AÜG-Kräfte bei der Stellenbesetzung und SGB IX-Prüfpflicht (Umgang mit BR / PR)

WoBi, Monday, 15.04.2024, 14:51 (vor 14 Tagen)

Hallo,

ich habe bereits mehrfach zur Prüfpflicht nach den §§ 164 Abs. 1 / 165 SGB IX vor einer Stellenausschreibung geschrieben.
So z.B. https://www.schwbv.de/forum/index.php?id=29142
https://www.schwbv.de/forum/index.php?id=29150

Nun habe ich wiedermal "Gegenwind" durch das andere Mitbestimmungsgremium, die "neue" Vorsitzende erhalten. Sie verwendet dazu auch noch meine sonst üblicherweise genutzten eigenen "Waffen", also Gesetze und Kommentare z.B. Düwell an. Sie ist lernfähig :-), argumentativ gut aufgestellt und hat das Gremium im Rücken.

Es geht um "nur interne" Ausschreibungen, weil keine Stellen oder Haushaltmittel vorhanden sind, aber es sich Zeitarbeitskräfte um diese "nur interne" Stelle bewerben. Wenn diese Leihkräfte erfolgreich in den Vorstellungsgesprächen waren, werden diese Personen extern eingestellt.

Als SBV argumentiere ich, dass durch die Einladung der Leihkräfte die "nur interne" Stellenausschreibung "extern" geöffnet wird. Es kommt zu einer "externen" Stellenbesetzung, ohne dass sich externe Menschen mit Behinderung z.B. bei der AfA bewerben oder Vermittlungsvorschläge erstellt werden können. Es wird ein vakanter Arbeitsplatz ohne Erfüllung von §§ 164 Abs. 1 / 165 SGB IX zum Nachteil von Schwerbehinderten besetzt. Die "zwingenden" Gründe für eine "nur interne" Stellenausschreibung nicht mehr vorliegen und die vakante Stelle zwingend extern auszuschreiben ist und ein Vermittlungsauftrag an die AfA gestellt werden muss. Es soll eine Ablehnung der Einstellung im Rahmen der Mitbestimmung erfolgen, damit eine korrekte Stellenausschreibung und die Einhaltung der §§ 164 Abs. 1 / 165 SGB IX erfolgen kann.

Mir wird nun das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) § 13a, mit der Verpflichtung für den Entleiher über alle zu besetzende Arbeitsplätze zu informieren, entgegengehalten.
Durch die Regelung im AÜG soll eine Gleichbehandlung mit der "Stammbelegschaft" erreicht sein.
Leihkräfte sollen damit mit den Beschäftigten gleichgestellt sein und dürfen sich auch auf "nur interne" Stellen bewerben. Leihkräfte sind als "Interne" zu behandeln.

Laut den Kommentaren zum AÜG §13a, so z.B.
"Randnummer 3
Der Entleiher hat den Leih-AN über die bei ihm, dh unternehmens-, nicht dagegen konzernweit zu besetzende Arbeitsplätze zu informieren. Diese Verpflichtung knüpft daran an, dass beim Entleiher während des Zeitraums, in welchem der Leih-AN ihm erlaubnispflichtig zur Arbeitsleistung überlassen ist, die gefasste Absicht besteht, einen (freien, frei werdenden oder noch zu schaffenden) Arbeitsplatz (ggf. auch nur befristet oder in Teilzeit) im Rahmen einer dem Leih-AN zugänglichen Auswahlentscheidung zu vergeben (vgl. auch §9 S.2 TzBfG); ohne Belang ist, ob der Leih-AN zum in Aussicht genommenen Einstellungszeitpunt noch beim Entleiher eingesetzt wird. Anhaltspunkt für die innere Besetzungsabsicht liefern Manifestationen wie zB Stellenanzeigen, Personalpläne, Bewerbungsgespräche usw."

"Randnummer 5
Hierfür spricht nicht nur die durch Art. 6 Abs. 1 Leiharbeits-RL vorgegebene Gleichstellung zu den Bewerbungschancen von Stamm-AN und dem für diese geltenden § 93 BetrVG, sondern auch der Umstand, dass die Bewerbung eines Leih-AN beim Entleiher diesen ggf. zu einer Anstellung als Stamm-AN umstimmen kann. Vor diesem Hintergrund vermag auch §1 Abs. 1b S. 1 Hs. 2 die Informationspflicht nicht zu beschränken."

Was ist nun mit dem AÜG?

Geht das AÜG den Verpflichtungen für (öffentliche) Arbeitgeber nach den §§ 164 Abs 1 / 165 SGB IX vor?

Oder haben die Kommentatoren mit "eingeschränktem" Blick auf das AÜG geschrieben, ohne das SGB IX zu berücksichtigen?

Sind Leihkräfte wie "interne" Beschäftigte bei der Einstellung zu behandeln, obwohl die Mitbestimmung für eine Einstellung und nicht für eine Versetzung durch das Gremium ausgeübt wird?

Oder ist die Verpflichtung zur Information nach §13a AÜG über Stellen keine Öffnung von "nur internen" Stellen zur "externen" Besetzung mit Leihkräfte ohne externe Ausschreibung?

--
Gruß
Wolfgang

AÜG-Kräfte bei der Stellenbesetzung und SGB IX-Prüfpflicht

Cebulon, Tuesday, 16.04.2024, 06:30 (vor 14 Tagen) @ WoBi

Geht das AÜG den Verpflichtungen für öffentliche Arbeitgeber den §§ 164 Abs 1 / 165 SGB IX vor?

