Auflösungsvertrag (Umgang mit Arbeitgeber)

Apanatshi, Bayern, Thursday, 25.02.2016, 13:42 (vor 2998 Tagen)

Hallo Kollegen,

muss eine Schwerbehindertenvertretung bei der Unterbreitung eines Auflösungsvertrages mit zum Gespräch geladen werden oder nicht?
Der AG und die SBV ist da unterschiedlicher Meinung. Ich bin zwar letztendlich nach dem Gespräch darüber informiert worden, aber weder der BR noch die SBV wusste dass das Gespräch stattfand. Der Betroffene hätte aber gerne den BR und die SBV dabei gehabt, ihm wurde aber gesagt, dass der AG die GEspräche vorerst ohne die Interessensvertretung führen möchte! Ich finde das fragwürdig.
Ich meine der AG hätte mich laden müssen oder ist ein Auflösungsvertrag keine personelle Maßnahme?!
Bei dem Gespräch wurde ihm ein anderer Vertrag in einer Tochtergesellschaft angeboten, selbstverständlich mit schlechteren Bedingungen und der Arbeitsplatz ist auch nicht behinderungsgerecht. Insbesondere letzteres ist für mich ein Problem, da abzusehen ist, dass der SB scheitern wird.
Ich habe leider im Forum nichts aussagekräftiges gefunden, aber vielleicht kann man mir weiterhelfen.
Ich berichte übrigens aus dem Gesundheitsdient ......, eine andere Tätigkeit kann der ARbeitgeber in unserem Haus und unter TVöD nicht anbieten. Andere Lösungen, wie Unterstützung durch IGA sind für den Arbeitgeber keine Option!

Danke ✿ , Andrea

Auflösungsvertrag

Apanatshi, Bayern, Friday, 26.02.2016, 11:21 (vor 2997 Tagen) @ garda

Hallo Michael,
die erste Hälfte des Artikels hört sich ja gut an, bei der 2. verschleiert sich mein Blick.
Tja wenns so ist...., das heißt also neue Strategien anwenden, die Informationspolitik wieder ausweiten.:-( ;-) Man hat ja sonst nichts zu tun?!
Schönes Wochenende und danke.

Apanatshi

Auflösungsvertrag

Hotte, Stuttgart, Thursday, 25.02.2016, 14:46 (vor 2998 Tagen) @ Apanatshi

Hallo,
es gbt dazu ein Urteil des BAG

7 ABR 67/10


Einen sehr ausführlichen Artikel dazu findest du hier

VG
Hotte

--
Richard v. Weizsäcker:
"Nicht Behindert zusein,ist wahrlich kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das jedem von uns jeder Zeit genommen werden kann."

Auflösungsvertrag

Apanatshi, Bayern, Friday, 26.02.2016, 11:17 (vor 2997 Tagen) @ Hotte

Hallo Hotte,
danke für die Info. Das BAG sagts ja deutlich :-( Obwohl in meinem Fall lange Vorgespräche und Verhandlungen geführt worden sind, der Integrationsfachdienst bereits involviert worden ist und im Grund Lösungen erarbeitet worden sind, hat der AG eine Kehrtwende eingeschlagen und dem MA einfach den Auflösungsauftrag vorgelegt mit einem gleichzeitigen Angebot in der Tochtergesellschaft. Das wäre im Grund ja noch akzeptabel, wenn der Arbeitsplatz behinderungsgerecht wäre. Finanzielle Einbussen sind dabei gar nicht thematisiert. Schade, dass das BAG so sieht. Es bleibt also nichts anderes übrig, als die Mitarbeiter insgesamt zu sensibilisieren:
a) immer darauf hinzuweisen, dass sie bei Gesprächen den BR und die SBV dabei haben wollen.
b) und die MA darauf hinzuweisen, dass sie nie einen Auflösungsvertrag unterzeichnen sollen ohne Bedenkzeit.
Dass der AG ganz gewisse Interessen verfolgt, sieht man daran, dass er nicht im Traum dran denkt, BR und SBV einzubeziehen. Von vertrauensvoller Zusammenarbeit kann man da leider nicht reden. Schade, dann muss man halt andere Strategien entwickeln.

