Informationspflicht des AG nach 6 Wochen SBV/BR (BEM)

sbv-ratschlag, Wednesday, 04.07.2012, 20:50 (vor 4340 Tagen)

Hallo zusammen,
ich bin SBV seit 2009 und in unserer Firma sind 10 Schwerbehinderte beschäftigt.

Bei uns ist der AG (Arbeitgeber)der Meinung, dass sich AN (Arbeitnehmer), die länger als 6 Wochen (innerhlb der letzten 12 Monate) krank sind und aus der Entgeltfortzahlung fallen, sich bei ihm melden sollen. Falls sich der AN -was aufgrund von Krankheit manchmal nicht möglich ist- bei ihm meldet, wird nur das Hamburger Modell, also die stufenweise Wiedereingliederung mit den Betroffenen besprochen.

Laut § 84 SGB IX ist der AG verpflichtet BEM durchzuführen. Zum BAG Urteil vom 24.03.2011, 2 AZR 170/10 habe ich gelesen, dass "Die Belehrung (der Betroffener) nach § 84 Abs. 2 S. 3 SGB IX gehört zu einem regelkonformen Ersuchen des Arbeitgebers um Zustimmung des Arbeitnehmers zur Durchführung eines BEM. Sie soll dem Arbeitnehmer die Entscheidung ermöglichen, ob er ihm zustimmt oder nicht. Die Initiativlast für die Durchführung eines BEM trägt der Arbeitgeber".

Heißt das, dass der AG den Betroffenen nach 6 Wochen auf jeden Fall anschreiben und ihm über BEM aufklären muss und die SBV (falls AG schwerbehindert ist) und den BR informieren soll>
Laut dem BAG Urteil vom 07.02.2012 AZ 1 ABR 46/10 stärkt dies das Kontrollrecht des Betriebsrats. Der Sachverhalt ist:

"In dem zugrunde liegenden Fall besteht im Betrieb eines auf dem Gebiet der Luft- und Raumfahrttechnik tätigen Arbeitgebers eine Betriebsvereinbarung über die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Nach dieser erhält der Betriebsrat quartalsweise ein Verzeichnis der Mitarbeiter, die im Jahreszeitraum mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig waren. Der Arbeitgeber möchte die Namen dieser Arbeitnehmer nur mit deren Einverständnis offen legen".

Arbeitgeber muss namentlich Benennung nicht vom Einverständnis der Arbeitnehmer abhängig machen

Das Bundesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats entsprochen, mit dem dieser die Angabe sämtlicher Arbeitnehmer verlangt hat, die für die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements in Betracht kommen.
Meine Frage dazu: Heißt das, dass der AG den BR (bei schwerbehinderten die SBV) nur informieren muss, wenn bereits eine Betriebsvereinbarung BEM existiert oder ist er jederzeit verpflichtet die Parteien unmittelbar nach 6 Wochen (Krankheit des AN) zu informieren>

Vielleicht kann mir dazu jemand helfen>

Vielen Dank im Voraus

Liebe Grüße
sbv-ratschlag

Informationspflicht des AG nach 6 Wochen SBV/BR

hackenberger, Wednesday, 04.07.2012, 21:18 (vor 4340 Tagen) @ sbv-ratschlag

Hallo,

mir ist nun nicht ganz klar, was Du noch möchtest: Denn Du hast ja die entsprechenden Urteile gefunden und richtig wiedergegeben.

Der AG ist verpflichtet sofern ein AN entweder 6 Wochen am Stück oder in Addition oder 42 Tage in Addition in den letzten 12 Monaten krank war, also die entsprechenden Krankenfehltage hat, ein BEM anzubieten. Wobei hier alle Tage, also auch die arbeitsfreien Tage, zB. Sa /So und Feiertage welche in die Arbeitsunfähigkeit hineinfallen werden hier mitgezählt.

