Umgehung sbM durch Griff in den sog. "Pool" (Einstellung)

CHM, Ba-Wü (öff. Dienst), Tuesday, 14.12.2010, 15:32 (vor 4900 Tagen)

Unser AG (Öff. Dienst) besetzt neu ausgeschriebene Stellen gerne mit Leuten, deren Bewerbung aus einem früheren Bewerbungsverfahren im "Pool" verblieben war. Zeitungsannoncen oder die Meldung an die Arbeitsagentur, damit sich sbM bewerben können, entfallen. Ist das rechtlich ok> Ich sehe bei diesem Verfahren eigentlich eine Benachteiligung potenzieller sb BewerberInnen.

Umgehung sbM durch Griff in den sog. "Pool"

hackenberger, Tuesday, 14.12.2010, 15:51 (vor 4900 Tagen) @ CHM

Hallo Claudia,

dieses Thema, also Ausschreibung/ Meldung und Besetzung freier Stellen, ein altes Thema hatten wir schon öfters.

Das Gesetz und die Rechtsprechung ist hier ganz klar.

Doch hier NOCHMALS das Thema:

§ 81 Pflichten
(1) 1 Die Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen des Arbeitgebers und Rechte schwerbehinderter Menschen.....besetzt werden können.
..... 6 Bei der Prüfung nach Satz 1 beteiligen die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 und hören die in § 93 genannten Vertretungen an......

Jeder Verstoß gegen diese Pflichten des AG berechtigt zum einen die SchwbV ein OWI gem. § 156 Abs. 1 Satz 9 in einer Höhe von bis zu 10.000,- € gegen den Zuständigen hier zu beantragen.
Weiter berechtig es den BR einer Versetzung oder auch ggf. Einstellung die Zustimmung zu verweigern.

Letztlich stellt die Verletzung des SGB IX ein berechtigtes Indiz für einen Verstoß gegen das AGG § 1 mit all seinen möglichen Folgen dar.

Weiter gibt es ja auch die Rechtsprechung (Urteil), welche man hier in den forumsseiten findet, dass der BR/PR bei Verstoß gegen § 81 Abs. 1 die Zustimmung zur Einstellung/ Besetzung verweigern kann.

[link=http://www.schwbv.de/forum/board_entry.php>id=10940#p10942]Älterer Forumsbeitrag diese Thema betreffend[/link]

Urteile zu Einstellung / Versetzung / Beförderung

[link=http://www.schwbv.de/forum/board_entry.php>id=8243#p10855]Zustimmungsverweigerung bei Verstoß gegen die Prüf- und Konsultationspflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX [/link]
Auszug aus diesem Urteil:
Leitsätze:

1. Die in § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX normierte Prüf- und Konsultationspflicht des Arbeitgebers besteht auch dann, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, einen frei werden-den oder neu geschaffenen Arbeitsplatz mit einem Leiharbeitnehmer zu besetzen.

2. Verstößt der Arbeitgeber gegen seine Pflichten aus § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX, berechtigt dies den Betriebsrat, die Zustimmung zur Einstellung des Leiharbeitnehmers nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu verweigern.

Orientierungssatz zur Anmerkung:

Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren richtet sich die Beteiligung gem. § 83 Abs. 3 ArbGG nach materiellem Recht. Im Falle eines Betriebs-(teil-)Übergangs sind allein der Erwerber und der für den übergegangenen Betrieb/ Betriebstei1 gewählte Betriebsrat beteiligt.

Weiter gilt ja im Bereich des öffentlichen Dienst der § 82 SGB IX

Fazit: BR/PR und SchwbV haben alle Optionen, von der Verwigerung der Ziustimmung bis hin zu Ordnungsgeldern gem. § 156 Abs. 1 Satz 9 und arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren mit dem Ziel Bußgelder bei weiteren Verstößen.

