neuer Arbeitgeber, befristeter Vertrag (Offenbarung des GdB bzw. Fragerecht des AG)

Joerg, Tuesday, 17.04.2007, 19:59 (vor 6225 Tagen)

HiHo liebe Kollegen,

seit Anfang April habe ich einen neuen Arbeitgeber.

Aufgrund der Dringlichkeit, dass der mich sofort haben wollte - schnellstmöglich - habe ich (vielleicht unvernünftigerweise) ohne einen Vertrag zu haben bei meinem bisherigen Arbeitgeber gekündigt, der mich auch sofort freigestellt hat.

Endlich liegt mir der Vertrag vor und da steht unter §12 (sonstige Bestimmungen) in meinen Augen etwas Rechtswiedriges (auch in anbetracht des AGG)!

"Mit Unterzeichnung dieses Vertrages versichert der Mitarbeiter gleichzeitig, dass er weder schwerbehindert ist, noch einen entschprechenden Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter nach dem Schwerbehindertengesetz gestellt hat."

nun würde ich gerne eure Meinung dazu hören.

lieben Gruss

neuer Arbeitgeber, befristeter Vertrag

Ede vom Bayerwald, Wednesday, 18.04.2007, 08:03 (vor 6224 Tagen) @ Joerg

Hallo Joerg,

wie viel Zeit ist vergangen zwischen Arbeitsantritt und Vertragsvorlage>

Da gibt es möglicherweise Fristen, dass schon der allgemeingültige Arbeitsvertrag gültig wurde, so dass dann u.U. dieser Passus von Grund her ungültig wäre.

Bist du Behindert> wenn ja, ist das sichtbar> Ist darüber geredet worden, ist da vorher (!!) gefragt worden oder gesagt, dass bestimmte Behinderungen dem Arbeitsplatz entgegenstehen, z.B. alleine wegen der Anforderungen an die körperliche Fitness (Gefahrenmomente bei der Arbeit)>

Im Grunde sehe ich da das Problem des AGG und der Aussagen des SGB IX, dasss niemand benachteiligt werden darf, steht das nicht sogar im GG>

Und darüber hinaus bin ich der Ansicht, dass diese Frage nur und ausschließlich (falls überhaupt noch rechtens ) vor dem Antritt der Arbeitsleistung gestellt werden kann und nicht irgendwann hinterher, mit einem fiktiven Zeitrückgriff und so tun, als sei der Arbeitsvertrag vor Arbeitsbeginn vorgelegt und unterschrieben worden. Da kommt ja schon fast Fälschung des Arbeitsvertrages dazu, wenn ein rückwirkendes Datum drauf stehen sollte. Das Datum des Vertrages ist der Punkt, in dem alle Rechte und Pflichten der Vetragsparteien beginnen (falls es vor Gericht gehen sollte!).

Du hast ja nach Treu und Glauben beim AG angefangen und wenn der dich wollte vor dem Vetrag ist das wohl sein Problem.

Vorsichtshalber frag deine Gewerkschaft oder einen Arbeitsrechtler. Aber SOFORT!

neuer Arbeitgeber, befristeter Vertrag

Joerg, Wednesday, 18.04.2007, 23:38 (vor 6224 Tagen) @ Ede vom Bayerwald

Hallo liebe Kollegen,

erst einmal vielen lieben Dank für Eure hilfreichen Antworten...

Mit meinem Rechtsanwalt habe ich bereits telefonisch gesprochen und mir bleibt erstmal nichts anderes übrig, als mit meinem neuen Arbeitgeber vernünftig darüber zu reden, dass ich diesen Vertrag so nicht unterzeichnen kann, da ich halt schwerbehindert bin. Alle, für mich negativen Reaktionen und Handlungen (sprich Kündigung, auch in der Probezeit) des AG sind letztendlich nicht rechtens, da ich den jetzigen Vertrag ja bereits mit Unterschrift der GF vorliegen habe und hier schon das AGG greifen wird.

Ich bin seit dem 03.04. dort tätig geworden und der Vertrag liegt mir erst seit dem 17.04. vor, obwohl ich täglich meinen neuen Vorgesetzten darauf angeheuert habe. Hinzu kommt, dass der Vertrag in der Tat rückdatiert auf den 02.04. ist und von einem der beiden GFs bereits unterzeichnet wurde.

