Vorverlegung der SBV-Wahlen (Kirche)

Hans @, Friday, 13.01.2006, 15:53 (vor 6681 Tagen)

Hallo und guten Tag,

hier ein Bericht aus dem Bereich Kirche und Diakonie:

Laut SGB IX und Wahlordnung für die SBV finden in diesem Jahr, 01.10.-30.11., Neuwahlen zur SBV statt.
Mein Arbeitgeber stellt diese Termine in Abrede und begründet dies mit dem
"Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nach Art. 140 GG", zu dtsch. dem Tendenzschutz.
Auf der anderen Seite werden aber die Aufgaben der SBV, § 95 SGB IX, ausdrücklich nach "staatlichen Recht" wahrgenommen.
D.h. mal wird das SGB als gesetzliche Vorgabe anerkannt, mal aber wieder nicht.
In unserem Betrieb sollen also die Wahlen nach dem MVG-EKD (Mitarbeitervertretungsgesetz) im April stattfinden.

Meine Frage ist nun die, ob der AG den Tendenzschutz willkürlich von Fall zu Fall anwenden kann oder ob hier eine neuere Rechtssprechnung vorliegt, die das SGB IX für alle Belange der SBV, egal welcher AG, verbindlich macht.

Anzumerken wäre noch, dass das MVG inzwischen novelliert worden ist.

Wo ist der Arbeitsrechtler, der mir eine Auskunft geben kann.

Grüße
Hans

Vorverlegung der SBV-Wahlen

hackenberger, Friday, 13.01.2006, 16:03 (vor 6681 Tagen) @ Hans

Hallo Hans,

> Wo ist der Arbeitsrechtler, der mir eine Auskunft geben kann. = Diesen findest Du bei Deiner Gewerkschaft. Für Mandatsträger ist neben den sonstigen Positiva eines jeden AN die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft auch aus solchen Gründen äußerst sinnvoll. ;-)

Weiter kannst Du aber auch die Hilfe (Beratung) eines Fachanwaltes als SchwbV in Anspruch nehmen, die Kosten trägt der AG.

Vorverlegung der SBV-Wahlen

Hans-Peter-Semmler, Regensburg, Friday, 13.01.2006, 17:55 (vor 6681 Tagen) @ Hans

Hallo Hans

» Laut SGB IX und Wahlordnung für die SBV finden in diesem Jahr,
» 01.10.-30.11., Neuwahlen zur SBV statt.
Stimmt!
» Mein Arbeitgeber stellt diese Termine in Abrede und begründet dies mit
» dem "Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nach Art. 140 GG", zu dtsch. dem
» Tendenzschutz.
Warum will er das>
Das wäre, ungeachtet der rechtlichen Situation zu klären.
Vielleicht lässt sich die Angelegenheit dann gütlich aus der Welt schaffen.
» Auf der anderen Seite werden aber die Aufgaben der SBV, § 95 SGB IX,
» ausdrücklich nach "staatlichen Recht" wahrgenommen.
Stimmt auch!
» D.h. mal wird das SGB als gesetzliche Vorgabe anerkannt, mal aber wieder
» nicht.
Das geht nicht!
» In unserem Betrieb sollen also die Wahlen nach dem MVG-EKD
» (Mitarbeitervertretungsgesetz) im April stattfinden.
MAV kann wählen!
» Meine Frage ist nun die, ob der AG den Tendenzschutz willkürlich von Fall
» zu Fall anwenden kann oder ob hier eine neuere Rechtssprechnung vorliegt,
» die das SGB IX für alle Belange der SBV, egal welcher AG, verbindlich
» macht.
AG kann Tendenzschutz nicht willkürlich anwenden. Auch die Kirche (bzw. ihre weltlichen Vertreter) muss sich an Gesetze halten.
» Anzumerken wäre noch, dass das MVG inzwischen novelliert worden ist.
Kann sein, aber die Wahl der SBV ist da nicht geregelt.
» Wo ist der Arbeitsrechtler, der mir eine Auskunft geben kann.
Da schließe ich mich den Ausführungen (Gewerkschaft) von Bernhard an.

