Art der Angabe der Behinderung bei Bewerbung (Einstellung)

Sprotte81, Thursday, 04.01.2024, 12:00 (vor 278 Tagen)

Guten Morgen zusammen,

ich habe eine Frage zur Angabe der Behinderung in der Bewerbung.

Ich arbeite im ÖD - mehr als (5.000 Beschäftigte) und wir nutzen ein "Bewerbertool", wo Anlagen hochgeladen werden und man anklicken kann "Behinderung ja / nein / keine Angabe.

Ich möchte gern wissen, wer ein Recht auf eine Einladung hat:

  • Szenario 1: der Bewerber hat in der Maske angeklickt "Behinderung ja" aber keinerlei Hinweis im LL und keinen Nachweis mitgeschickt.

  • Szenario 2: Bewerber schreibt nichts zu seiner Behinderung, hat jedoch einen SB-Ausweis mitgeschickt.

  • Szenario 3. Bewerber weist in LL auf Behinderung hin, jedoch kein Nachweis dabei.

Gerade Szenario 1 führt immer wieder zu Problemen, da oft versehentlich "Behinderung ja" angeklickt wurde, gerade wenn die Bewerbungen in Englisch verfasst sind. (Die Maske zur Eingabe ist immer Deutsch).

Reicht die Erwähnung der Behinderung auch ohne Nachweis aus? Da streiten wir uns regelmäßig mit den Personalern.

Danke für eure Hilfe und viele Grüße
SPROTTE

Art der Angabe der Behinderung bei Bewerbung

albarracin, Baden-Württemberg, Thursday, 04.01.2024, 12:52 (vor 278 Tagen) @ Sprotte81

Hallo,

Rechtsprechung und Fachkommentierung (zB Düwell in LPK-SGB IX, § 164 Rn 70, der die Pflichten nach § 165 mitbehandelt) gehen davon aus, daß die "Mitteilung" einer Schwerbehinderung oder Gleichstellung gem. den Kriterien des BAG (18.9.2014, 8 AZR 759/13) ausreichend ist und die Rechte der schwerbehinderten Menschen sowie der SBV im Bewerberverfahren auslöst.
Der AG kann allerdings im Laufe des Verfahrens die Vorlage eines einen amtlichen Nachweises (Kopie des Sb-Ausweises oder Bescheid der AA) verlangen.

Deswegen ist die Antwort auf Deine Fragen:

1. Ja, wenn ein AG/Dienstherr ein solches Tool nutzt, muß er sich ggfs. eine Antwort auf diese Frage zurechnen lassen. Allerdings ist diese Art der Formulierung höchst fragwürdig.

2. Nein, wenn nicht zusätzlich im Anschreiben oder Lebenslauf ausdrücklich erwähnt.

3. Ja

--
&Tschüß

Wolfgang

Art der Angabe der Behinderung bei Bewerbung

WoBi, Thursday, 04.01.2024, 22:31 (vor 278 Tagen) @ albarracin

Hallo,

Der AG kann allerdings im Laufe des Verfahrens die Vorlage eines einen amtlichen Nachweises (Kopie des Sb-Ausweises oder Bescheid der AA) verlangen.

Wichtig ist bei "im Laufe des Verfahrens", dass dies keine Voraussetzung für die Einladung zum Vorstellungsgespräch nach § 165 SGB IX selbst ist.
Ein öffentliche Arbeitgeber kann nicht erst die Vorlage eines Nachweises der Behinderung verlangen / nachfordern, um nach Zugang des Nachweises die Unterrichtung der SBV und PR durchzuführen oder die (zwingende) Einladung zu einem Vorstellungsgespräch davon abhängig machen.
Der Bewerber / Die Bewerberin hat durch die Markierung ggf. mit Auswahl des GdB im Bewerbungstool die gesetzlicher Verpflichtungen des Arbeitgebers ausgelöst.
Zumal ein Bewerbungsanschreiben (zur Nennung der SB-Eigenschaften) häufig durch Bewerbungstools nicht unterstützt werden.
Dies wird z.B. durch die Bezeichnungen / Auswahl zum Hochladen der Dokumente bzw. Erklärungen deutlich. Ein Schelm der dabei Böses vermutet, um eine wirksame Mitteilung der SB-Eigenschaften zu verhindern. Der Lebenslauf soll zur Arbeitsvereinfachung sowieso direkt im Bewerbungstool erfasst werden, damit auch dieser als Anlage entfällt, um dort eine rechtswirksame Mitteilung der SB-Eigenschaft zu erlangen.