Das Thema Schwerbehinderung wurde in beiden stattgefundenen Vorstellungsgesprächen nicht besprochen und es wurden mir keine Fragen dazu gestellt. Und wenn ich nicht dazu gefragt werde, muss mich ja nicht gleich "outen". Meine Schwerbehinderung (50 Gdb) ist nicht sichtbar.

Ich habe den Arbeitgeber von mir aus gewechselt, da bei meinem bisheringen Arbeitgeber Mobbing an erster Stelle stand, das Betriebsklima miserabel und ich gesundheitlich gemerkt habe, dass ich diesen Druck nicht mehr aushalten konnte. Dort war ich zwar SchwbV aber habe die Brocken hinwerfen müssen, es ging absolut nicht mehr...zum Schluss bin ich ja noch mit meinem alten AG vor Gericht gewesen, wegen Resturlaub 2006. - ich berichtete - hier meinte die Richterin def. dass ich im Recht bin.

lieben Gruss und vielen Dank schonmal
Jörg

Fragerecht nach dem AGG

Wolfgang E., Wednesday, 18.04.2007, 09:37 (vor 6224 Tagen) @ Joerg

» Mit Unterzeichnung dieses Vertrages versichert der Mitarbeiter gleichzeitig, dass er weder schwerbehindert ist, noch einen entschprechenden Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter nach dem Schwerbehindertengesetz gestellt hat.

„Der Beitrag befasst sich mit dem Fragerecht des Arbeitgebers nach einer Schwerbehinderung des Bewerbers. Angesichts des Interessenkonflikts zwischen Arbeitgeber und Bewerber komme der Rechtsprechung im Bereich des Fragerechts enorme Bedeutung zu. Besonders die Frage nach einer bestehenden Schwerbehinderung erweise sich dabei von jeher als besonders problematisch. Eine Offenbarungspflicht des Bewerbers sei in solchen Fällen denkbar, in denen seine Schwerbehinderung ihm die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten unmöglich mache. Praktisch weitaus bedeutsamer seien jedoch die Fälle des zulässigen Fragerechts. Ein solches stehe dem AG dann zu, falls er ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse geltend machen könne (vgl. BAG NZA 1996, 371). Sei die Frage unzulässig, habe der Bewerber ein Recht zur Lüge.

Der Verfasser erläutert die Zulässigkeit der Frage nach der Schwerbehinderung nach der alten und der neuen Rechtslage. Vor In-Kraft-Treten des AGG sei die Frage regelmäßig als zulässig angesehen worden. Bereits seit In-Kraft-Treten des SGB IX im Jahr 2001 sei die Frage unzulässig gewesen, was aber keinen ausdrücklichen Eingang in die Rechtsprechung des BAG gefunden habe. Mit Geltung des AGG sei die Frage nun unzweifelhaft unzulässig. Systematisch sei die Neuregelung an § 611a BGB angelehnt, was bereits aus ihrem Wortlaut hervorgehe. Daher sei eine abweichende Behandlung systematisch nicht vertretbar. Zum gleichen Ergebnis gelange man auch über eine teleologische Betrachtung...“
([link=http://www.jurion.de/newsletter.jsp>vid=3R6458&mref=s18032007-1]NZA 2007[/link], 174-178, Prof. Dr. Jacob Joussen)

Rechtsprechung: Dass die Frage nach einer Schwerbehinderung bereits vor In-Kraft-Treten des AGG regelmäßig unzulässig war (§ 81 Abs. 2 SGB IX alter Fassung), hat das LAG Hamm rechtskräftig entschieden.
(LAG Hamm, Urteil vom 19.10.2006, 15 Sa 740/06)

Kontextlinks:
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
[link=http://www.integrationsaemter.com/webcom/show_lexikon.php>wc_c=578&wc_id=200&printmode=1]Offenbarung einer Schwerbehinderung[/link]
[link=http://books.google.com/books>id=ilxg71ndGPcC&printsec=toc&dq=offenbarung+der+behinderung&hl=de&source=gbs_summary_s&cad=0#PPP1,M1]Rechtswissenschaft und Praxis[/link]
Zusicherung der Gleichstellung

neuer Arbeitgeber, befristeter Vertrag

hackenberger, Wednesday, 18.04.2007, 09:44 (vor 6224 Tagen) @ Joerg

Hallo Jörg,

wieso legt dir der neue AG einen neuen Arbeistvertrag vor>> Sofern ein Betrieb/Unternehmen an einen neune AG übergeht. also AG wechsel, tritt er in die Rechte und Pflichten des alten AG ein. Bereits im Betrieb beschäftigte beürfen keines neuen Arbeitsvertrages, sie habe ja schon einen mit dem Betrieb/Unternehmen.