PS: Nachdem du die Fragen auch in einem anderen Forum gestellt hast, wäre es sinnvoll, wenn du hier auch alle Fakten geschrieben hättest :-(

Zu dem hier und in einem anderen Forum Geschriebenen und Gelesenem stellt sich für mich die allein entscheidende Frage:
Um dem Ansinnen deines AG nachzukommen müsstest du zurücktreten (und in Folge auch der Stellvertreter). Dazu kann dich aber niemand zwingen. Im Gegenteil, derjenige, der dies versucht macht sich m.E. "schuldig" die SchwbV in der Arbeit zu behindern (96 Abs.2). Dies wäre m.E. sogar in einem Tendenzbetrieb nicht zulässig.;-)

--
Herzlichen Gruß
Hans-Peter

SBV-Wahlen bei kirchlichen Einrichtungen; evangelische Kirchen

Wolfgang E., Monday, 16.01.2006, 12:59 (vor 6678 Tagen) @ Hans

» Meine Frage ist nun die, ob der AG den Tendenzschutz willkürlich von Fall zu Fall anwenden kann oder ob hier eine neuere Rechtssprechnung vorliegt, die das SGB IX für alle Belange der SBV, egal welcher AG, verbindlich macht. Anzumerken wäre noch, dass das MVG inzwischen novelliert worden ist.

Im Bereich der Kirchen, ihrer karitativen und erzieherischen Einrichtungen sowie der Religionsgesellschaften findet das Betriebsverfassungsrecht und das Personalvertretungsrecht (auf das in einzelnen Bestimmungen des Schwerbehindertenrechts verwiesen wird) regelmäßig keine Anwendung (§ 118 Abs. 2 BetrVG, § 112 BPersVG) aus verfassungsrechtlichen Gründen. Daher haben beispielsweise die evangelischen Kirchen ihr eigenes Mitarbeitervertretungsrecht geschaffen mit eigenen Kirchengerichten. Rechtsprechung hierzu mit dem Suchwort "Schwerbehindertenvertretung" unter
[link=http://www.zmv-online.de/web/index.php>ziel=rechtsprechung/suchform.php ]www.zmv-online.de[/link]
www.ekd.de

"Neben dem Beteiligungsrecht aus § 51 Abs. 3 MVG.EKD steht der Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen das Beteiligungsrecht nach § 95 SGB IX nicht zu. Die Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs IX über die Schwerbehindertenvertretung sind auf Kirchen und deren Einrichtungen unanwendbar (vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 4. Aufl. 2003 § 18 Rz. 99; Fey/Rehren, MVG.EKD § 50 Rz. 1a; Baumann-Czichon, MVG.EKD § 50 Rz. 1a. Zwar nimmt das SGB IX Kirchen und Religionsgesellschaften nicht ausdrücklich aus seinem Geltungsbereich aus. Einer ausdrücklichen Ausnahme bedarf es indessen nicht. Kirchen und Religionsgesellschaften ordnen ihre Angelegenheiten im Rahmen der für alle geltenden Gesetze selbst (Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 WRV). Zum Inhalt des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gehört auch die Regelung über die Schwerbehindertenvertretung, hier über die Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen..."
KGH.EKD, Beschluss vom 05.08.2004, I-0124/H43-03

Kontextlinks:
www.agmav.de
www.agmav-bayern.de
www.schwbv.de/kirche.html
Wahlleitfaden Evang.-Luth. Kirche in Bayern
http://de.wikipedia.org/wiki/Mitarbeitervertretung

Vorverlegung der SBV-Wahlen

Hans @, Monday, 16.01.2006, 17:24 (vor 6678 Tagen) @ Wolfgang E.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Euer Einsatz bei der Beantwortung meiner Fragen finde ich toll.
Heute habe ich die rechtliche Stellunhgnahme des Arbeitsrechtsreferat des Diakonischen Werkes bekommen.
Es ist tatsächlich so, dass zwar die Aufgaben der SBV, nach § 95 SGB IX, nach staatlichem Recht definiert werden, die Wahlen allerdings in die Zuständigkeit der Kirchen, hier MVG, fallen.
Ob das so gutist und vor allen dauerhaft Bestand haben wird, warten wir es ab.

Wir werden also im März wählen.

Vielen Dank noch mals und tschüß,

Hans

Vorverlegung der SBV-Wahlen

Hans-Peter-Semmler, Regensburg, Thursday, 26.01.2006, 12:17 (vor 6668 Tagen) @ Hans

Hallo Hans,
zur Abrundung noch folgendes:

Vieles von dem vorher geschriebenen stimmt und vieles stimmt (leider) nicht.

Im Kommentar Ernst/Adlhoch/Seel (§ 94 Rn. 6 und 7) ist auf diese Thema (Kirche) speziell eingegangen.

Meine Zusammenfassung daraus:
- SchwbV hat ähnlichen Charakter wie die MAV (also eingeschränkt)
- AG kann abweichenden Wahltermin festlegen
- AG kann aber nicht jemand zum Rücktritt (was bei dir so der Fall wäre) auffordern.

Tipp: Besorge dir diesen Kommentar, dann bist du nicht nur auf die Aussagen euerer Rechtsabteilung angewiesen.

--
Herzlichen Gruß
Hans-Peter

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