Der AG MUSS sogar das BEM während einer noch andauernden Arbeitsunfähigkeit anbieten. Eben nach Ablauf/Erfüllung der Zeiten gem. § 84 Abs. 2 SGB IX. Denn das Gesetz, der § 84 Abs. 2 SGB IX, besagt AG muss und nicht muss nach Ende der AU. In solchen Fällen stellt man dann die Umsetzung des BEM nur bis zu dem Zeitpunkt zurück wo die Durchführung einen Sinn macht.

Der AG muss dann dem BR/PR und bei Schwerbehinderten auch der SchwbV eine Kopie des Anschreibens überlassen.

Aber, ein BEM muss nicht immer auch eine stufenweise Wiedereingliederung ergeben. Es kann und ist ggf. auch des öfftern so. Es kommt hier darauf an, ob der Arzt es angeregt/ empfohlen hat.

Dieses ist alles rechtlich auch durch entsprechende BAG Rechtsprechung geklärt.

Sofern ein AG bei Schwerbehinderten hier nicht entsprechend handelt, so ist dieses auch ein Berechtigtes Indiz für einen Verstoß gegen das AGG. Weiter wäre es ein Verstoß gegen § 95 Abs. 2 SGB IX und damit per § 156 Abs. 1 Satz 9 SGB IX sanktionsfähig.

Also, nicht der AN muss aktiv werden, sondern der AG!

Bei Schwerbehinderten könnte es auch ein Fall des § 84 Abs. 1 SGB IX sein, da ja lange/auffällige Krankenfehltage das Beschäftigungsverhältnis gefährden KÖNNTE.

Hier ist auch der BR/PR gefordert, da ja die Mehrzahl der Betroffenen wohl Nichtbehinderte sind.

Kontextlinks:
Betriebliches Eingliederungsmanagement - Hamburger Modell jetzt immer durchzuführen!

Verschiedene Beiträge unter A-Z

Urteile: Eingliederungsmanagement nach §84 Abs.1 SGB IX

Sowie viele Forumsbeiträge, also Suche benutzen!

Mitbestimmung beim betrieblichen Eingliederungsmanagement

Betriebliches Eingliederungsmanagement

Rat vom Experten

Übersicht: Wichtige Eckpunkte des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)

PS: Bei Schwebrhinderten ist hier auch der BA-Schwb § 98 SGB IX in der Pflicht dafür Sorge zu tragen, dass der AG den § 84 Abs. 2 SGB IX, wie das gesammte SGB IX beachtet und anwendet. Ihm drohen bei Verletzung seiner Pflcihten auch ein OWI gem. § 156 Abs. 1 Satz 9 SGB IX.

Informationspflicht des AG nach 6 Wochen SBV/BR

sbv-ratschlag, Thursday, 05.07.2012, 10:50 (vor 4339 Tagen) @ hackenberger

Hallo Bernhard,

vielen Dank für die schnelle Antwort. Du arbeitest aber extrem lange.

Ich habe dem BR die Gesetzlage dargestellt und er will es in dem Gespräch mit GL/BR/SBV ansprechen. Sieht aber aufgrund von Überlastung keine Möglichkeit weiter vorzugehen. Der AG verstößt in vielen weiteren Fällen gegen Gesetze, so der BR.

BR hat nun vorgeschlagen, dass die SBV eine BV BEM ausarbeiten soll, die der BR dann an die GL weiterleitet. Dies hat dem Cham, dass falls die GL die BV ablehnt dies an die Belegschaft weitergeleitet wird.

Eine BV BEM auszuarbeiten erfordert eine Fortbildung der SBV im Rahmen von BEM. Darüber hatten wir im letzten Jahr bereits mit der GL gesprochen. Damals wurde uns mitgeteilt, dass sich die GL vorwiegend um kurzeitig erkrankte kümmern wollen. Sie haben dazu eine sogenannte BV Willkommensgespräche (was nichts anderes ist als Krankenrückkehrgespräche) ausgearbeitet, die aber noch nicht unterschrieben wurde. Wir (1. Stellvertreter und ich) erhielten daher nicht die Genehmigung zur weiteren BEM Schulung. Die 1. BEM Schulung hatten wir Anfang 2011.

