben der höheren Vergütungsgruppe bereits wahrnehmen.

Hierzu kann ich keine Aussage machen, da ich den TV und die Anlage nicht kenne. Es wäre eine Frage welche man an den Sozialpartner (Gewerkschaft) richten müsste.

Bewerbungsverfahren - fehlendes Anforderungskriterium

Gudrun, NRW, Tuesday, 08.09.2009, 09:54 (vor 5351 Tagen) @ hackenberger

Hallo,

vielen Dank für die Antwort.

Leider ist die Dienststelle nicht davon zu überzeugen, dass § 82 SGB IX auch für interne Stellenausschreibungen gilt.

Gibt es dazu vielleicht bereits eine gerichtliche Entscheidung, dass § 82 auch bei internen Stellenausschreibungen zu beachten ist.

Ist das SBG IX nicht ein Bundesgesetz, dass über irgendwelchen Dienstvereinbarungen (hier: DV über die Personalauswahlverfahren bei unserer Stadt) steht und daher vorrangig zu berücksichtigen ist. Somit dürfte sich die Profilgruppe - die nach der DV gebildet wird - nicht einfach durch Abstimmung über diese gesetzliche Regelung hinwegsetzen> Oder>
»
Liebe Grüße
Gudrun

Bewerbungsverfahren - fehlendes Anforderungskriterium

hackenberger, Tuesday, 08.09.2009, 18:11 (vor 5351 Tagen) @ Gudrun

Hallo Gudrun,

zum einen schaltet eueren Beauftragten des AG für die belange der Schwerbehinderten (gem. § 98 SGB IX) ein. Sprecht diesen darauf an, dass er seinen Aufgaben gem. § 98 SGB IX bitte nachkommen möge, da sonst die SchwbV ein Ordnungsgeld gem. § 156 Abs. 1 Satz 9 prüfen müsste.

Rechtsstellung und Aufgaben des BASchwb:

Schließlich ist die Aufgabe des Beauftragten des Arbeitgebers gesetzlich allgemein dahingehend umschrieben, dass er „vor allem” auf die Erfüllung der dem Arbeitgeber obliegenden Verpflichtungen zu achten habe (Satz 3). Zu diesen Verpflichtungen gehört, dass– die Beschäftigungspflichtquote nach § 71 SGB IX erfüllt wird,
– besonders betroffene schwerbehinderte Menschen beschäftigt bzw. eingestellt werden (vgl. § 72 SGB IX),
– geprüft wird, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können und bei dieser Prüfung die Schwerbehindertenvertretung beteiligt wird (§ 81 Abs. 1 und 6 SGB IX),
– Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen mit der Schwerbehindertenvertretung erörtert werden (§ 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX),
– schwerbehinderte Menschen so beschäftigt werden, dass diese möglichst ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können (§ 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX),
– schwerbehinderte Menschen zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung bevorzugt berücksichtigt werden (§ 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB IX),
– die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend unterrichtet und vor einer Entscheidung angehört wird (§ 95 Abs. 2 SGB IX),
– die Schwerbehindertenvertretung zu Besprechungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat hinzugezogen wird (§ 99 Abs. 5 SGB IX),
– die Schwerbehindertenvertretung ihr Amt ohne Behinderung wahrnehmen kann (§ 96 Abs. 2 SGB IX).
ihr Amt ohne Behinderung wahrnehmen kann (§ 96 Abs. 2 SGB IX).

Ein Verstoß des Beauftragten gegen die ihm obliegenden Pflichten kann ggf. als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Das gilt insbesondere dann, wenn der Beauftragte des Arbeitgebers als Personalleiter selbstständig Einstellungen und Entlassungen vornehmen darf. Als mögliche Bußgeldtatbestände nach § 156 SGB IX kommen bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Begehung namentlich in Betracht (vgl. GK-SGB IX / Schimanski Rdnr. 42).

