BEGINN eines BEM (BEM)

barevi, Bayern, Unterfranken, Thursday, 29.11.2007, 07:53 (vor 6022 Tagen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich arbeite im öffentlichen Dienst im schönen Frankenland, also Bayern. Hier wurde in den "Fürsorgerichtlinien" das BEM relativ ausführlich beschrieben.

Knackpunkt ist derzeit die Beschreibung in 2.3:
Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres ununterbrochen oder wiederholt insgesamt länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, hat die personalverwaltende Stelle zu klären, ob die oder der Beschäftigte mit der Beteiligung der Personalvertretung und der Schwerbehindertenvertretung einverstanden ist.

Genau da liegt das Problem der Beschäftigten... Die "personalverwaltende Stelle" hat einen Mitarbeiter der Personalstelle zum (telefonischen) Erstkontakt bestimmt, der sofort Fragen zur voraussichtlichen Dauer der AU stellt, Gründe der AU wissen will und "pampig" wird, wenn er diese Auskünfte nicht bekommt. Ergebnis ist, dass 99 % der Kontaktierten ein BEM schon in diesem Gespräch ablehnt, da sie "wissen", dass der Mitarbeiter rein gedanklich nie zwischen seinen Tätigkeiten als Kontaktperson einerseits und Personalstellen- Mitarbeiter andererseits trennen kann.

Diese Problematik habe ich als SBV bereits vor einem Jahr und seitdem immer wieder in Monatsgesprächen thematisiert. Geändert hat sich leider nichts. Der Geschäftsführende hat diesen Mitarbeiter im Alleingang "auserkoren" und ist nicht bereit, seine Meinung zu ändern, da er es als seine Aufgabe sieht, den Erstkontakt herstellen zu lassen...

Eine DV liegt derzeit nur im Entwurf vor, weitere Verhandlungen darüber werden mit immer neuen (bzw. alten) Argumenten geblockt.

Welches weitere Vorgehen würdet Ihr mir raten>>>

Herzliche Grüße

barevi

--
Nur tote Fische schwimmen MIT dem Strom

BEGINN eines BEM

hackenberger, Thursday, 29.11.2007, 10:12 (vor 6022 Tagen) @ barevi

Hallo barevi,

was sagt bzw. ist hier den die Einstellung des PR zu diesem Handeln> Denn hier ist eigentlich an erster Stelle einmal der PR zum Handel gefordert.

Denn der Abs. 2 des § 84 SGB IX und somit auch der Passus zum BEM der Fürsorgerichtlinie betrifft ja alle Beschäftigte. Daher müsste der PR hier darauf achten, dass für die Beschäftigten geltende Gesetze und Regelungen in ihrer Form beachtet werden. Gleiches gilt auch in der Frage Umsetzung dieser und dem grundsätzlichen Handeln des AG und seiner Beauftragten.

Die SchwbV kann und sollte dann das Handeln des PR unterstützen. Die SchwbV ist hier gefordert sofern dieses Handeln sich "nur" auf die von ihr zu vertretenden Beschäftigten beschränken oder stärker auswirken würde. Sie sollte aber nicht die Aufgaben des PR übernehmen bzw. versuchen zu übernehmen. Dieses wirkt sich i.d.R. negativ auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit aus.

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barevi, Bayern, Unterfranken, Thursday, 29.11.2007, 10:48 (vor 6021 Tagen) @ hackenberger

Hallo Bernhard

zu Deinen Ausführungen:
»
» was sagt bzw. ist hier den die Einstellung des PR zu diesem Handeln> Denn
» hier ist eigentlich an erster Stelle einmal der PR zum Handel gefordert.

Der PR und ich sind uns da absolut einig... und "ziehen am gleichen Strang". Nur welches "Handel" kann hier stattfinden> - Der Gesetzgeber hat die Initiative zu einem BEM dem AG in die Hände gelegt. Der PR beißt sich also genauso die Zähne aus, wie ich.
»
» Denn der Abs. 2 des § 84 SGB IX und somit auch der Passus zum BEM der
» Fürsorgerichtlinie betrifft ja alle Beschäftigte. Daher müsste der PR hier
» darauf achten, dass für die Beschäftigten geltende Gesetze und Regelungen
» in ihrer Form beachtet werden. Gleiches gilt auch in der Frage Umsetzung
» dieser und dem grundsätzlichen Handeln des AG und seiner Beauftragten.