Danke und schönes Wochenende an alle.

Apanatshi

Auflösungsvertrag

Cebulon, Friday, 26.02.2016, 13:24 (vor 2997 Tagen) @ Apanatshi

Schade, dass das BAG so sieht.

Ja, eine in der Literatur auf breite Kritik gestoßene krasse Fehlentscheidung des 7. Senats des BAG "Im Namen des Volkes!", wonach mit allgemeinen Denkgesetzen bzw. mit den Gesetzen der Logik unvereinbar. Volkes Meinung ist das nicht. Alle Abgeordnete des Bundestags und auch der Bundesrat sowie die Bundesregierung selbst sehen das rechtsvergleichend völlig anders als diese drei Bundesrichter.

Den Feststellungsantrag der SchwbV schon deshalb zurückzuweisen, weil dort nicht angegeben, ob sie "mündliche oder schriftliche" Anhörung verlangt, halte ich prozessrechtlich für lebensfremd bzw. für weit überspannt und völlig überzogen (vgl. z.B. Düwell, SGB IX § 94 RdNr. 112).

Da "fehlt" jetzt nur noch, in welcher Schriftgröße und welcher Farbe, ob telefonisch oder persönlich, ob als E-Mail oder Fax, ob als SMS, per Whatsapp oder Threema. Evtl. gibt's ja auch noch die Rohrpost. Derartige "Spitzfindigkeiten" grenzen aus meiner Sicht geradezu an Rechtsverweigerung.

Der Bundesgesetzgeber, also unsere Volksvertreter, sehen jedenfalls im kürzlich novellierten § 27 BGleiG im Abschluss eines Aufhebungsvertrags eine Arbeitgeber-Entscheidung ("Entscheidungsprozess") und schreiben deshalb zu Recht eine vorherige Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten bei Aufhebungsverträgen im öffentlichen Dienst des Bundes vor mit Frauen. Und zwar vor Abschluss eines Aufhebungsvertrags und nicht erst danach, wenn alles schon gelaufen ist und es nichts mehr zu beeinflussen oder zu gestalten gibt und eine Aussetzung ausgeschlossen ist. Die Entscheidung, einem sbM einen Aufhebungsvertrag anzubieten, also das Vertragsangebot, ist und bleibt denklogisch eine Willensentscheidung.

Es bleibt das Geheimnis des Siebten Senats, warum ein und derselbe Aufhebungsvertrag zum Beispiel mit einer beim BAG in Erfurt beschäftigten sb Putzfrau keine Entscheidung nach Schwerbehindertenvertretungsrecht sein soll, aber eine Entscheidung nach BGleiG.

Gruß,
Cebulon

Auflösungsvertrag

WoBi, Friday, 26.02.2016, 13:56 (vor 2997 Tagen) @ Cebulon

Hallo Cebulon,

die Richter beim BAG haben einen sehr allgemein gefassten Antrag zur generellen Beteiligung der SBV bei einem Aufhebungsvertrag zu beurteilen gehabt. Diesem Antrag sind die Richter nicht gefolgt, weil es in ihren Augen denkbare Ausnahmen geben könnte. Mehr sagt die Entscheidung nicht aus. Die Entscheidung ist kein Freibrief für die Nichtbeteiligung der SBV nach § 95 Absatz 2 SGB IX und die Nichtbeteiligung der SBV ist weiterhin eine Ordnungswidrigkeit nach § 156 SGB IX Absatz 1 Ziffer 9.

Denkbar wäre z.B. folgendes:
Ein aufhebungswilliger Mitarbeiter stürmt das Personalbüro und sieht zufällig den vorbereiteten und gerade durch die Personalleitung unterzeichneten Aufhebungsvertrag für sich auf dem Schreibtisch liegen. Nimmt den Aufhebungsvertrag an sich und unterschreibt diesen Augenblicklich vor den Augen der überrumpelten Personalleitung. Der Personalleiter erklärt später, dass es sich um Vorbereitungsarbeiten gehandelt hat und er die feste Absicht gehabt hat, die Mitarbeitervertretungen zu informieren. Durch das Handeln des Mitarbeiters und die Überrumpelung blieb dafür keine Zeit.

