Was ist eine klare Formulierung der Schwerbehinderung? (AGG)

spid, Friday, 01.12.2023, 12:24 (vor 150 Tagen)

Hallo,

ich war soeben bei einer öffentlichen Sitzung beim Arbeitsgericht.

Da ging es darum, dass eine schwerbehinderte Bewerberin nicht eingeladen wurde, obwohl sie nicht offensichtlich ungeeignet war.

Sie hatte im letzten Absatz ihres Bewerbungsanschreibens das ungefähr so formuliert (ganz genau bekomme ich es nicht mehr hin, aber so gut wie!):

"Ich gebe 100 % trotz 50 % nach dem SGB IX."

Lt. Beklagter wäre dies eine nicht ausreichend klare Formulierung. Nach der Rechtssprechung müsse man eine klare Formulierung wählen, um entsprechende Pflichten beim Arbeitgeber auszulösen.

Ich persönlich kenne das mit der klaren Formulierung bis jetzt nur so, wenn es um den Lebenslauf geht. D. h., die Angabe der Schwerbehinderung muss im Lebebauf an hervorgehobener Stelle erfolgen. Aber im Fließtext des Bewerbungsanschreibens? Was ist da klar und was nicht?

Angeblich hatte die Beklagte die Bewerbung eingehend überprüft.

Wenn das lt. Klägerin und auch lt. Richter so gewesen wäre, hätte der Beklagten bewusst sein müssen, was diese Formulierung bedeutet, da ein Personaler das SGB IX kennen sollte und somit auch, was 50 % bedeutet.

Da lt. Richter, der bereits mehrerer solcher Verfahren hatte, es dennoch keine so klare Formulierung ist, schlug er vor, dass beide Seiten sich in der Mitte treffen sollten, also bei 1,5 Bruttos und es den Erfahrungen und der sonstigen Rechtssprechung nur mehr gibt, wenn die Klägerin z. B. geschrieben hätte: "Ich bin schwerbehindert." oder "Ich habe einen GdB von 50".

Beide Parteien schlossen den Vergleich mit 1,5 Bruttos.

Nun frage ich mich, ob es diesbzgl. andere Urteile oder Kommentierungen gibt, in denen es Beispiele gibt, die ähnlich ... na ja ... googlebedürftig sind. Ich hätte es beim Lesen gewusst, was die Bewerberin aussagen möchte. Aber vielleicht doch nicht jeder, der eingegangene Bewerbungen liest?

Die Klägerin konnte i. Ü. auch glaubhaft machen, dass sie keine sog. AGG-Hopperin ist, die diese Formulierung gewählt hat, damit man sie schnell überlesen kann und somit dann letztlich Schadensersatz geltend machen kann. Sie legte bestimmt ein Dutzend Bewerbungen vor, in denen sie es genauso oder so ähnlich formuliert hatte, sie wurde eingeladen und nahm an den Bewerbungsgesprächen teil.

Auch, wenn ich gewusst hätte, was diese Formulierung bedeutet, hâtte ich dennoch nicht damit gerechnet, dass es letztlich einen Vergleich gibt.

Daher bin ich sehr gespannt, was Urteile oder Kommentierungen hergibt.

Dankeschön.

Beste Grüße


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