Ebenfalls den AG darauf hinweisen, dass eine Missachtung des § 82 SGB IX ein Verstoß gegen das AGG mit den rechtlich möglichen Folgen darstellt. Ihr also in diesem Fall dem Betroffenen die Empfehlung geben müsstet, hier eine entsprechende Kalge zu erheben und den AG auf Schadenersatz und ggf. Schmerzensgeld gem. § 15 AGG zu verklagen.

Lese auch einmal diese Beiträge:
• Gagel "Klarstellungen zu § 82 SGB IX"!
[link=Hier geht es zum Artikel "Einladungspflicht zu Vorstellungsgesprächen"]• Einladungspflicht zu Vorstellungsgesprächen mit schwerbehinderten Bewerbern[/link]
• Entschädigungsanspruch
• Unter Punkt 6 auf dieser Webseite: Vorstellungsgespräch


Wichtig ist auch:
Der § 82 SGB IX ist "nur" eine Konkretisierung der Pflichten des öffentl. AG aus § 81 SGB IX.


Hier zum Schluss auch noch ein Auszug aus dem [link=http://shop.wolterskluwer.de/wkd/product/31146000/>sid=ff6rjb9su70frrnlearro4m583]Knittel-Kommentar[/link] zum § 82 SGB IX

Rn 12
Einladung zum Vorstellungsgespräch
Öffentliche Arbeitgeber müssen schwerbehinderte Bewerber und solche, die von der Agentur für Arbeit bzw. einem Integrationsfachdienst gemeldet werden, zu einem Vorstellungsgespräch einladen (Satz 2). Ein solcher persönlicher Kontakt soll dem Arbeitgeber bzw. dessen Personalreferenten einen persönlichen Eindruck vom Bewerber verschaffen, weil dies häufig die Einstellungschancen von Bewerbern verbessern kann. Diese zwingende Pflicht besteht auch dann, wenn sich bereits abzeichnet, dass der Bewerber nicht für die engere Auswahl vorgesehen ist (Neumann u. a. / Neumann Rdnr. 5).

Zu beachten ist hier der 1 Satz, und dort das Wort "und" im 1. Halbsatz. Also Schwerbehinderte Bewerber und die von der Agentur...

Rn 14
Die Einladungspflicht entfällt nur dann, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt (Satz 3). Das ist dann der Fall, wenn zweifelsfrei erkennbar ist, dass der Bewerber den Tätigkeitsanforderungen der zu besetzenden Stelle nicht gewachsen ist (Kossens u. a. / Kossens Rdnr. 5). Ferner ist ein Bewerber offensichtlich ungeeignet, wenn er die beamtenrechtlich zwingenden Einstellungsvoraussetzungen nicht erfüllt, z. B. nicht über die vorausgesetzte Schul- oder Hochschulausbildung verfügt. Ergibt sich aus dem beruflichen Werdegang eines Schwerbehinderten, dass er nicht im Ansatz Tätigkeiten verrichtet hat, die denen entsprechen, die im Rahmen der ausgeschriebenen Stelle verrichtet werden sollen, dann ist er für die ausgeschriebene Stelle offensichtlich ungeeignet. Dies hat zur Folge, dass er auch nicht zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen ist (ArbG Münster Urteil vom 30. September 2005 – 4 Ca 1279/05, zit. nach JURIS).

Diese Frage von Dir noch:
» Ist das SBG IX nicht ein Bundesgesetz, dass über irgendwelchen
» Dienstvereinbarungen (hier: DV über die Personalauswahlverfahren bei
» unserer Stadt) steht und daher vorrangig zu berücksichtigen ist.
Ja, das SGB IX ist ein Bundesgesetz, also Bundesrecht und hat hier Vorrang vor einer BV/ DV, da diesbezüglich es keine Öffnungsklausel (abweichende Regelungsmöglichkeit) hat.

PS: Hast Du einen guten Kommentar zum SGB IX. Du erkennst eine unverzichtbare notwenige Arbeitsunterlage!

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