Der AG kommt seiner Aufgabe ja nach, indem er den Erstkontakt herstellt... und dann ein BEM einleiten "würde, wenn es gewünscht würde" - Nur leider "wünscht" es niemand unter den Gegebenheiten.
»
» Dieses wirkt sich i.d.R. negativ auf die vertrauensvolle
» Zusammenarbeit aus.

Jede sachliche Anfrage wird von der GL als "unpassend" und "der vertrauensvollen Zusammenarbeit undienlich" bezeichnet.

Es ist zwar derzeit sehr unbefriedigend, aber auch eine Bewährungsprobe für die Personalvertretungen. SBV zu sein ist eben nicht nur Seelenmassage für "meine" Schwerbehinderten, sondern auch "Aufgabe"...

Viele Grüße

barevi

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BEGINN eines BEM

hackenberger, Thursday, 29.11.2007, 11:06 (vor 6021 Tagen) @ barevi

Hallo barevi,

wie ein solches Verfahren ablaufen soll ist ja geregelt. Der AG muss die jeweiligen zuständigen MA-Vertretungen darüber informieren, dass hier die Voraussetzungen für ein BEM zutreffen und dieses dem betroffenen Beschäftigten angeboten wird.
www.schwbv.de/urteile/109.html

Dann muss der AG dem betroffenen AN ein BEM anbieten, mehr erst einmal nicht. Der betroffene AN entscheidet dann JA oder NEIN. Schaue einmal auch hier auf diese Webseiten und ganz besonders auch einmal diese Broschüre studieren.

Auch dieses Ergebnis muss der AG den zuständigen MA-Vertretungen mitteilen. Auch wenn der betroffene Beschäftigte die Beteiligung der jeweiligen MA-Vertretungen nicht wüncht.

Nun wird weiter, mit Zustimmung und Beteiligung des betroffenen AN alles weiter besprochen.

Hält der AG hier nun die geltenden Gesetze und Richtlinien nicht ein und lässt sich hier im Betrieb keine Verständigung erzielen, so kann man ja die Stufenvertretung um Hilfe bitten und somit ggf. das Ganze auch in die übergeordnete Behörde/Dienststelle zur Klärung tragen.

Ein guter PR sollte aber auch wissen, wie man nicht gesetzeskonformes Handeln des AG oder seiner Beauftragten entgegenwirken kann.

BEGINN eines BEM: Interessenkollision

Wolfgang E., Friday, 07.12.2007, 19:59 (vor 6013 Tagen) @ barevi

» Die "personalverwaltende Stelle" hat einen Mitarbeiter der Personalstelle zum Erstkontakt bestimmt, der sofort Fragen zur voraussichtlichen Dauer der AU stellt, Gründe der AU wissen will... Ergebnis ist, dass 99 % schon in diesem Gespräch ablehnen, da sie "wissen", dass der Mitarbeiter rein gedanklich nie zwischen seinen Tätigkeiten als Kontaktperson einerseits und Personalstellen-Mitarbeiter andererseits trennen kann.

"Problematisch ist die Frage (der Weitergabe von Daten) für den Vertreter des Arbeitgebers, wenn er Vorgesetzter des Betroffenen ist oder ein Mitarbeiter der Personalverwaltung. Dieser könnten im weiteren Verlauf des Verfahrens in Konflikte zu seinen übrigen Aufgaben geraten. Daher sollte bei der Einführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements konkret festgelegt werden, wer den Arbeitgeber in einem Integrationsteam vertritt. Ist dies z.B. der Beauftragte des Arbeitgebers für schwerbehinderte Menschen, der nicht gleichzeitig in der Personalabteilung angesiedelt ist, könnte dieser zur Schweigepflicht auch gegenüber dem Arbeitgeber und der Personalverwaltung verpflichtet werden.