--
Gruß
Wolfgang

Art der Angabe der Behinderung bei Bewerbung

Cebulon, Friday, 05.01.2024, 14:14 (vor 277 Tagen) @ WoBi

Hallo,

das mag ja alles so zutreffen: Spätestens in der Einladung sollte aber ausdrücklich ein Nachweis für die behauptete Schwerbehinderung angefordert werden. Erscheint dieser Bewerber, der Schwerbehinderung oder Gleichstellung geltend macht, dann dennoch ohne Nachweis, dann kann er m.E. wieder weggeschickt werden – ohne Vorstellung: Denn wer sich auf etwas beruft, der muss das letztlich auch nachweisen laut allgemeinen Grundsätzen der Beweislast. Die bloße Zusicherung der Gleichstellung reicht bspw. nicht lt. BAG vom 27.01.2011 – 8 AZR 580/09 - weil nicht gleichwertig mit Bewilligung einer Gleichstellung.

Da hat die Bundesagentur den Behinderten jahrelang einen „Bärendienst“ erwiesen – und schwer versagt.
So schon BAG, 18.11.2008 – 9 AZR 643/07, wonach eine Zusicherung nicht eine bewilligte Gleichstellung ersetzt: Dennoch hat diese Bundesagentur erst 2017 ihre unsägliche Zusicherungspraxis gegen den Willen behinderter Arbeitsloser endlich eingestellt. Profitiert davon hat nur diese BA: Denn diese „Zusicherungen“ erscheinen im Gegensatz zu „Bewilligungen“ nicht in ihrer Arbeitslosenstatistik sbM. So wurde dann diese Statistik jahrelang aufgehübscht bzw. amtl. „verzerrt“. So auch LAG Hamm, 09.06.2016, 15 Sa 131/16, zur Nichterweislichkeit. Vgl. auch BSG, 06.01.2009, B 11a AL 47/07 R, entgegen Vorinstanzen zur rechtswidrigen Praxis der Bundesagentur für Arbeit: Die schräge und pauschale Ansicht des LSG Hessen, 11.07.2007, L 7 AL 61/06, und LSG Hamburg, 07.09.2011 - L 2 AL 5/09, wonach eine Zusicherung für den Behinderten „eine wesentlich bessere Möglichkeit“ biete, ist einfach nur grober Ermessensfehlgebrauch, Unterstellung sowie Desinformation, da offen­sichtl. nicht gleichwertig mit Bewilligung z.B. im Bewerbungsverfahren allgemein sowie speziell im öffentlichen Dienst für Vorstellung gemäß § 165 Satz 3 SGB IX, weil nicht erfasst.

Gruß,
Cebulon

Art der Angabe der Behinderung bei Bewerbung

Cebulon, Thursday, 04.01.2024, 15:05 (vor 278 Tagen) @ Sprotte81

und man anklicken kann "Behinderung ja / nein / keine Angabe.

Hallo Sprotte,

m.E. dilettantisch, da es um Schwerbehinderung und Gleichstellung geht etwa bei dem § 165 SGB IX und nicht um bloße „Behinderung“ im SGB IX Teil 3. Im Übrigen halte ich eine solche Online-Befragung per Bewerbertool nach tätigkeitsneutraler Behinderung für offensichtlich illegal und für diskriminierend. Da ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis Bewerber:innen Entschädigung einklagen beim Arbeitsgericht wegen absolut diskriminierender Befragung.

Eine Pflicht zur Offenbarung einer Schwerbehinderung schon bei einer Bewerbung besteht grundsätzlich nicht, ebenso wenig wie ein grds. Fragerecht des Arbeitgebers (BAG, 18.09.2014, 8 AZR 759/13)

Ebenso schon BAG, 13.10.2011, 8 AZR 608/10, wonach gerade die Nachfrage nach einer tä­tig­keits­neu­tra­len Schwerbehinderung ein Indiz für eine un­mit­tel­ba­re oder mittelbare Ver­fah­rens­dis­krimi­nie­rung sein kann.