Es kommt leider oftmals vor, dass bei Inhaberwechsel oder auch bei Betriebsübergängen die "neuen" Eigentümer/Inhaber den AN (Beschäftigten) neue i.d.R. schlechtere Arbeitsverträge vorlegen in der Hoffnung diese werden unterschrieben. Es gibt dann leider auch oftmals AN welche wegen fehlender Rechtskenntnisse diese unterschreiben und dann zu schlechteren Bedingungen weiterarbeiten.

Ich sehe hier ggf. dringenden Rechtsklärungsbedarf, Du solltest dich ggf. beraten lassen. Aber bitte vor einer Unterschrift.

neuer Arbeitgeber, befristeter Vertrag

Manfred Seethaler, Wednesday, 18.04.2007, 16:17 (vor 6224 Tagen) @ hackenberger

» Hallo Bernhard
»
Sofern ein Betrieb/Unternehmen an einen neune AG übergeht.

So wie ich das Problem von Jörg Interpretiere liegt kein Betriebsübergang
vor, sondern Jörg hat von sich aus den AG gewechselt.


» Es kommt leider oftmals vor, dass bei Inhaberwechsel oder auch bei
» Betriebsübergängen die "neuen" Eigentümer/Inhaber den AN (Beschäftigten)
» neue i.d.R. schlechtere Arbeitsverträge vorlegen in der Hoffnung diese
» werden unterschrieben.

Die "alten" Arbeitsverträge bei einem Betriebsübergang nach 613a
haben nur eine Befristete gültigkeit.


§ 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang
(1) 1Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. 2Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. 3Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. 4Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) 1Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. 2Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) 1Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. 2Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

neuer Arbeitgeber, befristeter Vertrag

hackenberger, Wednesday, 18.04.2007, 20:59 (vor 6224 Tagen) @ Manfred Seethaler

Hallo Manfred,

Du hast den 613er gut beschrieben. Das alles betrifft aber nicht den Arbeitsvertrag. Dieser behält auch bei einem Betriebsübergang nach 613a seine Gültigkeit. Auch die Inhalte aus alten TV sofern diese Bezug zum Arbeitsvertrag haben. Sie sind dann nur Individualrechte. Also der AN muss sich ggf. vor dem ArbG die hieraus resultierende Rechte einholen.

Was ersetzt wird sind betriebliche Regelungen sofern es im neuen Betrieb auch hierzu Regelungen gibt.

Wir haben in unserm Unternehmen/Konzern mehrfach neu Betriebe/-teile per 613a hinzubekommen. Daher haben wir hierin auch als BRs und SchwbV jahrelange Erfahrungen. Auch unser AG hat allen Hinzugekommenen Neue Arbeitsverträge mit Bindung an unsere TVs angeboten doch sehr viele Koll. wollten aus nachvollziehbaren Gründen ihre alten behalten. Diese haben also somit weiter Gültigkeit.

neuer Arbeitgeber, befristeter Vertrag

Joerg, Wednesday, 30.01.2008, 20:38 (vor 5937 Tagen) @ Joerg

Hallo liebe Kollegen,

nach langer Zeit melde ich mich auch wieder hier...
bin noch weiterhin in diesem Betrieb und nun sogar also SchwbV gewählt worden.

Und hier kommt auch gleich meine nächste Frage, habe nämlich hierzu nichts Genaues gefunden.

Da ich noch einen Zeitvertrag bis April habe, wie sieht es denn jetzt bei mir aus> Mit befristetem Vertrag bin ich SchwbV geworden, da sich niemand anders hatte aufstellen lassen. Kann der AG meinen Vertrag jetzt trotzdem zum April auslaufen lassen>

lieben Gruss
Jörg

neuer Arbeitgeber, befristeter Vertrag

Hans-Peter-Semmler, Regensburg, Thursday, 31.01.2008, 08:57 (vor 5936 Tagen) @ Joerg

Hallo Jörg,

» bin noch weiterhin in diesem Betrieb und nun sogar also SchwbV gewählt
» worden.
Gratuliere :flower:

» Kann der AG meinen Vertrag jetzt trotzdem zum April auslaufen lassen>
Ja. Befristet ist befristet. Das wird auch durch das Mandat nicht geändert.

--
Herzlichen Gruß
Hans-Peter

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