Ist es eine andere Person, besteht möglicherweise die Notwendigkeit, die Diskussion (im Integrationsteam) auf die Auswirkungen der Erkrankung auf die Tätigkeit und mögliche betriebliche Ursachen zu beschränken. Die Art der Erkrankung und andere Fragen zur Gesundheitsprognose dürfen dann nicht besprochen werden, weil der Arbeitgeber hierauf eine mögliche spätere Kündigung stützen könnte."

Prizipiell sollte bei den sensiblen BEM-Daten zumindest sichergestellt sein, dass datenschutzrechtlich die gleichen Mindeststandards beachtet werden wie bei der Abschottung der Beihilfe-Daten im öffentl. Dienst.
www.datenschutzzentrum.de

Fazit: Das praktizierte Verfahren des Mitarbeiters der Personalverwaltung beim "Erstkontakt" ist schon deshalb problematisch bzw. rechtswidrig, da er möglicherweise in seinen beiden Funktionen widerstreitende Interessen zu vertreten hat bzw. daher als befangen angesehen werden muß. Auch soll das grundsätzliche Einverständnis nach den Fürsorgerichtlinien regelmäßig schriftlich eingeholt werden, bevor mit dem "Erstgespräch", begonnen wird. Beim Erstkontakt soll ein Erstgespräch angeboten und geklärt werden, wer daran teilnimmt. Was sagt denn der Datenschutzbeauftragte dazu>

» Eine Dienstvereinbarung liegt derzeit nur im Entwurf vor, weitere Verhandlungen darüber werden mit immer neuen (bzw. alten) Argumenten geblockt.

Ein Anspruch auf den Abschluss einer bestimmten Dienstvereinbarung besteht nicht. Eine aktuelle Sammlung mit zahlreichen Praxisbeispielen aus dem Öffentlichen Dienst als Anregung bzw. "Argumentationshilfe" gibt’s hier.

BEGINN eines BEM: Informationsrecht der Schwerbehindertenvertretung

Wolfgang E., Tuesday, 23.12.2008, 16:26 (vor 5631 Tagen) @ barevi

» ...hat die personalverwaltende Stelle zu klären, ob die oder der Beschäftigte mit der Beteiligung der Personalvertretung und der Schwerbehindertenvertretung einverstanden ist.

Dies bedeutet aber nicht, dass der Betriebsrat/Personalrat bzw. die Schwerbehindertenvertretung überhaupt kein Informationsrecht gegenüber dem Arbeitgeber hat. Jedenfalls über die Tatsache, dass ein Beschäftigter die 6-Wochen-Frist erfüllt, hat der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Hamburg und Berlin stets unverzüglich zu unterrichten und zwar unabhängig von einer Zustimmung der Betroffenen, damit die Interessensvertretungen ihre Aufgaben nach § 94 Abs. 2 Satz 7 SGB IX wahrnehmen können.
(a.A. wohl Fürsorgerichtlinien Bayern 2005 des StMF sowie Erlass des Bundesfinanzministeriums 2006).

[link=http://lrha.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py>Gericht=ha&nr=834]VG Hamburg[/link], Beschluss vom 10.11.2006, 23 FB 17/06 (PersR 2007, 130), rechtskräftig
VG Berlin, Beschluss vom 04.04.2007, 61 A 28.06 (PersR 2007, 323), anhängig: OVG Berlin, 60 PV 9.07

1. Für einen solchen Informationsanspruch spricht auch ein vom Bundesarbeitsgericht in einem anderen Zusammenhang aus [link=http://beck-online.beck.de/default.aspx>typ=reference&y=400&w=NeumannPMPSGBIXKO_12&name=ID_597]§ 99 SGB IX[/link] abgeleiteter allgemeiner Grundsatz zum Informationsrecht der SBV
(BAG, Beschluss vom 16.04.2003, 7 ABR 27/02)

"Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB IX arbeiten Arbeitgeber, Beauftragter des Arbeitgebers, SBV und Betriebs- oder Personalrat... zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben in dem Betrieb oder der Dienststelle eng zusammen. Dies erfordert die gegenseitige Information über die zur Erfüllung der gemeinsamen Aufgaben maßgeblichen Umstände. Dazu gehört, dass der Arbeitgeber der SBV die bei ihm tätigen, von der SBV repräsentierten schwerbehinderten Menschen namentlich benennt. Denn die SBV kann die ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben nur erfüllen, wenn sie die von ihr zu vertretenden Personen kennt."