Gruß,
Cebulon

Art der Angabe der Behinderung bei Bewerbung

Sprotte81, Friday, 05.01.2024, 08:46 (vor 277 Tagen) @ Cebulon

Guten Morgen,

herzlichen Dank für eure Antworten. Stimmt, ich habe mich tatsächlich noch nie bei einem öffentlichen AG beworben, wo im Bewerbungstool aktiv nach einer Behinderung gefragt wird. Denke das soll den Personalern die Sache vereinfachen, da wir sehr viele Bewerbungen / offene Verfahren haben.

Ich werde mal intern nachfragen, wie verfahren wird, wenn der Ausweis dabei ist, aber kein Hinweis im Lebenslauf oder Anschreiben. (Ich bin davon ausgegangen, dass der Ausweis ausreicht, um verpflichtend einzuladen).

Wir haben auch das Problem, dass sehr viele Bewerber "Behinderung ja" anklicken und diese Angabe ein Versehen war.

Vielen Dank für eure Hilfe und herzliche Grüße
SPROTTE

Art der Angabe der Behinderung bei Bewerbung

Vertigo, Saarland, Monday, 15.01.2024, 11:31 (vor 267 Tagen) @ Sprotte81

Hallo zusammen,

wir haben hier bei uns (2340 MA) seit einigen Monaten ebenfalls ein online Bewerberportal(Success-Factor),über das alle Bewerbungen laufen.

Prinzipiell finde ich es schon nicht richtig, dass man durch eine Anklickfunktion Schwerbehinderung ja/nein durch muss.
Der Bewerber hat keine Offenbarungspflicht und der Arbeitgeber kein Fragerecht.
Dass ein Bewerber nein anklicken kann ohne Folgen (Lügen erlaub auf unzulässige Fragen)ist mir schon bewusst.

Ich habe hier bei uns lange gekämpft, bis die Frage nach einer Schwerbehinderung aus den vorherigen Personalfragebögen rausgenommen wurde. Dieser Personalfragebogen wurde vor der Unterschrift des Arbeitsvertrages von den Bewerbern, die eingestellt werden sollten, ausgefüllt.
Jetzt ist in diesem Portal die Frage nach einer Schwerbehinderung nochmal drin. In einem Programm, das eigentlich von Leuten hergestellt wurde, die auch auf die gesetzlichen Bestimmungen achten müssten.
Klar, das Verfahren ist bei uns so, dass wenn ein Bewerber Schwerbehinderung anklickt, ich als SBV automatisch von dem System die Mitteilung bekomme, für welche Stelle sich ein schwerbehinderter Bewerber beworben hat und ich muss diesen dann nach Sichtung auch freigeben.
Würde ohne die Möglichkeit des Anklickens nicht funktionieren.

Mir fällt aber auch keine andere Lösung ein, sonst wäre ich das Problem schon angegangen.
Wäre die Frage draußen, bekäme ich keine Info mehr.
Leider kommen bei mir auch viele raus, die falsch geklickt haben (oft Leute, die die deutsche Sprache nicht richtig beherrschen und/oder die auch einen Wohnsitz im Ausland haben, oder auch Leute die anklicken weil sie einen GdB von 20-40 ohne Gleichstellung haben).
Für mich ist das ganz schön viel Detektivarbeit die ich zusätzlich leisten muss, um herauszufinden, ob sie mich einbinden müssen oder nicht.

Wie steht ihr denn zu der Frage nach einer Schwerbehinderung?

--
Gruß
Vertigo

Art der Angabe der Behinderung bei Bewerbung

Cebulon, Monday, 15.01.2024, 14:02 (vor 267 Tagen) @ Vertigo

Wie steht ihr denn zu der Frage nach einer Schwerbehinderung?

Hallo Vertigo,

wie schon geschrieben ist das regelhaft schlicht illegal und diskriminierend laut dem BAG, egal ob online per Bewerberportal, mündlich oder Personalfragebogen.

Mir fällt aber auch keine andere Lösung ein, sonst wäre ich das Problem schon angegangen.

