Ergebnis einer Anzeige bei der Arbeitsagentur (Umgang mit Arbeitgeber)

Cebulon, Saturday, 19.09.2015, 21:40 (vor 3172 Tagen) @ HarriM

Massen-Aufhebungsangebote mit Drohungen, darunter weit überdurchschnittlich viele Schwerbehinderte betroffen.


Ich glaube, Deine Empörung kann hier jeder nachvollziehen. Das geht womöglich auf die korrekturbedürftige Fehlentscheidung des Siebten Senats des BAG vom 14.03.2012 Az: 7 ABR 67/10 zurück, die wohl außer der Bundesagentur kaum jemand nachvollziehen kann. Sie ist auf breite harsche Kritik bei Fachanwälten, Vorsitzenden Richtern, Schwerbehindertenvertretungen in Wirtschaft und Verwaltung sowie in der Fachliteratur gestoßen (vgl. umfassend Düwell, SGB IX, § 95 RdNr. 46 und 112). Das BAG hat den Beschluss des ArbG Stuttgart von 29.09.2010 Az: 22 BV 294/09 überraschend aufgehoben mit geradezu abenteuerlicher Begründung :-(

Das hat m.E. mit den Gesetzen der Logik, den Denkgesetzen bzw. der Stärkung der SBV, die sich die Bundesregierung 2013 auf die Fahne geschrieben hat, nicht das Geringste zu tun. Da ist der Gesetzgeber im Herbst vordringlich gefordert bei der SGB IX-Novellierung! Welche Regionaldirektion hat denn diese Verfahren eingestellt?
Hat jemand ähnlich negative Erfahrungen bei Aufhebungsverträgen mit der Regionaldirektion seines Bundeslandes?

Der Bundesgesetzgeber, also unsere Volksvertreter, sehen jedenfalls im kürzlich novellierten § 27 BGleiG im Abschluss eines Aufhebungsvertrags eine Arbeitgeber-Entscheidung ("Entscheidungsprozess") und schreiben deshalb obligatorisch eine vorherige Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten bei Aufhebungsverträgen im öffentlichen Dienst des Bundes vor mit Frauen. Und zwar vor Abschluss eines Aufhebungsvertrags und nicht erst danach, wenn alles schon gelaufen und nichts mehr zu beeinflussen oder zu gestalten ist. Die Entscheidung, einem Beschäftigten einen Aufhebungsvertrag anzubieten und abzuschließen, ist und bleibt denklogisch eine Willensentscheidung.

Die Entscheidung des Siebten Senats des BAG bedarf dringend einer gesetzlichen Korrektur, da sie in erheblichem Umfang die Befugnisse der SBV leerlaufen lässt. Der gesetzliche Schutzauftrag kann auf die vom BAG vorgesehene Weise jedenfalls nicht erreicht werden. Insoweit verstößt die Entscheidung auch gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, jede Benachteiligung von sbM zu vermeiden. Der Gesetzgeber könnte sich dabei etwa an der Neufassung des § 74 LPVG NRW orientieren, wenn ihm etwas an den sbM gelegen sein sollte. Danach ist der Personalrat - v o r - Abschluss von Aufhebungsverträgen "anzuhören". Und bei Verstößen ist der Aufhebungsvertrag unwirksam!

Genau so sehen das offenkundig auch die Experten der BIH im Fachlexikon, worauf Heiner schon ausdrücklich verwiesen hat: "Im Übrigen muss der Arbeitgeber vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages die Schwerbehindertenvertretung anhören (§ 95 Abs. 2 SGB IX). Dieselben Überlegungen gelten bei Massenentlassungen im Hinblick auf die Vereinbarung von Sozialplänen, in denen häufig der Abschluss von Aufhebungsverträgen mit den betroffenen Arbeitnehmern vorgesehen ist."

Ebenso ablehnend DGB, welcher diese Rechtsprechung mit der "Fabel vom Hase und Igel" vergleicht. Diese Entscheidung laufe letztlich auf eine "von vornherein unmögliche" Interessenvertretung hinaus.

Wir brauchen eine Beteiligung - VOR - derartigen Entscheidungen und nicht lediglich nachträgliche Info statt Anhörung, wenn alles schon gelaufen ist und es nichts mehr auszusetzen gibt.

Gruß,
Cebulon


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