Vereinfachtes Wahlverfahren bei Firma mit Außendienst? (Wahlen)

Cebulon, Wednesday, 26.01.2022, 18:13 (vor 792 Tagen) @ Axelfrischmilch

Nun sind wir unter 50 und bei den ca. 35 ist die Hälfte im Außendienst in ganz Deutschland. Ist hier das vereinfachte Wahlverfahren überhaupt möglich?

Hallo Axel, es mag schon sein, dass Außendienstmitarbeiter nicht als „Betriebsteil“ anzusehen sind. Bei einer Auslegung nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Wahlrechts (§ 177 Abs. 6 Satz 3 SGB IX) kommt u.U. wohl das förmliche Wahlverfahren in Frage – wenn wie hier über 15 sbM in ganz Deutschland regelmäßig unterwegs sind. Für den Sonderfall dieses Außendienstes kann m.E. aus der Kommentierung v. Sachadae im LPK-SGB IX zu § 18 SchwbVWO zwingend nichts Gegenteiliges abgeleitet werden. Das besonders dann, wenn diese Außendienstler idR. nicht täglich in den Betrieb zurückkehren, sondern etwa nur gelegentlich in die Betriebsstätte kommen sollten, z.B. lediglich 1x pro Quartal. Diese Konstellation Außendienstler ist leider nicht ausdrücklich normiert, nicht in § 18 SchwbVWO – und vor allem nicht in der gesetzlichen Grundnorm des § 177 Abs. 6 Satz 3 SGB IX. Regelungen für den Außendienst wie etwa für BR-Wahlen im § 24 Absatz 2 WahlO-BetrVG, oder in einzelnen Ländern für PR-Wahlen wie § 9 Abs.4 Satz 1 LPVGWO Ba-Wü sucht man dort vergebens. Hier ist_der Gesetzgeber bzw. Hubertus Heil gefordert, das lückenhafte SBV-Wahlrecht endlich zeitgemäß anzupassen.

BAG-Rechtsprechung:
Folgt man sinngemäß der Rspr. des BAG, 23.07.2014, 7 ABR 61/12, Rn. 24, zu dem Gesetzeszweck, dann wird man demnach wohl eher von einer förmlichen SBV-Wahl auszugehen haben: „Angesichts des bundesweiten Zuständigkeitsbereichs der Dienststelle ist von räum­lich weit auseinanderliegen Teilen dieses Zuständigkeitsbereichs auszugehen.“ Die örtliche SBV-Wahl wird in der Rn. 22 (am Ende) behandelt: „Durch räumliche Nähe wird dafür gesorgt, dass die Wahlberechtigten die vorgeschlagenen Kandidaten typischerweise bereits kennen (können).“ Das ist typischerweise nicht der Fall bei Außendienstlern (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG), die nicht regelmäßig, sondern nur selten z.B. 1-2x pro Jahr zur Betriebsstätte kommen, also zB monatelang nicht im Haus sind. Woher sollte man solche Außendienstler denn kennen? Unbekannte zu wählen das macht wenig Sinn.

Anreisende Außendienstmitarbeiter:
Geht man hingegen von vereinfachter Wahl aus, so könnte es für den Arbeitgeber teuer werden, wenn die meisten quer durch die Republik anreisen zur Wahlversammlung. (BIH-Wahlbroschüre lt. Kapitel „5.2 Kosten der Wahl“) Siehe auch die gleichartige DVfR-Diskussion mit weiten Anfahrtswegen vieler Wahlberechtigter im Außendienst. Auch die BIH regt Überarbeitung der bestehenden Wahlordnung an (ZB 4I2019, Seite 6/7), zB die Briefwahl für das vereinfachte Wahlverfahren einzuführen.

Gruß,
Cebulon


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