Umgehung sbM durch Griff in den sog. "Pool"

CHM, Ba-Wü (öff. Dienst), Tuesday, 14.12.2010, 16:06 (vor 4900 Tagen) @ hackenberger

Hallo Bernhard,

ja, ich weiß, altes Thema (hatte deshalb auch schon viel Ärger mit meiner Pers.A). Die Frage ist nur, wie eng der § 81 ausgelegt werden muss. Unser PR sah das bisher ziemlich locker und ist eher dem AG gefolgt, im neuen PR sitzen jetzt einige sehr streitbare Personen, die mich als SBV auch unterstützen.
Danke für die Urteile und die Links auf die alten Postings!
Und noch für alle eine frohe Adventszeit!
Claudia

Umgehung sbM durch Griff in den sog. "Pool"

hackenberger, Tuesday, 14.12.2010, 16:22 (vor 4900 Tagen) @ CHM

Hallo Claudia,

der BAG Entscheid ist ganz klar und eindeutig, lässt sich also nicht auslegen. BR/PR haben auch Pflichten die zwingend zu beachten sind. Diese lassen auch KEINE Auslegungen zu.

Weiter hast Du als SchwbV ja den § 81 Abs. 1 Satz 6. AG welche freie Ap nicht der Agentur melden missachten i.d.R. auch diesen Satz 6. Somit kannst Du aktiv werden und zum einem gegen den zuständigen SB und den Beauftragten des AG (§ 98) ein Ordnungsgeld beantragen. Weiter kannst Du gegen den AG für zukünftige Verstöße ein Beschlussverfahren anstrengen. Habe ich aber nun alles mehrfach schon geschrieben.

Ich muss leider sagen, ich weis nun nicht mehr weiter. Ihr stellt berechtigte Missstände fest und fragt nach Möglichkeiten. Wenn man diese euch dann nennt, kennt ihr leider nur Gründe welche ein Umsetzung der Möglichkeiten nicht möglich machen sollen :-(

Also, sofort die Zuständigen SB auf seine Pflichten, also „Meldung freier Stellen“ hinweisen und auch gleich den BA Schwb auf seine Pflichten gem. SGB IX. Erkläre Ihnen auch, dass Du zukünftig ohne jeden weiteren Hinweis entsprechende Ordnungsgelder beantragen wirst. Sollte es sich dann nicht ändern/ bessern, dann musst Du aber auch die Ordnungsgelder beantragen.

Umgehung sbM durch Griff in den sog. "Pool"

hackenberger, Tuesday, 14.12.2010, 16:38 (vor 4900 Tagen) @ hackenberger

Hallo Claudia,

Zusammenfassend:

Der AG MUSS bei jedem freien/ freiwerdenden Arbeitsplatz prüfen, und zwar jedes Mal neu, ob dieser zur Besetzung mit einem Schwerbehinderten geeignet ist. Er kann nicht einfach sagen, alle Ap sind geeignet, diese ist gerichtlich geklärt.

Der AG MUSS bei jedem freien/ freiwerdenden Arbeitsplatz in die Prüfung zwingend die SchwbV und BR/PR einbinden/ beteiligen.

Der AG MUSS bei jedem freien/ freiwerdenden Arbeitsplatz der Agentur für Arbeit melden.

Im öffentlichen Dienst MUSS der AG auch jeden Bewerber der nicht ganz offensichtlich ungeeignet ist zum Vorstellungsgespräch einlanden, § 82 SGB IX.

Also auch Bewerber die sich aus eigenem Antrieb bewerben, muss der AG zu Vorstellungsgesprächen einladen.

Auch die SchwbV kann ggf. einmal mit der Agentur für Arbeit reden und diesen mitteilen, man hätte hier freie zu besetzende Ap ob sie nicht vielleicht geeignete schwerbehinderte Bewerber hätten.

Aber der AG kann dann auch die alten Bewerbungen noch mit in die Auswahl einbeziehen.

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