Vielleicht sollten wir eine weitere BEM Schulung beantragen. Wahrscheinlich wird sie aber abgelehnt, da zur Zeit keine Schwerbehinderten länger als 6 Wochen krank sind.

Eine andere Idee von mir ist, als SBV in der nächsten BR Zeitung einen Artikel zu schreiben, in der BEM der Belegschaft erklärt wird. So wird sie sensibilisiert und die GL/HR wird eher die Personen, die länger als 6 Wochen krank sind anschreiben.

Eine weitere Möglichkeit Druck auf den Arbeitgeberbeauftragten für die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben auszuüben (§ 98 SGB IX) ist, sobald ein Schwerbehinderter zukünftig länger als 6 Wochen krank ist. Dies war ein super Hinweis in Deinem Antwortschreiben.

Im Grunde genommen würde der 1. Schritt erst Mal langen, dass wir die GL/HR mit dem Artikel dazu bewegen, damit BEM in unserem Unternehmen ansatzweise gelebt wird.

Viele Grüße

Michael

Informationspflicht des AG nach 6 Wochen SBV/BR

hackenberger, Thursday, 05.07.2012, 21:58 (vor 4339 Tagen) @ sbv-ratschlag

Hallo Michael,

» vielen Dank für die schnelle Antwort. Du arbeitest aber extrem lange.
Bitte ;-)

» Ich habe dem BR die Gesetzlage dargestellt und er will es in dem Gespräch
» mit GL/BR/SBV ansprechen.
Dann sollte er es auf das § 74er Gespräch aufnehmen. Wenn das nächst ggf. erst später geplant ist ein zusätzliches veranlassen. Man kann hier nicht abwarten bis der Sachstand eingetreten ist, dann ist es zu spät, denn dann muss sofort gehandelt werden.


» Sieht aber aufgrund von Überlastung keine Möglichkeit weiter vorzugehen.
Das kann und darf nicht wahr sein. Denn es geht hier um Arbeits- und Gesundheitsschutz, also um eines der wichtigsten Themen des BR, § 87 (1) 7 BetrVG. Also Thema der absoluten und knallharten Mitbestimmung, notfalls geht es bis zur Einigungsstelle.

Weiter, der BR ist nicht nur der BRV und Freigestellte. Es ist das gesamte Gremium. Notfalls, kann er also das gesamte Gremium hier zu 100% in Anspruch nehmen, wenn es aus terminlichen und anderen Gründen sein muss.

» Der AG verstößt in vielen weiteren Fällen gegen Gesetze, so der BR.
Dann wird es allerhöchste Zeit, dass der BR endlich handelt. Er hat hier dann ja sehr viele Möglichkeiten.

Wenn er dass nicht möchte oder nicht dazu in der Lage ist, sollte er ernsthaft über sein weiteres Bestehen und ggf. Neuwahlen nachdenken. Denn ein BR der nicht handelt, schadet den Beschäftigten.

» BR hat nun vorgeschlagen, dass die SBV eine BV BEM ausarbeiten soll, die
» der BR dann an die GL weiterleitet. Dies hat dem Cham, dass falls die GL
» die BV ablehnt dies an die Belegschaft weitergeleitet wird.
Der BR und auch die SchwbV können sich immer an die Belegschaft wenden, notfalls auch Betriebsversammlung bzw. als SchwbV Versammlung der Schwerbehinderten einberufen. Das wie steht in den beiden Gesetzen.

Dann sollte der BR aber auch einen Beschluss fassen, dass er vorschlägt/beschließt, dass so gehandelt wird. Dann dort in den Beschluss auch aufnehmen, dass die SchwbV hier noch weiteren Schulungsbedarf hat, welche sie kurzfristig wahrnehmen sollte. Der AG hätte gem. § 96 Abs.4 SGB IX die notwendigen Kosten zu tragen. Auch, dass 1. die Notwendigkeit gegeben ist und die SchwbV alleine, weisungsfrei nach bestem Wissen und Gewissen über notwendige Schulungen entscheidet. Weiter, sollte es hier von Seiten des AG Probleme geben, der BR dann das Ganze im Rahmen des § 87 (1) 7 BetrVG angehen wird. Da es sich um erzwingbare Mitbestimmung handelt, dann ggf. bis zur Einigungsstelle. Der BR weiter prüfen müsste welche grundsätzlichen rechtliche Schritte dringend notwendig seinen, auch ggf. BetrVG § 23 Verletzung gesetzlicher Pflichten und dann in der Folge § 119 BetrVG, Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder.