Das wäre allenfalls wohl nur dann zulässig, falls dabei über Freiwilligkeit der Angabe sachgerechte Aufklärung erfolgt und z.B. auf Begleiten im Bewerbungsverfahren durch SBV hingewiesen wird. Ohne Belehrung im Portal sind derartige Fragen m. E. jedenfalls klar unzulässige AGG-Diskriminierungen – welche Kosten verursachen können durch AGG-Entschädigungen …

Gruß,
Cebulon

Art der Angabe der Behinderung bei Bewerbung

WoBi, Thursday, 18.01.2024, 14:24 (vor 264 Tagen) @ Vertigo

Hallo Vertigo,

Mir fällt aber auch keine andere Lösung ein, sonst wäre ich das Problem schon angegangen.
Wäre die Frage draußen, bekäme ich keine Info mehr.

Keine Info ist falsch. Der Arbeitgeber ist verpflichtet nach § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX
"Über die Vermittlungsvorschläge und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen haben die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten"
und nach § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX
"Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht auf Beteiligung am Verfahren nach § 164 Absatz 1 und beim Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit nach § 164 Absatz 1 oder von Bewerbungen schwerbehinderter Menschen das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen"
die SBV unmittelbar zu unterrichten.

Es ist nicht die Aufgabe der SBV die technische Problemlösung für den Arbeitgeber und dessen Verpflichtungen zu finden.

Klar, das Verfahren ist bei uns so, dass wenn ein Bewerber Schwerbehinderung anklickt, ich als SBV automatisch von dem System die Mitteilung bekomme, für welche Stelle sich ein schwerbehinderter Bewerber beworben hat und ich muss diesen dann nach Sichtung auch freigeben.

Da reicht eine einfache Mail, dass eine Bewerbung von einem schwerbehinderten Menschen vorliegt, vom eingesetzten Bewerbungstool nicht aus. Das ist keine ausreichende Unterrichtung.
Mit dem Bewerbungstool soll die Abwicklung von Bewerbungen für den Arbeitgeber vereinfacht und automatisiert werden. Ein derartiges Tool befreit aber den Arbeitgeber nicht von seinen gesetzlichen Verpflichtungen.
Wird hier nicht die Arbeit/Aufgabe des Arbeitgebers auf die SBV bzw. die Interessensvertretungen verlagert und dadurch die Interessensvertretungen von ihren eigentlichen Aufgaben abgehalten?
Durch die "Freigabe" nach Sichtung, welches in dem Tool protokolliert wird, ist zudem die Arbeitsweise (wann, wie oft, welche Bewerbung ggf. mit Bemerkung gesichtet) für den Arbeitgeber nachvollziehbar. Wie ist denn eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle beim Tooleinsatz geregelt?

Leider kommen bei mir auch viele raus, die falsch geklickt haben (oft Leute, die die deutsche Sprache nicht richtig beherrschen und/oder die auch einen Wohnsitz im Ausland haben, oder auch Leute die anklicken weil sie einen GdB von 20-40 ohne Gleichstellung haben).

Dann ist das Tool offensichtlich nicht barrierefrei und verständlich.
Was ist mit den Bewerbern, die die Auswahl auch mit Anspruch "falsch geklickt haben"?
Wenn die SB-Eigenschaft im Anschreiben, Lebenslauf genannt wird, hat der Arbeitgeber die SBV unmittelbar zu unterrichten.

Meiner Meinung nach gilt die Verpflichtung auch, den der Schwerbehindertenausweis oder der Gleichstellungsbescheid als einzelnes Dokument mit entsprechender Bezeichnung im Tool hochgeladen wird (z.Z. gibt keine entsprechende gerichtliche Entscheidung).
Meine Begründung dazu: Hier wird z.B. der SB-Ausweis nicht zwischen den gesamten Unterlagen eingestreut, sondern hervorgehoben und gelistet dem Arbeitgeber bereitgestellt.

Für mich ist das ganz schön viel Detektivarbeit die ich zusätzlich leisten muss, um herauszufinden, ob sie mich einbinden müssen oder nicht.

Dazu bitte die Ausführungen oben lesen. Der Arbeitgeber hat unmittelbar nach Eingang zu unterrichten! Es ist seine Aufgabe.
Eine Detektivarbeit fällt der SBV höchstens zu, wenn die SBV belegen will, dass der Arbeitgeber seine Verpflichtungen nicht erfüllt.

--
Gruß
Wolfgang

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