2. Für ein Informationsrecht spricht wegen vergleichbarer Interessenlage wohl auch die in einem anderen Zusammenhang getroffene Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 19.02.2008, 1 ABR 84/06, NZA 2008, Seite 1078) für bestimmte Kurzerkrankungen unter Aufhebung der Vorinstanzen:

• Ein Unterrichtungsanspruch nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kann daraus folgen, dass der Betriebsrat nur mit Hilfe der begehrten Auskünfte überprüfen kann, ob der Arbeitgeber eine zu Gunsten der Arbeitnehmer geltende Betriebsvereinbarung richtig durchführt.
• Für den Auskunftsanspruch bedarf es keiner "greifbaren Anhaltspunkte" dafür, dass sich der Arbeitgeber nicht an die Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung hält. Zwar muss der Betriebsrat unter Beachtung des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit in § 2 Abs 1 BetrVG nach pflichtgemäßem Ermessen darüber entscheiden, wann und wie er dieser Aufgabe nachkommen will. Auf das Auftreten von Anhaltspunkten für eine Regelverletzung ist er aber nicht verwiesen.

BEGINN eines BEM: Informationsrecht der Schwerbehindertenvertretung

barevi, Bayern, Unterfranken, Tuesday, 30.12.2008, 10:32 (vor 5624 Tagen) @ Wolfgang E.

Hallo Ihr lieben Mitstreiter und Mithelfer,

nachdem "Wolfgang E." diesen Thread nochmal ausgegraben hat, möchte ich Euch nach meinem Jammern und Euren guten Ratschlägen die Erfolge nicht vorenthalten...

Seit 01.03.2008 gibt es eine DV zum BEM! Nachdem der PR und ich unseren Landrat lange genug genervt hatten, ließ er sich zu dem Ausspruch mir gegenüber hinreißen: "Na gut, dann benenne ich sie als BEM- Beauftragte, veranlassen sie alles Nötige." - Das ließ ich mir nicht 2 x sagen. Eine DV hatten PR und ich bereits entworfen und die Verhandlungen mit der Geschäftsleitung liefen "wie geschmiert".

Eine Besonderheit, die sich für uns immer auf's Neue als optimal erweist, mussten wir einbauen. Der LR hatte das mit der BEM- Beauftragten ernst gemeint...: Es gibt nun ein vorgefertigtes Schreiben mit entsprechenden Anlagen (Zustimmung/ Ablehnung, Formular Datenblatt, etc.), das an die Betroffenen geschickt wird - dann stelle ich den Erstkontakt her. Dies erfolgt je nach Bedarf bzw. Möglichkeit telefonisch oder (am liebsten) persönlich und im weiteren Verlauf des BEM bin ich quasi immer "Mittelmännchen" für den/ die Betroffenen, den Personalrat, das BEM- Team und die Amtsleitung. In Absprache mit den Betroffenen werden z.B. Betriebsarzt, KrkKasse, RV, usw. bei Bedarf beteiligt und gemeinsam Lösungen gesucht - und gefunden.

Nach einem 3/4 Jahr kann ich wirklich voller Freude (und auch ein bißchen Stolz auf mein Team) sagen, dass wir bereits gute bis sehr gute Erfolge erzielt haben, das Vertrauen der Mitarbeiter in unser Tun immer größer wird und die Berührungsängste gegen Null gehen.

Wir konnten und können den Betroffenen wirklich vermitteln, dass wir helfen, "Für- sorge" tragen wollen und die Amtsleitung stellt zunehmend fest, dass getroffene Vereinbarungen für alle Beteiligten positiv sind.


Nun wünsche ich Euch allen einen Guten Rutsch in's Neue Jahr,
bedanke mich HERZLICHST bei unseren Forum- Leitern und bei allen, die hier immer wieder mit Rat und Wissen bereitsstehen.

Viele Grüße
Bärbel

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