Hallo,

maßgebend dürfte sein, dass bereits bei der früheren Besetzung eines Arbeitsplatzes mit einem Leiharbeitnehmer dem freien Arbeitsmarkt ein Arbeitsplatz zu Lasten der Gruppe der arbeitssuchenden sbM entzogen worden ist. Bei der angeprangerten Verfahrensweise im Sinne der neuen PR-Vorsitzenden könnte der Gruppe der arbeitssuchenden sbM unter dem Vorwand der ausschließlich internen Besetzbarkeit erneut ein Arbeitsplatz entzogen werden, obwohl sie als Externe in Konkurrenz mit dem (vormaligen) Leiharbeitnehmer stehen. Dies widerspricht dem Zweck des § 164 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX und ist m.E. klar diskriminierend. Die sbM müssen daher Gelegenheit erhalten, sich auf Veranlassung der zu konsultierenden Arbeitsagentur für den zu besetzenden Arbeitsplatz zu bewerben.

Das alles lässt sich m.E. unschwer folgern aus der Begründung im Grundsatzbeschluss des BAG, 23.06. 2010 - 7 ABR 3/09, Gründe B III 2 b aa (ab Rn. 28) zum SGB IX a.F. unter Aufhebung aller Vorinstanzen. Demnach besteht offenbar noch Schulungsbedarf bei dieser neuen Vorsitzenden:

Leitsätze:
1. Die in § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX normierte Prüf- und Konsultationspflicht des Arbeitgebers besteht auch dann, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, einen frei werdenden oder neu geschaffenen Arbeitsplatz mit einem Leiharbeitnehmer zu besetzen.

2. Verstößt der Arbeitgeber gegen seine Pflichten aus § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX [a.F.], berechtigt dies den Betriebsrat, die Zustimmung zur Einstellung des Leiharbeitnehmers nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu verweigern.

Nun habe ich wiedermal "Gegenwind" durch das andere Mitbestimmungsgremium, die "neue" Vorsitzende erhalten.

Es gibt nur EINEN Träger der Mitbestimmung: Die SBV ist weder Gremium noch Mitbestimmungsorgan.

Gruß,
Cebulon

AÜG-Kräfte bei der Stellenbesetzung und SGB IX-Prüfpflicht

WoBi, Tuesday, 16.04.2024, 18:50 (vor 13 Tagen) @ Cebulon

Hallo,

die Leihkräfte werden nicht auf "frei werdenden oder neu geschaffenen Arbeitsplätze" befristet einge"kauft", sondern als Vertretungen auf vorhandene "verwaiste" Arbeitsplätze, z.B. wegen Krankheit eingesetzt. Dazu erfolgt die Zustimmung des Gremiums.

Eine Information und Beauftragung zur Vermittlung der AfA liefert kaum / extrem selten / eigentlich nie einen erkennbaren Rücklauf, selbst bei externen (unbefristeten) Ausschreibungen. Die AfA erfüllt die nach dem SGB IX zugewiesenen Aufgaben im Bereich der Vermittlungsvorschläge nicht nachvollziehbar.

Es besteht nach § 13a AÜG die Informationspflicht über einen zu besetzenden Arbeitsplatz durch den entleihenden Arbeitgeber.

In der Randnummer 5 steht dazu:
"Der Entleiher hat alle Leih-AN, für welche der Tatbestand erfüllt ist, ungefragt von sich aus über die zu besetzenden Arbeitsplätze zu informieren; dieser Pflicht korrespondiert ein Anspruch des Leih-AN. Dagegen folgt aus §13a keine Beschränkung der Einstellungsentscheidung, insbes. müssen Leih-AN nicht vorrangig berücksichtigt werden."

Hier wird durch "nicht vorrangig berücksichtigt werden" durch das Gremium abgeleitet, dass eine Berücksichtigung zu erfolgen hat.

Ich betone mehr "keine Beschränkung der Einstellungsentscheidung". Durch die getroffene Arbeitgeberentscheidung einer Einbeziehung von Bewerbungen der Leihkräfte in das Auswahlverfahren der "nur internen" Ausschreibung, greifen die zwingenden Sachgründe für eine nur eingeschränkte Stellenbesetzung mit bereits vorhandenem Personal nicht mehr.
Es besteht nur eine Informationspflicht nach dem AÜG, welche durch die Veröffentlichung in Intranet erfüllt wird.

Bei einer "nur internen" Stellenausschreibung steht für die AfA kein zu vermittelnder Arbeitsplatz zur Verfügung. Also nutzt die Information und Beauftragung von Vermittlungsvorschlägen durch den Arbeitgeber mit der internen Veröffentlichung der Stellenausschreibung nichts. Es wird durch den Arbeitgeber gegenüber dem Gremium darauf hingewiesen, dass eine Abfrage nach § 164 Abs. 1 SGB IX erfolgt ist.

Ohne je einen Vermittlungsvorschlag der AfA erhalten zu haben, ist das Einfordern der Information und Beauftragung der AfA ein "Kampf gegen Windmühlen nach Don Quijote".
Wie soll man da ein Gremium motovieren können, sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung oder die Durchsetzung vom SGB IX einzusetzen?

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Gruß
Wolfgang

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