keine Einstellung eines gleichgestellten Bewerbers? (Einstellung)

hackenberger, Friday, 28.03.2008, 16:01 (vor 5891 Tagen) @ Tane

Hallo,

erst einmal eine Feststellung/Richtigstellung!

Du bist wohl nicht die Schwerbehindertenbeauftragte, sprich die Beauftragte des Arbeitgebers für die Belange der Schwerbehinderten (§ 98 SGB IX), sonder die Vertrauensperson der Schwerbehinderten (§ 94 SGB IX) also die von den Schwerbehinderten/Gleichgestellten gewählte Vertrauensperson.

Bitte doch hierauf achten, es macht ein ungeschicktes Bild, wenn die VPSchwb hier die Begriffe falsch benennt.;-)

Du bist ja eine VPSchwb im öffentlichen Dienst. Hier gelten i.d.R. auch noch Fürsorgeerlasse/-richtlinien. Daher solltest Du einmal nachsehen welche Regelungen hier noch bezüglich der Einstellung (bevorzugte Berücksichtigung) gelten.

Weiter wäre im öffentlichen Dienst auch noch der § 82 Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber zu beachten.

Allgemein gilt hier der § 81 und dass AGG. Diese Regelungen gelten unabhängig davon ob die Pflichtquote erfüllt hat oder nicht.

Es gibt nur Unterschiede bei der Erörterungspflicht, hier sind die Anforderungen an AG welche die Pflichtquote nicht erfüllen höher.

Der AG würde sich bei gleicher Eignung schwer tun eine Ablehnung des gleichgestellten Bewerbers klagesicher zu begründen. Ob hier die unterschiedliche Entfernung von 30 km ausreicht könnte nur ein Gericht entscheiden.

Sollte der gleichgestellt Bewerber abgelehnt werden, müsste er überlegen ob er eine Klage wegen Verstoß gegen § 81/AGG gegen den AG erheben möchte.

Ich füge Dir hier einmal ein Auszug aus dem Knittelkommentar bei, lese dieses bitte einmal gut durch.

Eine besondere Erörterungspflicht ist bei beschäftigungspflichtigen Arbeitgebern vorgesehen. Diese kommt zum Tragen, wenn der Arbeitgeber die Pflichtquote nicht erfüllt hat und die Schwerbehindertenvertretung oder die betriebliche Interessenvertretungen mit der beabsichtigten Einstellungsentscheidung nicht einverstanden ist ( Abs. 1 Satz 7). Der Arbeitgeber muss dann die beabsichtigte Einstellungsentscheidung mit der Schwerbehindertenvertretung und der betrieblichen Interessenvertretung in einem Gespräch erörtern und im Einzelnen begründen. Allein der Austausch gegensätzlicher schriftlicher Stellungnahmen genügt dem nicht ( BAG Urteil vom 15. August 2006 – 9 AZR 571/05 , zit. nach JURIS, unter II 2a der Gründe). "Erörtern " bedeutet den Austausch der Argumente und Meinungen mit dem Ziel, zu einer Verständigung zu gelangen (GK-SGB XI / Großmann Rdnr. 112) und die Führung eines Gesprächs, in dem die von der Vertretung "vorgetragenen Einwände erörtert werden " ( Müller-Wenner / Schorn Rdnr. 23). Hierbei ist insbesondere darzulegen, weshalb die Einstellung des schwerbehinderten Bewerbers trotz Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht abgelehnt werden soll.

Der Arbeitgeber muss außerdem alle von der beabsichtigten Entscheidung betroffenen schwerbehinderten Bewerber anhören (Abs. 1 Satz 8). Das ist sowohl im Rahmen der Erörterungen mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebs- / Personalrat als auch in einem eigenen Gesprächstermin möglich. Bei diesem sind Schwerbehindertenvertretung und betriebliche Interessenvertretungen teilnahmeberechtigt (Hauck / Noftz / Schröder Rdnr. 10).

Die Anhörungspflicht besteht gegenüber allen abgelehnten schwerbehinderten Bewerbern. Der Arbeitgeber darf nicht etwa einzelne Bewerbungen im Wege einer Vorauswahl von der Anhörung oder Erörterung ausschließen. Unerheblich ist auch, ob es sich um externe oder betriebsinterne Bewerbungen handelt ( Müller-Wenner / Schorn Rdnr. 25 m. w. N.).

Der Arbeitgeber soll sich nur nach reiflicher Überlegung und unter Berücksichtigung aller Umstände gegen einen schwerbehinderten Bewerber entscheiden. Der Zwang für den Arbeitgeber, im Erörterungsgespräch die Ablehnungsgründe offenlegen zu müssen, erleichtert dem abgelehnten Bewerber, einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 81 Abs. 2 glaubhaft machen zu können, falls der Arbeitgeber nicht nur sachliche Gründe vorbringt ( Müller-Wenner / Schorn Rdnr. 26).

PS: Du solltest Dir unbedingt schnellstens einen guten Kommentar zum SGB IX und auch zum AGG zulegen. Ich empfehle immer den Knittelkommentar.


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