Nichteinladung schwb Vorstellungsgespräch (AGG)

sedov, Wednesday, 14.01.2009, 10:06 (vor 5593 Tagen)

Hallo,

erst noch allen ein gesundes und erfolgreiches 2009!

Heute habe ich keine Frage, sondern eine wichtige Mitteilung an alle!

Ein Verstoss gegen das AGG soll die Nichteinladung von schwb Menschen sein! Richtig, aber:
...und nun werde ich Euch eine wahre Begebenheit vor dem Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht erzählen:

Bewerbung abgegeben, AG Bescheid über Urlaub gegeben und Telnr hinterlassen, falls Vorstellungsgespräch in die Urlaubszeit fallen sollte. Anruf von stellv SBV bekommen, dass sich Zeit des Vorstellungsgesprächs ändert, aber keine Einladung des AG.
Da aber nun bekannt war, wann und wo, Vorstellungstermin doch wahrgenommen.
---DAS IST EIN RIESENGROßER FEHLER!!!--
Das AG und LG haben kein Verstoß gegen AGG feststellen können, da "Fehler"(Nichteinladung) selbst geheilt wurde (durch Erscheinen).
Auch sehen die Gerichte Qualifikation (AL I+II)(=schwb Mensch) und Berufsjahre (z.B. kein AL II, aber 20 Jahre Berufserfahrung)(=nicht schwb Mensch) als fast gleichwertig an.

Also Vorsicht!!! So einfach wie das immer klingt ist es nicht!
Trotzdem: Nicht aufgeben, je mehr kämpfen, desto mehr werden irgendwann gehört!

LG sedov

Nichteinladung schwb Vorstellungsgespräch

hackenberger, Wednesday, 14.01.2009, 10:44 (vor 5593 Tagen) @ sedov

Hallo "sedov",

bitte hier nichts durcheinander bringen. Ein Verstoß gegen die §§ 81 (1) und 95 (2) können Indizien für einen Verstoß gegen das AGG darstellen. Sind also Indizienbeweis für Benachteiligungsvermutung.

Die Fakten hierfür sind:

- Nichteinladung schwerbehinderter/gleichgestellter Bewerber im öffentl. Dienst
- Nichtbeteiligung (unverzüglichem Beteiligung) der SchwbV bei Bewerbungen Schwerbehinderter/Gleichgestellter
- Nichtbeteiligung der SchwbV bei der Prüfung gem. § 81 (1) Satz 1 und Satz 6 SGB IX (geeigneter Arbeitsplatz)
- Nichtbeteiligung/-einbindung der AfA gem. § 81 (1) und § 82 (1) SGB IX
- Nichtbeachtung von Förderpflichten gem. InTV § 83 SGB IX

Alle o.a. Fakten wurden so auch vom BAG entsprechend als berechtigtes Indiz für einen Verstoß gegen das AGG gewertet.
Quelle Heft 04/2008 "Behindertenrecht", Rubrik "Vertrauenspersonen fragen"

Auszug aus dem [link=http://shop.wolterskluwer.de/wkd/product/31146000/>sid=ff6rjb9su70frrnlearro4m583]Knittel-Kommentar [/link]zum § 81, Rn 91
"Unterlässt der Arbeitgeber entgegen der gesetzlichen Verpflichtung in § 81 Abs. 1 Satz 4 die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen, stellt dies ein Indiz für eine verbotene Benachteiligung wegen einer Behinderung dar (BAG Urteil vom 15. Februar 2005 a. a. O.). Das gilt allerdings nur, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung wusste, beispielsweise durch einen Hinweis des Bewerbers in seinen Unterlagen."

Wird der Beweis geführt oder erkennt der Arbeitgeber die Hilfstatsachen durch nicht ausreichendes Bestreiten an, kehrt sich die Darlegungs- und Beweislast um. Die Folgen sind dann, dass der AG belegen muss, dass keine Diskriminierung vorliegt.

Aus der Verletzung des § 81 (1) und AGG kann sich dann ggf. auch ein Schadenersatzanspruch für den Schwerbehinderten ergeben. Bei Verstoß gegen den § 81 gibt es dann noch die Unterschiede bei Bewertung der Frage, wäre er bei nichterfolgtem Verstoß berücksichtig worden oder nicht.

Auszug aus dem [link=http://shop.wolterskluwer.de/wkd/product/31146000/>sid=ff6rjb9su70frrnlearro4m583]Knittel-Kommentar [/link]zum § 81, Rn 104
"Bei Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot hat der schwerbehinderte Mensch einen Anspruch auf Schadensersatz bzw. Entschädigung (Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AGG). Dieser Anspruch kann sich nur auf Benachteiligungen in Zusammenhang mit der Begründung eines Arbeitsverhältnisses oder dem beruflichen Aufstieg beziehen."

Auszug aus dem [link=http://shop.wolterskluwer.de/wkd/product/31146000/>sid=ff6rjb9su70frrnlearro4m583]Knittel-Kommentar [/link]zum § 81, Rn 105
"Der Bewerber kann sowohl materielle als auch immaterielle Schadensersatzansprüche nach § 15 AGG geltend machen, sofern er sich subjektiv ernsthaft um die Stelle beworben hat und objektiv geeignet war (Kania / Merten ZIP 2007, 8 [14] m. w. Nachw.)."

Das sind die Möglichkeiten des Betroffenen. Unabhängig hiervon kann die SchwbV gegen den AG ein Beschlussverfahren einleiten. Weiter bei Verstoß gegen den § 81 Abs. 1 Satz 4 oder 9, § 81 Abs. 1 Satz 7 und § 95 (2) Satz 1 ein [link=http://www.schwbv.de/forum/board_entry.php>id=2312#p2328]OWI-Verfahren[/link] gegen den zuständigen SB.

Wir sollten als SchwbV wie aber auch BR/PR/MAV weiter immer auf die Einhaltung des SGB IX und AGG, wie auch anderer Gestze und Vorschriften achten, sowie auf deren Einhaltung dringen. Dieses aber immer soweit möglich und mit Erfolg umsetzbar, mit den Mitteln der Überzeugung. Der Rechtsweg sollte immer als letzte Möglichkeit erst zu tragen kommen. Dieses auch um dieses "Schwert" nicht abzustumpfen.

Weiter wird sich auch ein AG überlegen, ob er nicht zu letzt auch wegen der Kosten und des Zeitaufwandes für arbeitsgerichtliche Verfahren, wegen berechtigter Indizien für einen Verstoß gegen das AGG, hier es nicht besser ist das SGB IX und die weiteren Gesetze und Verordnungen zu beachten.

Auch würden die Arbeitsrichter bei wiederholten berechtigten Verfahren gegen den AG ihn einmal deutlich ansprechen und ihm darlegen, dass die Vermeidung solcher Verfahren doch anzustreben sei.

Nichteinladung schwb Vorstellungsgespräch

sedov, Wednesday, 14.01.2009, 19:52 (vor 5592 Tagen) @ hackenberger

Hallo,

ist alles richtig und ok. War auch alles so, wollte nur eben Kurzfassung bringen und eigentlich nur verdeutlichen, dass es eben nicht so einfach ist, wie es klingt und dass viel mehr Fakten beachtet werden müssen. Daher immer vorher gut beraten lassen! Obwohl da schon die erste Hürde liegt! Trotz Gewerkschaft, SBV, PR, Anwälte etc., nicht die ganz korrekten Auskünfte erhalten.
Ich wollte nichts und niemand anprangern, sondern nur aufmerksam machen, dass hier mit Vorsicht herangegangen werden muss (demnächst also doch besser ausführlicher).

Gruß sedov

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