» Damals wurde uns mitgeteilt, dass sich die GL vorwiegend um kurzeitig
» erkrankte kümmern wollen. Sie haben dazu eine sogenannte BV
» Willkommensgespräche (was nichts anderes ist als Krankenrückkehrgespräche)
» ausgearbeitet, die aber noch nicht unterschrieben wurde.
Das hat zum einen mit BEM § 84 Abs. 2 SGB IX nichts zu tun. Weiter ist § 84 Abs. 3 SGB IX verpflichtend für den AG und notfalls via § 87 (1) 7 BetrVG erzwingbar umzusetzen. Weiter haben bei § 84 (gesamt, also Abs 1 und Abs. 2)SGB IX sowohl der BR wie auch die SchwbV Initiativrechte. Beide sind dort lt. Gesetz "Beteiligte".

» Wir (1.Stellvertreter und ich) erhielten daher nicht die Genehmigung
» zur weiteren BEM Schulung. Die 1. BEM Schulung hatten wir Anfang 2011.
Siehe § 96 SGB IX und oben! Hier entscheidet nicht der AG sondern die SchwbV und der AG muss ggf. das ArbG bemühen. Oder aber die SchwbV setzt ihre Rechte im Beschlussverfahren um.

» Vielleicht sollten wir eine weitere BEM Schulung beantragen. Wahrscheinlich
» wird sie aber abgelehnt, da zurzeit keine Schwerbehinderten länger als 6
» Wochen krank sind.
Das ist sorry "Unsinn". Denn wenn der Fakt eingetreten ist, ist es zu spät. Dann muss unverzüglich gehandelt werden und man hat dann keine Zeit mehr erst eine BV auszuhandeln.

» Eine andere Idee von mir ist, als SBV in der nächsten BR Zeitung einen
» Artikel zu schreiben, in der BEM der Belegschaft erklärt wird. So wird sie
» sensibilisiert und die GL/HR wird eher die Personen, die länger als 6
» Wochen krank sind anschreiben.
Das ist eine gute Idee, sollte man aber gemeinsam mit dem Br machen, ersten ist man "gemeinsam stärker" und es sich ja auch Nichtbehinderte, ggf. auch im der Mehrzahl mögliche Betroffene.

» Eine weitere Möglichkeit Druck auf den Arbeitgeberbeauftragten für die
» Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben auszuüben (§ 98 SGB IX)
» ist, sobald ein Schwerbehinderter zukünftig länger als 6 Wochen krank ist.
» Dies war ein super Hinweis in Deinem Antwortschreiben.
Sollte man immer und grundsätzlich einbinden und fordern, so wie es das Gesetz, dass SGB IX vorsieht.

BAG: Überwachungsrecht des Betriebsrates beim betrieblichen Eingliederungsmanagement

BetrVG § 80 I 2, I 1 Nr. 1; SGB IX § 84 II; BDSG § 28 VI Nr. 3

Der Betriebsrat kann verlangen, dass ihm der Arbeitgeber die Arbeitnehmer benennt, welche nach § 84 II SGB IX die Voraussetzungen für die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements erfüllen. Dies gilt auch im Hinblick auf diejenigen Arbeitnehmer, die der Weitergabe ihrer entsprechenden Daten an den Betriebsrat nicht zugestimmt haben.

BAG, Beschluss vom 07.02.2012 - 1 ABR 46/10 (AG Bonn)

Also, notfalls per Beschlussverfahren mit der Androhung eines deutliche Bußgeldes bei Verstoß umsetzen/umsetzbar!

So nun noch zum guten Schluss den Hinweis, grundsätzlich auch an alle Teilnehmer.
Bitte bei Antworten stets den Hinweistext über dem Eingabefeld beachten.
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