Das Beispiel ist zwar etwas an den Haaren herbeigezogen und in sich nicht unbedingt logisch, da das Schreiben eines Aufhebungsvertrages Zeit benötigt und damit die Unterrichtung und vor allem die Anhörung der SBV nach § 95 Absatz 2 SGB IX möglich ist. Aber es könnte andere Ausnahmen geben und deshalb ist die Entscheidung so ausgefallen.

Hier hilft nur Aufklärung der Kolleginnen und Kollegen, damit Arbeitgeber diese „Notfallsituation“ nicht (geplant) anwenden können. Gerade im Zeichen der Beratung durch die SBV, könnte der Arbeitnehmer z.B. die Teilnahme von SBV/BR/PR am Gespräch mit dem Arbeitgeber wünschen. Die SBV könnte in der Beratung über die Nachteile von Aufhebungsverträge informieren. Aber derartig sachkundige Arbeitnehmer erschweren das Handeln der Arbeitgeber.

--
Gruß
Wolfgang

Auflösungsvertrag

Cebulon, Sunday, 28.02.2016, 14:37 (vor 2995 Tagen) @ WoBi

Das Beispiel ist zwar etwas an den Haaren herbeigezogen, da vor allem die Anhörung der SBV nach § 95 Absatz 2 SGB IX möglich ist.

Wieso Anhörung? Es soll doch nach Ansicht dieser BAG-Richter prinzipiell niemals ein gesetzliches Anhörungsrecht geben bei einem Aufhebungsvertrag nach § 95 Abs. 2 SGB IX und zwar in keiner denkbaren Konstellation. Sie meinten, dass ein Arbeitgeber generell "nicht verpflichtet" sei, die SchwbV bei einem Aufhebungsvertrag "anzuhören" (nicht vorher und nicht nachher), folglich allenfalls Unterrichtung, niemals aber Anhörungsrecht laut Orientierungssatz 4.

Wie hätte denn Deiner Ansicht nach der vom BAG als unzulässig angesehene Unterlassungsantrag bzw. der als unbegründet abgeschmetterte Feststellungsantrag präziser nach BAG-Logik formuliert werden müssen?

Ein schwebehinderter Beschäftigter, der sich einen Aufhebungsvertrag "aufschwatzen" lässt, läuft Gefahr, dass ihm das Integrationsamt die besonderen Hilfen für schwerbehinderte Menschen u.U. zeitweilig entziehen kann nach § 117 SGB IX. Auch deshalb ist es wichtig, dass die SchwbV vorher berät. Teils sehen MTV/TV eine Widerrufsmöglichkeit ("Bedenkzeit") von einem oder mehreren Werktagen vor. In NRW ist der PR zuvor zwingend anzuhören nach LPVG NRW. Und beim Bund ist bei einem Aufhebungsvertrag mit Frauen auch die Gleichstellungsbeauftragte zuvor zwingend zu beteiligen nach dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG).

Die SBV könnte in der Beratung über Nachteile von Aufhebungsverträgen informieren.

Richtig, ist Thema für Schwerbehindertenversammlung. Teilweise bieten auch einige der Integrationsämter Fachkurse für die SchwbV zu Aufhebungsverträgen und ihren einschneidenden sozialrechtlichen Folgen an mit Sozialrichtern als Referenten.

Gruß,
Cebulon

Auflösungsvertrag

WoBi, Tuesday, 01.03.2016, 11:13 (vor 2993 Tagen) @ Cebulon

Hallo Cebulon,

das Arbeitsgericht Stuttgart hat am 29.09.2010 im Beschlussverfahren 22 BV 294/09 folgende Leitsätze beschlossen:

„1.) Der Antragsgegnerin wird untersagt, einen Aufhebungsvertrag mit einem im Eigenbetrieb Klinikum Stuttgart beschäftigten schwerbehinderten Menschen abzuschließen, bevor nicht der Antragsteller unterrichtet wurde und ihm Gelegenheit gegeben wurde, dazu Stellung zu nehmen.

