Teilnahme an konstituierenden Sitzung des BR (Sitzung)

WoBi, Monday, 23.04.2018, 20:07 (vor 2194 Tagen) @ albarracin

Hallo Wolfgang (albarracin),

der Fitting Kommentar ist ein Standardwerk für die Betriebsratsarbeit und steht auch bei mir. Der Fitting ist gegenüber anderen BetrVG-Kommentaren schwer zu lesen, da er juristisch anspruchsvoll geschrieben ist und beschränkt sich auf die Sichtweise des BetrVG.

Im BetrVG Kommentar für die Praxis von Siebert/Becker steht zu § 29 BetrVG (8):
„An der konstituierenden Sitzung teilnahmeberechtigt ist kraft Amtes der Vorsitzende des Wahlvorstands, jedoch nur bis der Betriebsrat eines seiner Mitglieder zum Wahlleiter bestellt hat. Dann verlässt der Vorsitzende des Wahlvorstands die Sitzung, falls er nicht gleichzeitig Mitglied des Betriebsrats ist.
Weitere Teilnahmeberechtigte sind:
• die Schwerbehindertenvertretung,
• ein beauftragtes Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung und
• ein Beauftragter der im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaft, falls ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats dies beantragt hat.
Bei der Einladung zur konstituierenden Sitzung hat der Wahlvorstand diese Teilnahmeberechtigten entsprechend zu berücksichtigen.“

Im Knittel SGB IX-Kommentar, ein Standardwerk für die SBV-Arbeit, zu § 178 Abs. 4 SGB IX steht:
„Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht zur Teilnahme an allen Sitzungen des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates und deren Ausschüssen sowie des Arbeitsschutzausschusses (Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1). Sie soll damit auf die Willensbildung und Entscheidungsfindung dieser Gremien Einfluss nehmen können, damit auch die besonderen Belange der schwerbehinderten Arbeitnehmer Berücksichtigung finden (BAG Beschluss vom 21. April 1993 - 7 ABR 44/92 = BAGE 73, 93 = NZA 1994, 43 = BehindertenR 1995, 71).“

Die SBV kann an allen Sitzungen des Betriebsrates, dessen Ausschüsse und dem Arbeitsschutzausschuss ohne spezielle Einladung teilnehmen. Dies gibt der § 178 Abs. 4 SGB IX als eigene Rechtsgrundlage für alle Sitzungen her. Der Gesetzgeber hat bewusst keine Einschränkung vorgesehen, etwa auf Sitzungen, in denen Angelegenheiten der Schwerbehinderten auf der Tagesordnung stehen. Vielmehr hat der Gesetzgeber in vielen Gesetzen z.B. § 29 Abs. 2 BetrVG, § 178 Abs. 4 SGB IX, § 40 Abs. 1 BPersVG und den einschlägigen Landesvertretungsgesetzen z.B. Art. 34 Abs.2 / Art. 40 Abs. 1 BayPVG bestimmt, dass die Schwerbehindertenvertretung ein Teilnahmerecht an allen Sitzungen hat.

Der neu gewählte Betriebsrat ist erst nach einer Wahl eines Vorsitzenden und eines Stellvertreters handlungsfähig und nur nach dieser Wahl ist die konstituierende Sitzung abgeschlossen. Sollte es bei der Wahl dieser zwei Personen „Schwierigkeiten“ z.B. Pattsituation im Gremium geben, ist der Rat der SBV oder der weiteren Teilnahmeberechtigten zur Erlangung eines funktionsfähigen Betriebsrates z.B. mittels geheimer Wahl wichtig.

Die Überschrift von § 29 BetrVG lautet "Einberufung der Sitzungen" und im 2. Satz von Abs. 1 steht ebenfalls Sitzung. Während im 1. Satz dieses Absatzes von einer Einberufung zur Wahl steht.

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Gruß
Wolfgang


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