Mehrarbeit bei Teilzeit (Allgemeines)

lunos1961, Fürth, Friday, 30.07.2021, 11:32 (vor 1002 Tagen)

Hallo,
nach den Urteilen des BAG 6AZR 161/16 und !0AZR 589/15 Rn33
besteht Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge ab der ersten Stunde bei Überschreitung der individuellen Arbeitszeit eines Teilzeitbeschäftigten und nicht erst nach erreichen der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten.

Im SGB 9 §207 ist geregelt das Mehrarbeit erst nach erreichen der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten (8 Std) vorliegt.

Nun stellt sich für mich die Frage, haben die Urteile des BAG Auswirkungen auf die Auslegung im SGB 9 §207?

Denn wenn ein Teilzeitbeschäftiger (Schwerbehinderter) ab der ersten Stunde bei Überschreiten seiner individuellen Arbeitszeit Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge hat, dann muss auch die erste Stunde der Überschreitung der induviduellen Arbeitszeit eines TZ-Beschäftigten als Mehrarbeit gelten und nicht erst -wie im SGB9 §207 nach überschreiten der Vollzeit.

Also müsste dann auch das ableisten von Mehrarbeit ab der ersten Stunde der induviduellen TZ- Arbeitszeit abgelehnt werden können.

Danke für die Antworten
Norbert

Mehrarbeit bei Teilzeit

Cebulon, Friday, 30.07.2021, 17:27 (vor 1001 Tagen) @ lunos1961

Also müsste dann auch das Ableisten von Mehrarbeit ab der ersten Stunde der induviduellen TZ- Arbeitszeit abgelehnt werden können.

Hallo Norbert,
das ist „Denkfehler“. Das kann nicht als Mehrarbeit abgelehnt werden gemäß § 207 SGB IX, weil keine Mehrarbeit i.S. dieser Vorschrift nach BMAS-Broschüren sowie auch der Rechtsprechung, sondern vielmehr Überstunden. Schlussfolgerung ist nicht plausibel und schon gar nicht zwingend.

Gruß,
Cebulon

Mehrarbeit bei Teilzeit

lunos1961, Fürth, Monday, 02.08.2021, 08:32 (vor 999 Tagen) @ Cebulon

Guten Morgen,
erstmal Danke für die Antwort.

Deine Antwort trifft nicht den Punkt auf den ich hinaus wollte.

Das BAG hat ja in den og. genannten Urteilen seine bisherige Rechtssprechung geändert.
So gilt bei Teilzeit-AN Mehrarbeit ab der ersten Stunde des Überschreitens der individuell vereinbarten Arbeitszeit.
Also bereits vor erreichen der Vollzeit.

Da viele Schwerbehinderte die ich kenne aus gesundheitlichen Gründen ihre AZ reduziert haben wollte ich wissen, ob diese Urteile Auswirkungen auf den § 207 SGB9 haben, da dort Mehrarbeit erst nach erreichen der Arbeitszeit eines
VZ- Beschäftigten gilt.

Hier steht also Arbeitsrecht dem Sozialrecht widersprüchlich gegenüber.

Danke

Mehrarbeit bei Teilzeit

Cebulon, Monday, 02.08.2021, 16:14 (vor 998 Tagen) @ lunos1961

Hier steht also Arbeitsrecht dem Sozialrecht widersprüchlich gegenüber.

Hallo, in den zwei Urteilen gings um sog. (ungeplante) Überstunden nach Tarifrecht, und gerade nicht um die Mehrarbeit im Sinne des Schwerbehindertenrechts, auch wenn dieser Begriff „Mehrarbeit“ z.B. in § 7 Abs. 6 TVöD-K vorkommt.

Der Ansicht des beklagt. Krankenhauses, dass der Krankenpfleger keine Überstunden, sondern „Mehrarbeit“ i.S. dieses Tafifvertrags geleistet habe, hat das BAG klar widersprochen und die Revision der Klinik zurückgewiesen.

Da viele Schwerbehinderte, die ich kenne, aus gesundheitlichen Gründen ihre Arbeitszeit reduziert haben …

Wie bereits erwähnt bzw. verlinkt, ginge da allenfalls was über § 164 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX (Arbeitszeit) sowie § 164 Abs. 5 Satz 3 SGB IX.

… wollte ich wissen, ob diese Urteile Auswirkungen auf den § 207 SGB IX haben, da dort Mehrarbeit erst nach Erreichen der Arbeitszeit eines VZ- Beschäftigten gilt.

Nein, keine Auswirkung, da keine Änderung bisheriger Rspr. zur Mehrarbeit i.S.d. § 207 SGB IX des Neunten Senats (BAG, Urteil vom 03.12.2002 - 9 AZR 462/01, und BAG, Urteil vom 21.11.2006 - 9 AZR 176/06). Hätte diese Rechtsprechung gekippt werden sollen, so hätte der zitierte Sechste und Zehnte BAG-Senat zuvor beim Neunten Senat fragen müssen, ob mit einer solchen Änderung der Rechtsprechung einverstanden. Dieses ist nicht geschehen. Das BAG, 26.04.2017, 10 AZR 589/15, hat vielmehr in Rn. 21 und 22 darauf verwiesen, dass der in den gesetzlichen Regelungen (wie dem SGB IX) verwendete Begriff Mehrarbeit sich demgegenüber „durchweg nicht auf‘s Überschreiten einer individuell vereinbarten Arbeitszeit, sondern auf die regelmäßige betriebliche oder gesetzlich höchstzulässige Arbeitszeit“ bezieht (Rn. 22). Somit hat auch BAG, Urteil vom 26.04.2017, 10 AZR 589/15, die Grenze von 8 Stunden nochmals erneut ausdrücklich bekräftigt und nicht umgekehrt. Hier ein Praxis-Beispiel zur gesetzlichen Mehrarbeit.

Gruß,
Cebulon

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