2.) Kommt die Antragsgegnerin der Verpflichtung aus Ziff. 1 nicht nach, wird ihr für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 25.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen am Geschäftsführer des Eigenbetriebs Stuttgart, angedroht.
3.) Die Sprungrechtsbeschwerde wird zugelassen.“

Die Kammer hat dem Antrag der SBV entsprochen. Der Antrag war zukunftsgerichtet und generell gefasst, wie aus dem 1. Leitsatz ersichtlich. Dies wird durch die Strafandrohung „für jeden Fall“ im 2. Leitsatz verstärkt. Ungewöhnlich ist die Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde direkt zum Bundesarbeitsgericht (BAG) unter Auslassung der 2. Instanz Landesarbeitsgericht (LAG). Ein LAG-Beschluss hätte ggf. die Beschwerde beim BAG überflüssig gemacht.

Dieser Beschluss wurde durch das Rechtsbeschwerdeverfahren mit dem Aktenzeichen 7 ABR 67/10 angegriffen.
Bei der Beschwerde des Arbeitsgebers gegen den Beschluss wurde diese globale und umfassende Antragsstellung mit „Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht dem Hauptantrag stattgegeben. Dieser ist unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt ist.“ (Randnummer 7) festgestellt. Noch deutlicher wird dies in Randnummer 8 „Der Unterlassungsantrag ist unzulässig. Er ist nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.“ genannt.

Die 7. Kammer hat sich differenziert mit der Unterrichtung- und Anhörungsverpflichtung nach § 95 Absatz 2 auseinandergesetzt. Dies wird in der Randnummer 25 „c) Hiernach ist die Arbeitgeberin weder stets verpflichtet, den Schwerbehindertenvertreter vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem schwerbehinderten Menschen zu unterrichten, noch muss sie die Schwerbehindertenvertretung zuvor anhören. Der Abschluss eines solchen Vertrags ist zwar eine Angelegenheit iSv. § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX. Die Arbeitgeberin muss daher den Schwerbehindertenvertreter unverzüglich unterrichten. Der Zeitpunkt der Unterrichtung liegt aber nicht notwendig vor dem Abschluss des Aufhebungsvertrags. Jedenfalls in den Fällen, in denen ein Aufhebungsvertrag ohne zeitlich nennenswerte Vorverhandlungen geschlossen wird, genügt die Arbeitgeberin ihrer Unterrichtungspflicht, wenn sie den Schwerbehindertenvertreter unverzüglich nach dem Abschluss des Aufhebungsvertrags informiert. Eine Verpflichtung, den Schwerbehindertenvertreter vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags anzuhören, besteht schon deshalb nicht, weil der Abschluss keine Entscheidung iSv. § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX ist.“ deutlich.

Warum der 7. Senat teilweise abweichend gegenüber der gängigen Rechtsprechung des 9. Senats entschieden hat und dies nicht mit einem Aktenzeichen „GS“ für den Großen Senat entschieden wurde, könnte Fragen aufwerfen. Nur der 7. Senat hat eben mögliche Fallstellungen gesehen, die eine vorhergehende Unterrichtung und insbesondere die Anhörung eben nicht zwingend möglich machen. Die ist u.a. im Satz „Dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers, die Schwerbehindertenvertretung vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu hören, überschießend wäre, wird insbesondere deutlich in Fallgestaltungen, in denen die Initiative zum Abschluss eines solchen Vertrags von dem Arbeitnehmer ausgeht.“ dargelegt.

Wobei ich diese Feststellung nicht in Einklang mit der Beratungsaufgabe der SBV bringen kann, denn durch die Hinweise bei einem Beratungsgespräch könnte der Aufhebungswillige sein Vorhaben überdenken, wenn er über mögliche Nachteile z.B. beim Arbeitslosengeld umfassend informiert ist. Für die Feststellung des Beratungsbedarfs benötigt die SBV eine unverzügliche und umfassende Unterrichtung. Wie sonst soll auf gleicher Augenhöhe mit dem Arbeitgeber gesprochen werden.

Auch nach dem Beschluss 7 ABR 67/10 besteht bei einem Aufhebungsvertrag weiterhin die Verpflichtung zur unverzüglichen Unterrichtung der SBV durch den Arbeitgeber nach diesem Beschluss grundsätzlich weiter. Außer es wäre ein Fall, wie mein genanntes Beispiel.

--
Gruß
Wolfgang

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