Anspruch auf mehrere Vorstellungsgespräche/Pflicht von mehreren Stellenbese (Einstellung)

WoBi, Wednesday, 08.08.2018, 21:56 (vor 2086 Tagen) @ maiklewa

Hallo maiklewa,

klingt beim ersten Lesen wie eine hypothetische Fragestellung, aber ist in der Realität denkbar. Und wie später ausgeführt, kommt dies bei einem „rationellen Stellenausschreibungsverfahren“ wirklich so zur fraglichen Anwendung.

Es werden zu einem Zeitpunkt drei Stellenausschreibungen mit unterschiedlichen Anforderungsprofilen und ggf. unterschiedlicher Eingruppierung durch einen öffentlichen Arbeitgeber ausgeschrieben. Es handeln sich also nicht z.B. um mehrere Arbeitsplätze im Sachgebiet X mit identischen Anforderungen und der gleichen Eingruppierung, die mit einer Stellenausschreibung durch die Gemeinde X ausgeschrieben wird.
Beispiel: „Wir suchen mehrere Sachbearbeiter / Sachbearbeiterinnen mit AL II“.

Je nach Erfüllung der Anforderungen und den persönlichen Vorlieben der Bewerber können also jeder Bewerber sich um eine, zwei oder drei Arbeitsplätze bewerben. Demzufolge werden die Bewerber eins bis drei Bewerbungen ggf. zu unterschiedlichen Zeitpunkten einreichen oder dafür durch die AfA / IFD vorgeschlagen werden.

Jetzt kommt § 165 Abs. 3 SGB IX zum Tragen. Ein öffentlicher Arbeitgeber hat einen vorgeschlagenen Schwerbehinderten oder sich bewerbenden Schwerbehinderten um einen solchen ausgeschriebenen Arbeitsplatz zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Nach § 165 Abs. 4 SGB IX kann eine Einladung nur entbehrlich sein, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.

Ein mehrfach sich bewerbender schwerbehinderter Mensch, der offensichtlich nicht fachlich vollkommen ungeeignet für die jeweilige Stellenausschreibung ist, ist demzufolge zu einem Vorstellungsgespräch pro ausgeschriebener Stellenausschreibung einzuladen. Der Nachweis der offensichtlich fachlichen Uneignung hat der Arbeitgeber im Falle einer AGG-Klage für jede einzelne Bewerbung nachzuweisen und ggf. zu beweisen. Eine Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch kann ein Indiz für eine Benachteiligung wegen einem in § 1 AGG genannten Merkmal sein.

Eine Benachteiligung im Einstellungsverfahren ist auch die Missachtung gesetzlicher Vorgaben zum Schutz Schwerbehinderter. Der Arbeitgeber darf es nicht in der Hand haben, durch eine geeignete Verfahrensgestaltung die Chancen von Bewerbern wegen eines Merkmals des § 1 AGG so zu mindern, dass seine Entscheidung praktisch unangreifbar wird.

Wie die Gemeinde den Anforderungen nach der Bestenauslese und der Dokumentationsverpflichtung nach https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_33.html bei dieser Vermischung der Personen und Stellen nachkommen will und kann, ist für mich Fragwürdig. Was wenn PR oder/und SBV mit einer Personalentscheidung nicht einverstanden ist und die Gemeinde ihrer Verpflichtung nach § 164 Abs. 1 SGB IX erfüllen wollen. Hier ist auch die Erfüllung der Beschäftigungsquote wichtig. Denn bei Nichterfüllung hat der schwerbehinderte Bewerber zusätzlichen Erörterungsansprüche.

Es ist bei dieser Art der Durchführung mit hoher Sicherheit auch anzunehmen, dass eine Vorprüfung ob bereits schwerbehinderte Beschäftigte die freien oder frei werden Stellen besetzen können nach § 165 Satz 1 SGB IX in Verbindung mit § 164 Abs. 1 SGB IX mit Beteiligung von PR und SBV nicht durchgeführt worden ist. Denn Arbeitsplätze sind erst nach erfolgloser Prüfung der AfA zu melden.

Es ist eine unzulässige Arbeitsvereinfachung zu Lasten schwerbehinderter oder gleichgestellter unter Missachtung bestehender gesetzlicher Regelungen.

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Gruß
Wolfgang


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