Hinweis in Stellenausschreibung (Einstellung)

Andreas @, Wednesday, 09.06.2004, 09:26 (vor 7261 Tagen)

Besteht für einen Arbeitgeber die Pflicht, in einer
Stellenausschreibung darauf hinzuweisen, dass
Schwerbehinderte bei gleicher Eignung bevorzugt
Berücksichtigung für eine Einstellung finden> Im § 81
SGB IX steht zwar einiges zur Pflicht der Prüfung
durch den Arbeitgeber, wenn ein neuer Arbeitsplatz
besetzt werden soll, aber ich habe noch nichts
konkretes gefunden, inwieweit die Pflicht besteht,
dass eine Stellenausschreibung diesen Passus enthalten
soll. Vielleicht gibt es dazu ja auch Erlasse oder
sonstiges>

Re: Hinweis in Stellenausschreibung

Wolfgang, Moers, Wednesday, 09.06.2004, 13:20 (vor 7261 Tagen) @ Andreas

Meines Wissens nach besteht keine Pflicht für den
Arbeitgeber, schwerbehinderte Menschen bevorzugt
einzustellen. Er hat gemäß §81 SGB IX zu prüfen, ob
ein freier Arbeitsplatz mit schwerbehinderten Menschen
besetzt werden kann.
Demnach muss er in einer Stellenausschreibung den
Schwerbeinderten keine Bevorzugung anbieten. Dies kann
jedoch in der Integrationsvereinbarung aufgenommen
werden.

Gruß
Wolfgang

Re: Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen

Wolfgang E., Sunday, 10.12.2006, 17:11 (vor 6347 Tagen) @ Wolfgang

» Meines Wissens nach besteht keine Pflicht, schwerbehinderte Menschen bevorzugt einzustellen...

Diese Auffassung teile ich nicht. Die Zahlung der Ausgleichsabgabe hebt nach dem klaren Wortlaut von § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB IX die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht auf. Die Beschäftigungspflicht hat danach Vorrang und erlischt nicht durch die Entrichtung der Ausgleichsabgabe.

So kann bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung der Besetzung von Pflicht-Arbeitsplätzen durch den Arbeitgeber und seinen verantwortlichen Arbeitgeberbeauftragten ([link=http://beck-online.beck.de/default.aspx>typ=reference&y=400&w=NeumannPMPSGBIXKO_12&name=ID_596]§ 98 SGB IX[/link]) wegen der Ordnungswidrigkeit nach § 156 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX ein Bußgeld bis zu 10.000,-- € verhängt werden (§ 156 Abs. 2 SGB IX) von der jeweils zuständigen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit. Diese Bußgelder werden an das Integrationsamt abgeführt (§ 156 Abs. 5 SGB IX). Es besteht daher entgegen einem weitverbreiteten Irrglauben keine Möglichkeit des "Freikaufs".

Düwell stellt hierzu fest: "Soweit auch noch heute öffentlich vertreten wird, der Arbeitgeber sei frei, sich für die Schwerbehindertenbeschäftigung oder für einen Freikauf von dieser Verpflichtung durch Zahlung der Ausgleichsabgabe zu entscheiden, beruht das auf einer weit verbreiteten Leseschwäche. In § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB IX heißt es wie schon vordem in allen Vorgängervorschriften des Schwerbehindertengesetzes:

'Die Zahlung der Ausgleichsabgabe hebt die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht auf'..."

Kontextlinks:
www.schwbv.de/urteile/64.html
www.schwbv.de/forum/board_entry.php>id=4478#p4506

Re: Hinweis in Stellenausschreibung

hackenberger, Wednesday, 09.06.2004, 19:47 (vor 7261 Tagen) @ Andreas

Hallo Andreas,

Knittel Kommentar:
Über eine außerbetriebliche Stellenausschreibung
bestimmt der Arbeitgeber allein; er kann aber mit dem
Betriebsrat darüber Vereinbarungen treffen (Großmann,
BehindertenR 2003, 125 <128>). Bewerbungen
schwerbehinderter Menschen dürfen nicht ausgeschlossen
werden, weil hierdurch entgegen dem Wortlaut und Zweck
von § 81 Abs. 1 SGB IX von vornherein eine Prüfung
ihrer Beschäftigungsmöglichkeiten verhindert würde.
Umgekehrt besteht aber keine gesetzliche
Verpflichtung, schon bei der Ausschreibung die
bevorzugte Einstellung schwerbehinderter Menschen bei
gleicher Eignung in Aussicht zu stellen. Ein solcher
Vermerk kann dem Arbeitgeber aber durch Tarifvertrag
oder Betriebsvereinbarung aufgegeben sein,
gegebenenfalls auch in einer Integrationsvereinbarung
gem. § 83 Abs. 2 SGB IX. Bei Stellenausschreibungen im
öffentlichen Dienst entspricht es verbreiteter Praxis –
zum Teil aufgrund von Verwaltungsvorschriften –,
bereits in der Ausschreibung anzukündigen, dass
schwerbehinderte Menschen bei im Wesentlichen gleicher
fachlicher und persönlicher Eignung gegenüber anderen
Bewerbern bevorzugt würden.

Bernhard

PS: Wir haben hierzu etwas in der
Integrationsvereinbarung.

Re: Hinweis in Stellenausschreibung

hackenberger, Friday, 11.06.2004, 11:12 (vor 7259 Tagen) @ Andreas

Hallo Wolfgang,

bitte lese den § 81 mal genau, auch die
Kommentierungen.
Bei gleicher Eignung besteht schon die Pflicht der
Bevorzugung.

Auszug aus dem Knittelkommentar:

Jedenfalls entspricht es allgemeiner Auffassung, dass
sich aus der Vorschrift des § 81 Abs. 1 SGB IX kein
Anspruch eines behinderten Menschen auf Einstellung
ableiten lässt (Neumann u. a. / Neumann Rdnr. 9;
Müller-Wenner / Schorn Rdnr. 7). Dies folgt nicht
zuletzt aus § 81 Abs. 2 Nr. 2 letzter Halbsatz SGB IX.
Der Arbeitgeber kann grundsätzlich über seinen
Personaleinsatz frei entscheiden. ->->->->->->->->->
Lediglich bei den beschäftigungspflichtigen
Arbeitgebern ist das Auswahlermessen bei der Besetzung
von Arbeitsplätzen eingeschränkt, weil die Prüfpflicht
darauf zielt, zumindest die Erfüllung der gesetzlichen
Beschäftigungspflicht zu erreichen. Diese Arbeitgeber
haben bei gleicher Qualifikation dem schwerbehinderten
Bewerber den Vorzug einzuräumen (LPK-SGB IX / Düwell
Rdnr. 14; Müller-Wenner / Schorn a. a. O.).

Bernhard

Re: Hinweis in Stellenausschreibung

hackenberger, Friday, 11.06.2004, 12:50 (vor 7259 Tagen) @ Andreas

Hallo,

noch ein Hinweis, sofern ein AG eine Bewerbung eines
Schwerbehinderten erst nicht beachtet/behandelt obwohl
keine offenkundige Nichteignung vorliegt oder aber
einen Schwerbehinderten bei gleicher Eignung ablehnt,
geht er ein sehr hohes Risiko ein, dass der Betroffene
erfolgreich eine Klage auf Schadensersatz (merklicher)
erwirkt.

Bernhard

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